Rezension über:

Marco Chiarini / Serena Padovani (a cura di): La Galleria Palatina e gli appartamenti reali di Palazzo Pitti. Vol. 1: Storia delle collezioni, Firenze: Centro Di 2003, 560 S., ISBN 978-88-7038-401-7, EUR 100,00
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Marco Chiarini / Serena Padovani (a cura di): La Galleria Palatina e gli appartamenti reali di Palazzo Pitti. Vol. 2: Catalogo dei dipinti, Firenze: Centro Di 2003, 870 S., 1300 ill., EUR 180,00

Rezension von:
Claudia Steinhardt-Hirsch
Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Eva-Bettina Krems
Empfohlene Zitierweise:
Claudia Steinhardt-Hirsch: La Galleria Palatina e gli appartamenti reali di Palazzo Pitti (Rezension), in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 11 [15.11.2004], URL: https://www.sehepunkte.de
/2004/11/7406.html


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La Galleria Palatina e gli appartamenti reali di Palazzo Pitti

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"Vor allen Profangebäuden der Erde, auch viel größeren, hat dieser Palast den höchsten bis jetzt erreichten Eindruck des Erhabenen voraus. [...] Man frägt sich, wer denn der weltverachtende Gewaltmensch sei, der mit solchen Mitteln versehen, allem bloß Hübschen und Gefälligen so aus dem Wege gehen mochte?" [1] Als Jacob Burckhardt 1855 diese Zeilen schrieb, war die Gemäldesammlung des Palazzo Pitti bereits seit etwa zwei Jahrzehnten der Öffentlichkeit zugänglich (I, 33). Der Schweizer Kunsthistoriker hat die Galerie auch besucht, sie jedoch nicht als Sammlung gewürdigt. Die Gründe für diese Nichtbeachtung mögen vielfältig sein, im Wesentlichen spiegeln sie aber eine Entwicklung, die seit dem 19. Jahrhundert zur Geschichte der Gemäldesammlung gehört. Die Galleria Palatina stand seither im Schatten der großen Schwester in den Uffizien, mit der sie durch den Corridoio Vasariano verbunden ist, an die sie aber auch bedeutende Werke, wie beispielsweise Parmigianinos 'Madonna dal collo lungo' abgeben musste (57).

Nun liegt ein wissenschaftlicher Bestandskatalog vor, der in der Kataloglandschaft der italienischen Museen, mit Ausnahme der Brera in Mailand und der Galleria Nazionale in Parma, eine weitgehend singuläre Stellung einnimmt. Besonders im Vergleich mit dem 1994 erschienenen Monumentalwerk von Mina Gregori zu den Gemälden in den Florentiner Sammlungen, das zwar mit vielen Farbabbildungen aufwartet, die wissenschaftliche Information jedoch vernachlässigt, muss das Projekt des Palazzo Pitti lobend hervorgehoben werden.

Der Katalog ist ein Erstlingswerk, das sich zum Ziel gesetzt hat, die wechselvolle Geschichte der Sammlung von ihren Anfängen unter Großherzog Cosimo I. bis zur Eröffnung 1834 nachzuzeichnen und den immensen Bestand an Gemälden in einem historisch-kritischen Katalog zusammenzufassen. Diese beiden Zielsetzungen bestimmen auch den äußeren Aufbau der zweibändigen Ausgabe: Der erste Band beleuchtet die Sammlertätigkeit der Großherzöge der Toskana und die Geschichte der Sammlung, der zweite Band enthält in alphabetischer Ordnung die Katalogeinträge zu 809 Gemälden.

Marco Chiarini rekonstruiert die wesentlichen Stationen der mediceischen Sammlung und hebt dabei zentrale Momente in der Ankaufspolitik heraus. Demnach kann der 1560-70 von Bartolomeo Ammanati für Großherzog Cosimo I. errichtete Statuenhof als Keimzelle des Museums gelten. In den Nischen des Hofes wurden nämlich vor dunklem Marmor antike Skulpturen aufgestellt. Darunter fungierte eine Version des Herkules Farnese als besonderer Blickfang und diente der politischen Selbstdarstellung des Großherzogs (I, 15). Der Enkel, Cosimo II., fasste wenige Monate vor seinem Tod 1621 den Plan, im Piano Nobile eine Gemäldegalerie einzurichten. Der Raum, in dem in nur vier Tagen Gemälde von Raffael, Leonardo, Tizian, Andrea del Sarto und anderen zusammengetragen wurden, ist der heutige Saal der Statuen. [2] Von hier aus wurde die Galerie sukzessiv erweitert.

Die Sammlertätigkeit der Medici erreichte ihren Höhepunkt in der Regierungszeit von Ferdinando II. (1610-1670) und dessen Ehefrau Vittoria della Rovere. Diese brachte als Mitgift eine Reihe von Hauptwerken aus der Familiensammlung des Palazzo Ducale in Urbino mit, darunter bedeutende Porträts von Raffael und Tizian. Ferdinando ließ die angrenzenden Räume zur Galleria delle Statue mit Fresken von Pietro da Cortona und Ciro Ferri ausmalen. Die beiden jüngeren Brüder, die Kardinäle Leopoldo (1617-1675) und Giovan Carlo (1611-1663), trugen durch den Ankauf zeitgenössischer Malerei zu dem reichhaltigen Bestand barocker Werke im Pitti bei. Eine besondere Vorliebe für die niederländische Barockmalerei zeigte der Nachfolger Ferdinandos II., Cosimo III. (1642-1723), dem der Pitti die größte Sammlung nordischer Künstler in Italien zu verdanken hat. Sein Sohn Ferdinando (1663-1713), Gran Principe der Toskana, erweiterte den Bestand durch den bedeutenden Kauf der großformatigen Altarbilder der Florentiner und oberitalienischen Manieristen (I, 15-31).

So beeindruckend sich die Folge der Ankäufe durch die Medici darstellte, so schwierig gestaltete sich die Einrichtung der Galerieräume, der Serena Padovani einen Aufsatz gewidmet hat (I, 33-64). Die Autorin macht darauf aufmerksam, dass die systematische Gestaltung der Räume erst zum Ende des 18. Jahrhunderts unter der Herrschaft der Habsburg-Lothringer im Zuge einer Neuordnung der Galleria delle Statue erfolgte. Eine detaillierte Beschreibung dieser ersten Hängung liefern die Schriften des Historikers Francesco Inghirami von 1819 (I, 41f.).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden eine durchgreifende Neuordnung der Sammlung vorgenommen und umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen ergriffen. Die neue Hängung spiegelt den veränderten Geschmack um 1930 wider. Hauptwerke der Renaissancemalerei, wie die 'Pala Pitti' Fra Bartolomeos, wurden gegen Werke barocker Maler aus den Uffizien getauscht. 1951-52 wurden Raffaels 'Leo X.', Dosso Dossis 'Hexerei oder Allegorie des Herkules' und Parmigianinos bereits erwähnte 'Madonna mit dem langen Hals' an die Uffizien abgetreten (I, 57). Die neuesten Veränderungen, die unter der Leitung von Marco Chiarini und Serena Padovani stattgefunden haben, dienen der Rekonstruktion der ersten Hängung vom Beginn des 19. Jahrhunderts. Die beiden Kuratoren verfolgten das Ziel, die Geschichte der Sammlung sichtbar zu machen. Sie orientierten sich dabei am Inventar von Inghirami (57ff.). Der Bestandskatalog kann als das Ergebnis dieser Bemühungen gewertet werden.

Nach den beiden Aufsätzen zur Geschichte der Sammlung folgt eine Vorstellung der einzelnen Malerschulen, die im Palazzo Pitti vertreten sind. Bearbeitet wurde dieser Textteil von Stefano Casciu und Fausta Navarro. Die beiden Autoren widmen jeweils 1-2 Seiten der Charakterisierung der Bestände, wobei ebenfalls sammlungsgeschichtliche Aspekte im Vordergrund stehen. Die knappen Ausführungen liefern einen guten Überblick über die Schwerpunke und Stärken der Galerie. Unverständlich bleibt jedoch, warum Fra Bartolomeo und Andrea del Sarto von dem Kapitel über die 'Pittura della maniera' getrennt wurden. Damit ist der Zusammenhang zu den Florentiner Manieristen, deren Vorläufer sie waren, unterbrochen.

Der zweite Band liefert schließlich die Katalogeinträge und bildet jedes besprochene Gemälde in Schwarzweiß ab. Die Einträge folgen mit den technischen Daten und Katalog- und Ausstellungsangaben dem klassischen Aufbau. Der Text zu den Bildern diskutiert im wesentlichen ihre Provenienz und Zuschreibung in der Forschungsliteratur. In wenigen Ausnahmen, wie dem 'Selbstbildnis mit dem Bruder Phillip, Justus Lipsius und Jan Woverius' von Rubens rückt auch die Ikonographie in den Blickpunkt. Insgesamt sind die Einträge knapp gehalten, geben aber eine gute Grundlage für die weitere Beschäftigung mit den Gemälden.

Allgemein lässt sich jedoch eine sorgfältigere Arbeit an den italienischen Gemälden beobachten. Bei den außeritalienischen Schulen fällt ein Mangel an Kenntnis der internationalen Forschung auf. Beispielweise ist bei dem Gemälde des deutschen Renaissancemalers Christoph Amberger der Name der Porträtierten, Ursula Degen, nicht richtig zitiert, sondern in Anlehnung an die altertümliche Schreibweise auf dem Gemälde als "Degnin" wiedergegeben (II, 38, Kat.-Nummer 39). Doch abgesehen von diesen kleinen Schwächen hält der Katalog wissenschaftlichen Ansprüchen durchaus Stand.


Anmerkungen:

[1] Jacob Burckhardt, Der Cicerone. Eine Anleitung zum Genuss der Kunstwerke Italiens, Basel, 1855, neu hrsg. von Bernd Roeck u. a., München / Basel 2004, 151.

[2] La Galleria Palatina. Storia della quadreria granducale di Palazzo Pitti, Ausstellungskatalog, hrsg. von Marilena Mosco, Florenz 1982, 31.

Claudia Steinhardt-Hirsch