Rezension über:

Holger Komnick: Die Restitutionsmünzen der frühen Kaiserzeit. Aspekte der Kaiserlegitimation, Berlin: de Gruyter 2001, 292 S., 28 Tafeln, ISBN 978-3-11-017067-2, EUR 74,00
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Rezension von:
Claudia Drosihn
Historisches Seminar, Eberhard Karls Universität, Tübingen
Redaktionelle Betreuung:
Christian Witschel
Empfohlene Zitierweise:
Claudia Drosihn: Rezension von: Holger Komnick: Die Restitutionsmünzen der frühen Kaiserzeit. Aspekte der Kaiserlegitimation, Berlin: de Gruyter 2001, in: sehepunkte 3 (2003), Nr. 6 [15.06.2003], URL: https://www.sehepunkte.de
/2003/06/1992.html


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Holger Komnick: Die Restitutionsmünzen der frühen Kaiserzeit

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Im 1. und 2. Jahrhundert nach Christus wurden unter den römischen Kaisern Titus, Domitian, Nerva und Traian kleine Münzserien geprägt, die durch ihre Münzbilder und ihre Legende aus dem Rahmen der sonstigen kaiserlichen Münzprägung herausfallen: die so genannten Restitutionsmünzen. Allen diesen insgesamt über 1400 Münzen ist gemeinsam, dass sie ein bereits in der Republik oder der frühen Kaiserzeit geprägtes Münzbild wieder aufnehmen. Auf jedem Revers der Restitutionsmünzen ist das Wort "restitvit" in verschiedenen Abkürzungen an die Titulatur des jeweils prägenden Kaisers angehängt. Darin liegt auch die moderne Bezeichnung dieser Emissionen begründet.

Die Restitutionsmünzserien wurden zwar schon seit dem 16. Jahrhundert in der numismatischen Literatur als Sondererscheinung betrachtet, aber abgesehen von zwei grundlegenden Aufsätzen von H. Mattingly (Numismatic Chronicle 1920, Numismatic Chronicle 1926) sowie den entsprechenden Abschnitten im "Roman Imperial Coinage" war eine vollständige und zusammenfassende Bearbeitung dieser Sonderemissionen bislang ein Desiderat. Doch nun liegt mit der für den Druck überarbeiteten Fassung der Dissertation von Holger Komnick (Frankfurt am Main 1997) erstmals eine Monografie zu diesem Thema vor.

Komnick beginnt mit einer kurzen Einleitung (1-2), einer Erläuterung des Wortes "restituere" in seinen verschiedenen Bedeutungen (3-5) sowie einem kurzen Exkurs zum Thema: "Restitutio als Tätigkeit des Kaisers" (6-8). Danach folgt eine vergleichsweise ausführliche Vorstellung der Forschungsgeschichte (9-16), angefangen bei der frühesten Beschreibung von Restitutionsmünzen (Mitte des 16. Jahrhunderts). Im folgenden Kapitel (17-26) skizziert Komnick den aktuellen Forschungsstand zu den Restitutionsmünzen und fasst die vier wesentlichen Thesen zur Bedeutung und Funktion der Serien zusammen: 1. Erinnerung an alte, aus dem Umlauf verschwundene Münzen, 2. Antiquarisches Interesse, 3. Erinnerung an bedeutende Ereignisse oder Personen, 4. Herrschaftslegitimation des jeweils prägenden Kaisers.

Der überaus detaillierte und übersichtliche Typenkatalog (27-138) behandelt nacheinander die Restitutionsmünzen des Titus, des Domitian, des Nerva und des Traian. Komnick hat dafür alle erreichbaren Belege für Restitutionsmünzen gesammelt; das Material setzt sich zusammen aus den Beständen öffentlicher Sammlungen, des Fotoarchivs des Seminars für Griechische und Römische Geschichte, Abt. II der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main sowie Nachweisen in Sammlungs- und Auktionskatalogen.

Komnick stellt jede Serie zunächst kurz vor und gibt eine knappe Einleitung zu ihrer allgemeinen Ordnung. Danach folgt der eigentliche Typenkatalog, der auch sämtliche Varianten, Hybridkoppelungen und Fälschungen aufführt. Die Typen sind durchnummeriert, Avers und Revers beschrieben und der Prototyp des jeweiligen Stückes angegeben. Daran anschließend stellt Komnick sowohl die Ergebnisse seiner Stempeluntersuchungen als auch seine Überlegungen zur Datierung und Münzstätte vor.

Das sechste Kapitel beschäftigt sich mit den Stempelzahlen der Restitutionsmünzserien der Kaiser Titus, Domitian und Nerva im Vergleich (139-141). Dabei beruft sich Komnick auf Stempeluntersuchungen für die Aesprägungen der Kaiser Claudius, Galba und Nerva. Mittels einer Gegenüberstellung der Zahlen dieser Untersuchungen und mit denen der Restitutionsmünzserien versucht Komnick, den relativen Umfang der einzelnen Serien auf der Grundlage der Stempelzahlen zu bestimmen. Seine Überlegungen und Schlussfolgerungen sind in diesem Bereich jedoch schwer nachzuvollziehen und bleiben eher vage.

Im Folgenden geht Komnick der Frage nach den Vorbildern der Restitutionsmünzen und deren Verfügbarkeit sowie dem Grad der Originaltreue bei den Restitutionen nach (142-145). Die Restitutionsmünzen der Kaiser Titus, Domitian und Nerva nehmen etwa 100 Jahre alte Typen wieder auf, die Serie des Traian wiederholt sogar 300 Jahre früher geprägte Vorbilder. Zumindest diese Münzen waren zur Zeit der Prägung der Restitutionen nicht mehr im Umlauf, sodass sich die Frage stellt, welche Vorlagen die Münzmeister hatten. Vorgeschlagen wurden Musterbücher, Originalstempel oder die alten Münzen selbst. Komnick plädiert für das Vorliegen der originalen Münzen, unter Berufung auf Sueton und Ovid, die beide von dem Brauch, sich anlässlich der Saturnalien alte Münzen zu schenken, berichten (142).

Bei der Untersuchung der Originaltreue der Restitutionsmünzen im Vergleich zu ihren Vorbildern kommt Komnick zu dem Ergebnis, dass die vielen kleinen und zum Teil größeren Abweichungen wohl als bewusste Veränderung des Prägeherrn zu beurteilen sind, denn "bloße Kopien alter Münztypen stellen die Restitutionsmünzserien sicherlich nicht dar" (145). Dies wird bei den von Traian restituierten Aurei besonders deutlich, da diese nur in sechs Fällen ihren Prototyp exakt wiederholen.

Im achten Kapitel wertet Komnick die in Münzfunden vorkommenden Restitutionsmünzen aus (145-157), danach folgt die "Historisch-politische Auswertung" der Serien (158-178). Darin diskutiert Komnick die Hauptthesen zur Erklärung und Deutung des Phänomens der Restitutionsmünzen. Dabei lehnt er die Interpretation der Prägungen als Ersatz für eingezogene Münzen ebenso ab wie ihre Bestimmung für numismatisch interessierte Kreise. Auch die Vermutung, mit den Münzen hätten die Kaiser an die jeweils auf den Münzen dargestellten Personen und Ereignisse erinnern wollen, hält er zu Recht für eher unwahrscheinlich und nicht schlüssig zu belegen. Komnick ist vielmehr der Auffassung, die Restitutionsmünzen seien von den Kaisern aus aktuellen propagandistischen Gründen geprägt worden, um damit ihre Herrschaft zu legitimieren und zu idealisieren. So stellt er fest, dass die Restitutionsmünzen des Titus ganz im Zeichen der Konsekration des Vespasian stehen und ihm als "Instrument für die historische Rechtfertigung der dynastischen Nachfolge" (168) dienten. Indem Titus Münzen mit Porträts der Mitglieder der ersten römischen Kaiserdynastie erneut prägte, stellte er sich in die Folge seiner Vorgänger und machte klar, nach welchen Normen er herrschen und seine Regierung betrachtet wissen wollte. Ebenso muss nach Komnick auch die viel kleinere Restitutionsserie des Domitian interpretiert werden, da dieser dieselben Typen wie sein Bruder prägte.

Die Emission des Nerva bringt Komnick mit dem Praetorianeraufstand und der Adoption Traians 97 nach Christus in Verbindung. Demzufolge sieht er in der Serie der Restitutionsmünzen den Versuch Nervas, seine unsichere Position zu stabilisieren und zu festigen, nicht zuletzt mit dem Verweis auf sein Bemühen um eine geregelte Nachfolge, wie dies schon Augustus mit der Adoption des Tiberius getan hatte (172-175).

Für die traianischen Restitutionsprägungen stellt Komnick fest, dass vor allem Bilder mit militärischem Inhalt ("Kampf, Unterwerfung, Sieg und Triumph", 177) für die erneute Prägung ausgewählt wurden. Er schließt daraus, dass Traian seine eigene Zeit mit der heroischen Vergangenheit Roms verbinden und sich selbst an das Ende einer von "virtus" geprägten Entwicklung von der Republik über die "guten" Kaiser Augustus, Tiberius, Claudius, Galba, Vespasian und Titus bis zu seinem Vorgänger und Adoptivvater Nerva stellen wollte. Komnick sieht, wie schon P.L. Strack, die Einweihung des Traiansforums als Anlass für die Emission, da dieses einen ähnlichen ideologischen Hintergrund habe. Komnicks Datierung der Serie ins Jahr 112 nach Christus ist wahrscheinlich, seine Überlegungen zur Restitutionslegende (138), deren grammatikalischen Aufbau er zur Datierung der Serie heranzieht, müssen jedoch abgelehnt werden. Komnick bezieht sich dabei auf den im Nominativ stehenden Kaisernamen und verbindet die Emission mit der regulären Münzprägung der Jahre 112-114 nach Christus, bei der die Legende in gleicher Form gebildet ist. Allerdings bedenkt er dabei nicht, dass in der Restitutionslegende durch die finite Verbform "restituit" der Kaisernamen zwingend im Nominativ stehen muss (Rezension Bernhard Woytek, Geldgeschichtliche Nachrichten 211, 2003).

Die Arbeit endet mit einer knappen Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchungen. Es folgen eine Konkordanz (181-190) und ein ausführlicher Anhang zu folgenden Teilaspekten: A: Aesmünzschatzfunde und gemischte Münzschatzfunde mit Aesanteil aus Pompei (191-192), B: Aesmünzschatzfunde und gemischte Münzschatzfunde mit Aesanteil, die zwischen 80 nach Christus und 138 nach Christus enden (193-195), C: Stempelkatalog und Stücknachweis (196-251), D: Übersicht über die Edelmetallprägung des Titus (252-256), E: Funde (257-290). Auf 28 Tafeln in sehr guter Qualität sind sämtliche Typen der Restitutionsmünzserien abgebildet und die Stempelidentitäten dokumentiert. Auf die Abbildung der Prototypen wurde bis auf zwei Ausnahmen verzichtet.

Mit dieser außerordentlich detaillierten und auf eine denkbar breite Materialbasis gestellten Bearbeitung der Restitutionsprägungen der Kaiser Titus, Domitian, Nerva und Traian liegt ein Werk vor, das von nun an die Grundlage für jede weitere Beschäftigung mit diesen so interessanten und ungewöhnlichen Sonderemissionen bilden muss.

Claudia Drosihn