Rezension über:

Maurice Sartre: The Middle East under Rome. Translated by Catherine Porter and Elizabeth Rawlings with Jeannine Routier-Pucci, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2005, XV + 665 S., ISBN 978-0-674-01683-5, GBP 25,95
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Rezension von:
Julia Hoffmann-Salz
Seminar für Alte Geschichte mit Papyrusabteilung, Universität Bonn
Redaktionelle Betreuung:
Mischa Meier
Empfohlene Zitierweise:
Julia Hoffmann-Salz: Rezension von: Maurice Sartre: The Middle East under Rome. Translated by Catherine Porter and Elizabeth Rawlings with Jeannine Routier-Pucci, Cambridge, MA / London: Harvard University Press 2005, in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 7/8 [15.07.2005], URL: https://www.sehepunkte.de
/2005/07/7624.html


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Maurice Sartre: The Middle East under Rome

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Vorliegendes Werk ist die englische Übersetzung der monumentalen Geschichte des antiken Nahen Ostens von seinem ausgewiesenen Kenner Maurice Sartre. Das französische Original war zuletzt in einer Neuauflage 2003 unter dem Titel "D'Alexandre à Zenobie. Histoire de la Levante antique, IVe siècle av. J.-C. - IIIe siècle apr. J.-C." [1] erschienen. Wie der Autor selbst im Vorwort erklärt, handelt es sich bei der englischen Fassung jedoch um eine gekürzte Ausgabe, die sich - wie der Titel bereits verrät - auf die römische Geschichte der Region konzentriert.

Den Grund für diese Beschränkung erklärt Maurice Sartre im Vorwort mit dem für einen Übersetzer fast unüberwindlichen Umfang des französischen Originals. Anstatt also das gesamte Werk einzukürzen, sei er lieber dem Rat Glen Bowersocks gefolgt und habe sich im chronologischen Rahmen, nicht aber im Inhalt dieses Teils beschränkt (XI). Die manchmal etwas holprige Übersetzung stimmt dabei im Text fast ohne Änderungen mit dem französischen Original überein. Das Werk stellt sich mit der Beschränkung auf Rom aber auch in die Tradition der dem angloamerikanischen Publikum vermutlich besser bekannten Geschichte des römischen Nahen Ostens von Fergus Millar sowie der neueren Arbeit von Warwick Ball. [2]

Wie bereits in seinen früheren Werken bemüht sich Sartre in "The Middle East under Rome" um eine Darstellung, die sich nicht nur historischer Geschehnisse, sondern auch und gerade struktureller und kulturhistorischer Fragen annimmt. Schon in seiner Geschichte des römischen Orients [3] hatte Sartre der Betrachtung der einzelnen östlichen Provinzen grundsätzliche Kapitel zur Ausdehnung des Reiches, Administration und Finanzverwaltung im Osten sowie der Städte als Wirkungsraum der Eliten vorangestellt. Bei den Provinzen selbst legte er besonderen Wert auf kulturgeschichtliche Fragen: Bevölkerungsstruktur, Lebenssituation auf dem Land mit Fragen nach Besitz, Arbeits- und Gemeinschaftsorganisation. Aber auch dem Lebensumfeld der Stadt und ihrer spezifischen Sozial- und Wirtschaftswelt ist ein Kapitel gewidmet. Ein ähnlicher Ansatz findet sich auch in Sartres Werk zu Kleinasien und Anatolien von Alexander bis Diokletian. [4]

Das bewährte Rezept wird auch für die vorliegende Arbeit aufgegriffen: Die ersten fünf Kapitel führen chronologisch in die politischen Geschehnisse ein. Sie beschreiben dabei sowohl die neue römische Ordnung als auch kurz ihre hellenistischen Vorgänger. In den folgenden fünf Kapiteln behandelt der Autor struktur- und kulturgeschichtliche Themen. Diese reichen von der Entwicklung der Städte und des Hinterlandes in der frühen Kaiserzeit über die städtische Wirtschaft unter römischer Herrschaft bis zu den verschiedenen Kulturen der Region und ihrer religiösen Vorstellungen. Das letzte Kapitel - "A Time of trials" - beschreibt die Entwicklungen des 3. Jahrhunderts n. Chr. Hier stehen die zunehmenden Auseinandersetzungen an der Ostgrenze ebenso wie die Ausbreitung des palmyrenischen Reiches und seine Rückeroberung durch Rom im Vordergrund.

Es ist dabei genau dieser strukturgeschichtliche Ansatz, der die große Stärke der vorliegenden Arbeit ausmacht. Dies wird vor allem deutlich im siebten Kapitel zu "Rural Life in the Early Empire" (206-239). Hier kann der Autor aufgrund seiner in zahlreichen Publikationen ausgewiesenen exzellenten Kenntnis des syrischen Hinterlandes eine zusammenhängende Darstellung des 'Landlebens' leisten, die eine beeindruckende Fülle von Quellen zusammenträgt. Es gelingt ihm dadurch zu verdeutlichen, dass dieser von großen historischen Darstellungen oft zu Unrecht vernachlässigte kulturhistorische Aspekt seinen rechtmäßigen Platz als Teil der gesamtgeschichtlichen Entwicklung besitzt.

Gerade hier ist es schade, dass die englische Ausgabe erst mit der römischen Eroberung einsetzt und so die Möglichkeit zum Vergleich mit der vorherigen Epoche dem Leser nicht direkt offen steht. Besonders für den kulturhistorischen Ansatz hatte dabei die französische Ausgabe vor allem auch durch das häufige Abdrucken der vollständigen relevanten Quellentexte Wichtiges geleistet. Dabei ist es überraschend, dass das der französischen Ausgabe vorangestellte Kapitel zur Einführung in die Quellen in der englischen Ausgabe fehlt.

Optisch kann die englische Ausgabe durch besseres Papier, einen wesentlich lebensfähigeren Einband und ein viel liebevolleres Layout überzeugen. Die letzte französische Ausgabe war klar als Studienedition konzipiert und schon aufgrund des wesentlich größeren chronologischen Umfanges auf dünnerem Papier gedruckt worden. Trotz dieser praktischen Mängel muss aber nicht nur wegen des weiteren zeitlichen Rahmens der französischen Edition der Vorzug gegeben werden: Denn hier finden sich, wie erwähnt, die für das Verständnis zentralen meist epigrafischen Quellen in französischer Übersetzung an den entsprechenden Textstellen abgedruckt. Es ist unverständlich, warum auf dieses nützliche und vor allem für ein angehendes akademisches Publikum wertvolle Hilfsmittel verzichtet wurde. Will man dem angloamerikanischen Leser das direkte Studium von Quellen nicht zumuten? Gleiches gilt offenbar auch für die Archäologie - so werden beispielsweise die im französischen Teilkapitel zur Wirtschaft abgedruckten Umzeichnungen syrischer Amphoren in der englischen Version durch eine hübsche Fotografie nabatäischer Keramik ersetzt.

Beide Ausgaben besitzen neben einem beeindruckenden Literatur- und Quellenverzeichnis einen nützlichen Index, in dem Orte, Personen aber auch Kernstichworte wie 'Kunst' oder 'Stadt' nachgeschlagen werden können. Die englische Ausgabe enthält darüber hinaus eine Überblickskarte, in der alle im Text genannten Orte eingetragen sein sollen. Ob man nun wie im Französischen die Anmerkungen direkt auf der gleichen Seite oder aber wie im Englischen gesammelt am Ende des Bandes finden möchte, ist wohl Geschmackssache.

Festzuhalten bleibt aber, dass auch die englische Edition das große Verdienst um eine ganzheitliche historische Darstellung durch Maurice Sartre verdeutlicht. Es ist dieser Ansatz, der seine Geschichte(n) des Ostens der antiken Welt zu einem absoluten Muss für die Beschäftigung mit den dortigen Regionen werden lässt.


Anmerkungen:

[1] Maurice Sartre: D'Alexandre à Zenobie. Histoire du Levant antique, IVe siècle av. J.-C. - IIIe siècle ap. J.-C., Paris 2001.

[2] Fergus Millar: The Roman Near East 31 BC - AD 337, Cambridge (Mass.) / London 1993; Warwick Ball: Rome in the East. The Transformation of an Empire, London / New York 2001.

[3] Maurice Sartre: L'Orient romain. Provinces et sociétés provinciales en Méditerranée orientale d'Auguste aux Sévères (31 avant J-C - 235 après J-C), Paris 1991.

[4] Maurice Sartre: L'Asie Mineure et l'Anatolie d'Alexandre à Dioclétien. IV siècle av. J.-C. / III siècle ap. J.-C., Paris 1995.

Julia Hoffmann-Salz