Rezension über:

Ulrich Schmilewski: Der schlesische Adel bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Herkunft, Zusammensetzung und politisch-gesellschaftliche Rolle, Würzburg: Verein für Geschichte Schlesiens 2001, 646 S., 68 Abb., ISBN 978-3-931889-04-3, EUR 56,24
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Rezension von:
Tomasz Jurek
Institut für Geschichte, Polnische Akademie der Wissenschaften, Posen/Poznañ
Redaktionelle Betreuung:
Winfried Irgang
Empfohlene Zitierweise:
Tomasz Jurek: Rezension von: Ulrich Schmilewski: Der schlesische Adel bis zum Ende des 13. Jahrhunderts. Herkunft, Zusammensetzung und politisch-gesellschaftliche Rolle, Würzburg: Verein für Geschichte Schlesiens 2001, in: sehepunkte 2 (2002), Nr. 7/8 [15.07.2002], URL: https://www.sehepunkte.de
/2002/07/3252.html


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Ulrich Schmilewski: Der schlesische Adel bis zum Ende des 13. Jahrhunderts

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Das vorliegende Buch basiert auf der schon 1995 abgeschlossenen Dissertation des Verfassers. Es ist dies bereits die zweite in den letzten Jahrzehnten erschienene umfangreiche Monografie zum schlesischen Rittertum im 13. Jahrhundert. Die vorangegangene Darstellung von Marek Cetwiński (1980-1982) war scharfer Kritik ausgesetzt worden, sowohl deutscher- als auch polnischerseits.[1] Ulrich Schmilewski hatte sich zum Ziel gesetzt, das von seinem Vorgänger skizzierte Bild grundsätzlich zu revidieren. Leider hat er jedoch dieselbe Zäsur vorgenommen, obwohl ein Abschluss der Untersuchung mit dem Jahr 1300 nicht durch historische Umstände zu erklären ist, da der eigentliche Umbruch in der schlesischen Geschichte erst 1310-1315 (mit der politischen Zersplitterung des Landes) beziehungsweise 1327-1329 (mit dem Übergang an die böhmische Herrschaft) zu setzen ist. Zudem untersucht er das gesamte Gebiet Schlesiens in den Grenzen des Spätmittelalters, also einschließlich des Troppauer und des Glatzer Gebiets, die aber in der betrachteten Zeit gar nicht zu Schlesien gehörten.

Zuerst beschäftigt sich der Verfasser mit der Herkunft des schlesischen Adels, wobei er eingesessene und zugewanderte Ritter unterscheidet; zur zweiten Gruppe werden sowohl die Zuwanderer aus Böhmen, Deutschland und sogar Italien gerechnet (im letzten Fall geht es aber nur um einige wenige Geistliche, die eine päpstliche Provision auf schlesische Benefizien bekamen) als auch solche aus den benachbarten polnischen Teilgebieten (abgesehen von der Richtigkeit der Herkunftszuschreibung in einzelnen Fällen, erscheint vor allem die Gegenüberstellung Schlesiens und des sonstigen Polen zu dieser Zeit problematisch). Den Anteil der Deutschen schätzt der Verfasser lediglich auf 14,2 Prozent. Er stellt weiter fest, dass der schlesische Adel als Stand nicht geschlossen war , und er unterstreicht demgegenüber die beweglicheren Gruppierungen (wie Klientel-Verbindungen, kurzfristige Interessengruppen oder Freundeskreise); außer acht blieb leider das grundlegende Problem der großen, für Polen typischen Wappengeschlechter, desgleichen die Frage nach der hierarchischen Rolle der Ritterpromotionen. Schmilewski stellt das Fehlen grundlegender Gegensätze zwischen Zuwanderern und eingesessenen Rittern fest und skizziert deren Rechtsordnungen (das alte polnische ius militare und das deutsche Lehnsrecht), die allmählich miteinander verschmolzen. Seine Überlegungen zu den Besitzverhältnissen des Adels stützen sich leider vor allem auf die methodisch fehlerhaften Ergebnisse von Wacław Korta (1964). Umfassend werden die Beziehungen zur Kirche herausgearbeitet, sowohl die frommen Stiftungen des Adels als auch die Besetzung von kirchlichen Pfründen mit Söhnen aus adeligen Familien. Im Bereich der politischen Tätigkeit beobachtet der Verfasser die Ritter als herzogliche Begleiter und Hofleute, Beamte und Ratgeber (vor allem in der Gruppe der Barone), andererseits aber auch als politische Opposition, wobei er diese letzte Erscheinung als gering einschätzt.

Eine selbständige Bedeutung besitzt das Kapitel über das Beamtentum, mit umfangreichen Listen sowohl der Verwaltungs- als auch der Hof- und Kanzleibeamten, wobei aber Fehler und Missverständnisse begegnen (zum Beispiel wird die Rolle des Palatins falsch dargestellt, der Hofrichter vom Richter unterschieden, dagegen Marschall und agazo gleichgestellt). Gemäß dem Titel werden Probleme der Hofkultur, adeliger Heraldik und Sphragistik gar nicht berücksichtigt.

Jedes Kapitel besitzt eine ähnliche Struktur; erst nach der Präsentation der Ergebnisse der Quellenuntersuchung werden diese mit den bisherigen Meinungen konfrontiert, was vor allem auf eine Kritik an den Thesen von Cetwiński hinausläuft. Die umfangreiche Literatur zu einzelnen behandelten Fragen wurde leider nicht vollständig ausgewertet. So hat der Verfasser zum Beispiel nicht die neueren polnischen Abhandlungen zur Genese des polnischen Rittertums und Ritterrechts (K. Buczek, H. Łowmiański, G. Labuda) oder zu ethnischen Fragen (B. Zientara), aber auch die deutschen Studien über die Gerichtsverfassung (F. Matuszkiewicz) oder das Oppelner Hofpersonal (D. Veldtrup) berücksichtigt. Der gesamte Fragenkomplex der adeligen Zuwanderungen und der gegenseitigen Beziehungen zwischen zugewanderten und eingesessenen Rittern hätte nach einer Diskussion mit den Ergebnissen meiner Monografie über diese Problematik (Obce rycerstwo na Śląsku) verlangt [2]; sie ist freilich erst 1996 erschienen. Dieser Umstand macht aber bewusst, dass die Idee des Verfassers, seine Dissertation sechs Jahre nach ihrem Abschluss in einer unveränderten Form zu publizieren, unglücklich war.

Eine besondere Stellung nimmt schließlich das umfangreiche Personenverzeichnis ein, das eine Zusammenstellung der Quellendaten über alle bis 1300 auftauchenden Ritter und ihre Verwandten umfasst, aber viel zu wünschen übrig lässt. Viele Personen sind hier unnötig aufgenommen (zum Beispiel der Domherr Jakob von Skarischau, ein Sohn deutscher Bürger aus Kleinpolen, die Breslauer Patrizierfamilie von Banz oder zahlreiche Ritter aus Großpolen, die nur gelegentlich in schlesischen Urkunden erwähnt wurden), was nicht ohne Bedeutung für die statistischen Berechnungen bleibt. Da der Verfasser die Identifikationen sehr vorsichtig vorgenommen und außerdem nicht immer die Identität von Personen bei verschieden geschriebenen Vornamen bemerkt hat, sind viele Personen missverständlich "vermehrt". Auch hier wurde die vorhandene Literatur nicht ausreichend benutzt, obwohl sie - besonders bei den großen Persönlichkeiten aus früherer Zeit (wie den Palatinen Peter Wlast oder Jaxa) - viel mehr Einblicke vermitteln könnte als eine bloße Zusammenstellung der unklaren und unsicheren Quelleninformationen. Ich möchte die Brauchbarkeit dieses Verzeichnisses nicht verneinen, aber man muss es kritisch und mit großer Vorsicht benutzen. Die angezeigten Fehler in Themenerfassung und Literaturauswertung lassen das Buch, trotz seines großen Umfanges, bedauerlicher Weise nicht als gründliche und dem heutigen Forschungsstand entsprechende Darstellung dieses wichtigen Phänomens erscheinen.

Anmerkungen:

[1] Vgl. die Rezension des 1. Bandes durch Walter Kuhn in: Zeitschrift für Ostforschung 30 (1981), S. 408-412.

[2] Vgl. die Anzeige von Marc Löwener in: ZfO 48 (1999), S. 624.


Tomasz Jurek