sehepunkte 5 (2005), Nr. 5

Renate Schreiber: "ein galeria nach meinem humor" - Erzherzog Leopold Wilhelm

Publikationsort und ein wenig auch der Titel dieser für den Druck bearbeiteten Wiener Dissertation führen in die Irre - es handelt sich nicht in erster Linie um eine Abhandlung über einen der weniger bekannten österreichischen Erzherzöge als Kunstsammler. Vielmehr hat die Autorin mit ihrer für ein breiteres Publikum formulierten Abhandlung eine umfassende Biografie Leopold Wilhelms (1614-1662) vorgelegt, die chronologisch-inhaltlich seinen Lebensweg und seine wichtigsten Wirkungsbereiche darstellt.

Das Buch beginnt mit einem kurzen Kapitel über die Jugend des Erzherzogs, das seine Position innerhalb der Familie und seine Erziehung beschreibt. Bereits hier wird eine entscheidende Stärke des Textes sichtbar: Die gesamte Darstellung ist aus teilweise weit verstreuten Quellen gearbeitet und bezieht insbesondere umfangreiche Briefbestände in Wien, Linz, Stockholm und Český Krumlov ein. Diese bieten, wie etwa die Charakterisierung des Verhältnisses des Erzherzogs zu seinen Geschwistern zeigt, immer wieder die Möglichkeit, individuelle Sichtweisen Leopold Wilhelms zu erschließen und emotionale Aspekte wiederzugeben, was ein plastisches Bild der Person bewirkt.

Die folgenden Kapitel folgen grob einem zeitlichen Schema, sind jedoch im Wesentlichen den verschiedenen Wirkungsbereichen des Erzherzogs gewidmet. So steht im Mittelpunkt von Kapitel 2 sein - wenig nachdrückliches - Wirken als Bischof zahlreicher Bistümer des Alten Reiches sowie als Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens. Ganz deutlich wird hier, dass Leopold Wilhelm, der schon im Alter von fünf Jahren die Tonsur, aber nie die geistlichen Weihen empfing (24), seine kirchlichen Ämter stets nur als geistliche Sekundogenitur auffasste, als die sein Vater Ferdinand II. sie auch angelegt hatte, um die Primogenitur im Hause Habsburg auf diese Weise endgültig zu sichern. Der Verzicht auf Herrschaftsrechte des Hauses Österreich ebenso wie auf familiäre Privatheit fiel dem nachgeborenen Erzherzog offensichtlich nicht leicht, wie die Autorin etwa in Kapitel 3 ausführt, aber seine ungeteilte Loyalität galt dem Bruder Ferdinand III. und nach dessen Tod dem Neffen Leopold I., den Leopold Wilhelm in seinen letzten Lebensjahren auf das Tatkräftigste unterstützte (Kapitel 9).

Bei der Darstellung der beiden politisch bedeutenden Wirkungsfelder als Befehlshaber der kaiserlichen Armee 1639 bis 1642 und 1645/46 beziehungsweise als Statthalter der spanischen Niederlande von 1647 bis 1656 musste die Autorin einen Balanceakt zwischen biografischer Darstellung und historischer Einbindung der Aktivitäten absolvieren, der ihr im Wesentlichen gelungen ist. Als militärischer Befehlshaber wie als Statthalter hatte Leopold Wilhelm mit zahlreichen Widrigkeiten zu kämpfen, die von Konstellationen europäischer Politik über Finanzprobleme bis zur Entscheidungsschwäche des spanischen Königs reichten. An verschiedenen Stellen gelingt es der Verfasserin, sowohl die Grenzen deutlich zu machen, die äußere Faktoren dem politischen Handeln des Erzherzogs setzten, wie die Fehler beziehungsweise Defizite seiner eigenen Dispositionen.

Drei Kapitel (6 bis 8) befassen sich im Wesentlichen mit den umfassenden Aktivitäten Leopold Wilhelms im kulturellen Bereich: Nachdem früher schon seine alchemistischen Interessen gestreift worden sind, behandelt Schreiber nun recht detailliert seine Aktivitäten als Mäzen und Sammler, die ihm einen Platz in der europäischen Kunstgeschichte sicherten. Spätestens mit seiner Ankunft in Brüssel wurde Leopold Wilhelm zu einem der großen Sammler insbesondere von Gemälden und Tapisserien; seine Sammlung bildet bis heute einen Grundstock der Bestände des Kunsthistorischen Museums Wien. Er trat jedoch auch als Dichter in Erscheinung - eine umfangreiche Sammlung seiner italienischen Gedichte wurde 1656 veröffentlicht -, er interessierte sich für Musik und Theater und gab wichtige Impulse zur Rezeption der italienischen Oper in den spanischen Niederlanden. Der langjährige Austausch mit seinem Bruder Ferdinand III., der unter anderem mehrere Gedichte Leopold Wilhelms vertonte, spielte in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle.

Mit dieser Studie liegt erstmals für einen der nachgeborenen österreichischen Erzherzöge eine moderne, umfassende biografische Darstellung vor. Der Text ist lebendig geschrieben und sollte - nicht zuletzt durch den gelungenen Einsatz von Zitaten - tatsächlich in der Lage sein, einem größeren, historisch oder kunsthistorisch interessierten Publikum die Person Leopold Wilhelms vorzustellen. Insbesondere die das Buch abschließende Zusammenfassung gibt eine prägnante, in sich schlüssige Charakteristik der Person, in der man die jahrelange, intensive Beschäftigung der Autorin mit der Biografie Leopold Wilhelms spürt. Hier wird zahlreichen älteren (Vor-)Urteilen in Bezug auf die Person ein Ende gesetzt, hier wird abwägend auf individuelle Eigenschaften wie Fehler eingegangen. Die Bedeutung von Personen wie Johann Adolf von Schwarzenberg als engstem Vertrauten wird ebenso gewürdigt wie die jahrzehntelange Beziehung der Brüder Leopold Wilhelm und Ferdinand III., die insgesamt eine der zentralen Linien der Darstellung abgibt. Der prächtig illustrierte Band sollte nicht nur Leopold Wilhelm als trotz finanzieller Dauerprobleme erfolgreichen Sammler ins öffentliche Bewusstsein zurückholen, sondern auch die weitere Beschäftigung mit seinem politischen Wirken anregen.

Rezension über:

Renate Schreiber: "ein galeria nach meinem humor" - Erzherzog Leopold Wilhelm (= Schriftenreihe des Kunsthistorischen Museums; Bd. 8), Wien: Kunsthistorisches Museum Wien 2004, 198 S., ISBN 978-3-85497-085-9, EUR 49,90

Rezension von:
Katrin Keller
Institut für Geschichte, Universität Wien
Empfohlene Zitierweise:
Katrin Keller: Rezension von: Renate Schreiber: "ein galeria nach meinem humor" - Erzherzog Leopold Wilhelm, Wien: Kunsthistorisches Museum Wien 2004, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 5 [15.05.2005], URL: https://www.sehepunkte.de/2005/05/7712.html


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