Rezension über:

Ulrike Weinhold: Emailmalerei an Augsburger Goldschmiedearbeiten von 1650 bis 1750 (= Forschungshefte. Hrsg. vom Bayerischen Nationalmuseum; Bd. 16), München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2000, 296 S., 80 Farb-, 60 s/w-Abb., ISBN 978-3-422-06270-2, DM 168,00
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Rezension von:
Rudolf-Alexander Schütte
Hessisches Landesmuseum, Staatliche Museen Kassel
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Rudolf-Alexander Schütte: Rezension von: Ulrike Weinhold: Emailmalerei an Augsburger Goldschmiedearbeiten von 1650 bis 1750, München / Berlin: Deutscher Kunstverlag 2000, in: sehepunkte 1 (2001), Nr. 1 [15.01.2001], URL: https://www.sehepunkte.de
/2001/01/3481.html


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Ulrike Weinhold: Emailmalerei an Augsburger Goldschmiedearbeiten von 1650 bis 1750

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Die Forschungen zur Augsburger Goldschmiedekunst sind seit langem eng mit dem Bayerischen Nationalmuseum in München verbunden, und so ist es nur folgerichtig, dass die hier veröffentlichte Monographie über die Emailmalerei an Augsburger Goldschmiedearbeiten, bei der es sich um die Freiburger Dissertation der Autorin handelt, in der Reihe der Forschungshefte des Museums erschienen ist. Von besonderem Interesse ist die Emailmalerei an Augsburger Goldschmiedearbeiten, weil sie in den beiden ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts mit dem Aufkommen der neuen Gefäßtypen für die eben erst etablierten Heißgetränke Tee, Kaffee und Schokolade verbunden ist und aufgrund der fürstlichen Kundschaft für diese Arbeiten ein entsprechend hohes Qualitätsniveau aufweist. Nach dem weitgehenden Abschluss der Markenforschungen zur Augsburger Goldschmiedekunst betritt die Arbeit von Ulrike Weinhold mit dem Einblick in das Verhältnis der Goldschmiedekunst zur Malerei und Graphik - die Emailmaler, auch Feuermaler genannt, waren Mitglieder der Goldschmiedezunft - neues Terrain.

Die Arbeit ist in vier größere Kapitel mit mehreren Unterkapiteln aufgeteilt und wird von einem detaillierten Katalog der weltlichen Emailarbeiten abgeschlossen. Einleitend erläutert Ulrike Weinhold die Technik der Emailmalerei als einer auf weißem Emailgrund aufgetragenen und durch Erhitzung fixierten Malkunst und grenzt sie gegenüber anderen Emailtechniken ab. Die Anfänge der Emailmalerei in Augsburg vollzogen sich auf dem Gebiet der Schatzkammerobjekte, prunkvoll ausgestatteten Lavabogeschirren, Schmuckkassetten und ähnlichen Arbeiten für fürstliche Schatzkammern, die mit Reliefemail, einem Vorläufer der Emailmalerei, verziert wurden und ein Höchstmaß an Aufwand und Innovationsbereitschaft erforderten. Zunächst nimmt Augsburg Anregungen aus Frankreich, dem Ursprungsland der Emailmalerei, und besonders Nürnberg, das sich schon früher mit dieser Technik auseinandergesetzt hatte, auf, um sich aber schon in den 1680er Jahren von den Vorbildern zu lösen und mit Simon Mair den ersten spezialisierten Feuermaler der Augsburger Goldschmiede, der in den Quellen dokumentiert ist, hervorzubringen. Leider sind die Emailarbeiten selten signiert worden, was wohl mit der Auffassung der Emailmalerei als Werke des Handwerks und nicht der Kunst zusammenhing; dennoch gelingt es Ulrike Weinhold, unter Berücksichtigung der in den Goldschmiedeordnungen festgelegten Bedingungen für eine solche Spezialisierung, anhand der wenigen signierten Stücke und anhand von Quellenangaben eine Reihe von Malern bzw. Malerfamilien kenntlich zu machen.

Im zweiten übergreifenden Kapitel steht die Typologie der mit Emailmalerei verzierten Goldschmiedewerke im Zentrum. In Augsburg, und nur in Augsburg, wurde die Emailmalerei in den beiden ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts mit völlig neuen Gefäßtypen für die gerade aufgekommenen Heißgetränke Tee, Kaffee und Schokolade verknüpft und zu großen, ornamental einheitlich gestalteten Servicen zusammengestellt, wie sie bis dahin nur für die kurz zuvor entstandenen Toilettengarnituren gestaltet worden waren. Die Sonderstellung Augsburgs beruhte auf der hohen Qualität seiner Goldschmiedearbeiten und den weiträumig agierenden Silberhändlern, die große Aufträge für Fürstenhöfe koordinierten und finanzierten.

Das dritte und ausführlichste Kapitel, das den Schwerpunkt des Buches bildet, behandelt die Themen der Emailmalereien unter besonderer Berücksichtigung ihrer graphischen Vorlagen. Dabei betont die Autorin einleitend die eigenständige Leistung der Emailmaler bei der Umsetzung der graphischen Vorlagen, die sie in chronologischer Reihenfolge nach Themen geordnet behandelt. Auf diese Weise werden zusammengehörige Service, auf denen mehrere Themen behandelt werden, nicht zusammengehörig behandelt und abgebildet. Dieses für den Leser manchmal umständlichere Verfahren (gegenüber der geschlossenen Behandlung der Service) rechtfertigt sich allerdings durch das Ergebnis der Autorin, dass die Ikonographie der Service überwiegend dekorativ und nicht im Sinne eines übergeordneten Programmes verstanden wurde. Versatzstückartig zusammengestellt, ging es den Emailmalern vorrangig um eine intensive Auseinandersetzung mit subtilen Farb- und Lichtwirkungen, in die die schwarz-weißen Vorlagenstiche umgesetzt werden mußten. Deutsche und französische Originalgraphik aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wurde am Anfang der Augsburger Emailmalerei als Vorlage herangezogen, während zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein zunehmender Einfluss der französischen Hofkunst Ludwigs XIV., vermittelt durch Reproduktionsgraphik, feststellbar ist. Parallel dazu wurde die in Augsburg entstandene Druckgraphik, insbesondere jene von Johann Andreas Thelott und seine Illustration des "reisenden Cupido" nach einer Dichtung von Hoffmann von Hoffmannswaldau wichtig. Ein Exkurs über das Verhältnis der Augsburger Emailservice zu dem zwischen 1697 und 1701 entstandenen "Goldenen Kaffeezeugs" von Johann Melchior und Georg Friedrich Dinglinger, welches das berühmteste emaillierte Tee- bzw. Kaffeeservice darstellt, schließt dieses durch die profunde Kenntnis der Vorlagengraphik der Autorin sehr aufschlußreiche und lebendige Kapitel ab. Die Frage, ob das erst 1723 öffentlich ausgestellte "Goldene Kaffeezeug" die Augsburger Emailmaler beeinflusst hat oder umgekehrt, muss mangels fehlender Quellen offen bleiben.

Abgeschlossen wird die Arbeit mit der Behandlung der mit dem "Email de Saxe" verzierten Gegenstände und der Tätigkeit der Augsburger Emailmaler als Hausmaler auf frühem Meißener Porzellan, die man, etwas frei zusammengefasst, auch als Ausklang der Augsburger Emailmalerei bezeichnen könnte. Bei dem "Email de Saxe", von dem man entgegen seinem bezeichnenden Namen nicht genau weiß, ob es in Berlin oder in Augsburg aufgekommen ist, und das nur an großen Deckelbechern und an Toilettenservicen angewandt wurde, handelt es sich um weißgrundigen Emaildekor mit Goldauflagen, der in der Zeit um 1725 bis 1732 entstanden ist und als Halbfertigware von Berlin oder Meißen aus zur Bemalung, auch nach Augsburg, versandt wurde. Damit steht das "Email de Saxe" am Beginn neuer technischer Bestrebungen, die unmittelbar mit der bereits erfundenen Porzellanmalerei verbunden sind. 1709 erfunden, ging die Produktion des Meißener Porzellans bereits 1713 in Serie und wurde, unter Nutzung bereits bestehender Handelsverbindungen, nach Augsburg zur Bemalung verschickt. Unter veränderten Bedingungen führten die beiden Augsburger Feuermalerwerkstätten Seuter und Aufenwerth sie noch einige Zeit lang fort, konnten sich aber letztendlich nicht gegen die starken, in Meißen tätigen Künstlerpersönlichkeiten, insbesondere gegen Johann Gregorius Höroldt, behaupten.

Der das Buch beschließende Katalog ist typologisch nach der auf verschiedenen Gefäßtypen angewandten Emailmalerei geordnet und erweist sich in der praktischen Arbeit mit seiner detaillierten Fülle als sehr gut benutzbar.

Fassen wir zusammen: Bei der Arbeit von Ulrike Weinhold handelt es sich um ein immer wieder zu konsultierendes Nachschlagewerk mit handbuchartigem Charakter, das eine äußerst interessante Periode der Augsburger Goldschmiedekunst eindrucksvoll und unterstützt von einer reichen Buchausstattung vor Augen führt.

Rudolf-Alexander Schütte