sehepunkte 7 (2007), Nr. 10

Monika Rox-Helmer: Jugendbücher im Geschichtsunterricht

Geschichtsunterricht hat heute ein Vermittlungsproblem. Schüler klagen oftmals über die mangelnde Anschaulichkeit der behandelten Themen. Gleichzeitig zeigen sie jedoch außerhalb des Unterrichts großes Interesse an historischen Phänomenen: Ihr Geschichtsbewusstsein wird nicht nur geprägt durch Filme oder Fernsehdokumentationen, sondern auch durch historische Romane. Für lange Zeit hatte das anschauliche Erzählen von Geschichte im Unterricht eine selbstverständliche Rolle gespielt, stand im Mittelpunkt des Faches doch vor allem das Wirken "großer Männer". Mit dem Einzug der Sozialgeschichte und ihrem Interesse für gesellschaftliche Strukturen in den 1970er Jahren geriet das Erzählen in Verruf. Inzwischen herrscht jedoch die Meinung vor, das Fach habe sich dadurch eines wichtigen Mittels beraubt.

In diesen Zusammenhang ist Monika Rox-Helmers Arbeit "Jugendbücher im Geschichtsunterricht" einzuordnen, mit der sie der Narration einen neuen Stellenwert beimessen möchte. Das Buch ist in der Reihe "Methoden Historischen Lernens" im Wochenschau Verlag erschienen und gliedert sich dem Konzept der Reihe gemäß in einen Teil, der sich der theoretischen Verortung verpflichtet sieht, und einen zweiten Teil, in dem Beispiele aus der und für die Praxis vorgestellt werden. Die Autorin sieht in der Narration eine Reihe von Vorteilen: von ihrem motivierenden Charakter über die Möglichkeit Überlieferungslücken zu schließen, die Chance den gesellschaftlichen 'Blick von unten' einzunehmen bis hin zu der Begegnung mit einem kulturell und historisch Anderen.

In den ersten Kapiteln setzt sich die Autorin mit den theoretischen Grundlagen des Einsatzes von historischen Jugendbüchern im Geschichtsunterricht auseinander. Dabei definiert sie zunächst den Begriff "historisches Jugendbuch", erörtert kurz die Frage, inwiefern Fiktives seinen Platz im Geschichtsunterricht haben darf und schließt diesen Teil mit einem Überblick zur Geschichte des Jugendbuches ab. Im Anschluss daran setzt sich Rox-Helmer mit dem didaktischen Gewinn historischer Jugendbücher für den Geschichtsunterricht auseinander, den sie anhand von sieben Stichworten erläutert: "Geschichtsbewusstein", "Imagination", "Alltagsgeschichte", "Multiperspektivität", "Personifizierung", "Schulformdifferenzierung" und "Schülerinteressen". Des Weiteren betont sie den Nutzen ihres Ansatzes zur Förderung der Lesekompetenz, die seit PISA verstärkt angemahnt wird.

Daran anknüpfend listet die Autorin Auswahl- und Analysekriterien für historische Jugendbücher auf: "literarische Qualität", "Brücke zur Freizeitlektüre", "Klassiker", "Vorwissen", "fachliche Qualität", "Multiperspektivität", "Personifizierung von Geschichte", "Lesegenuss". Schließlich gibt sie in einem Praxisteil, der fast zwei Drittel des Bandes umfasst, zahlreiche konkrete Beispiele. Diese reichen von vielseitigen Vorschlägen zur Arbeit mit Romanausschnitten, über das "Tagebuch zum Buch" hin zu einem "historisch-literarischen Spaziergang". Diese Kapitel sind jeweils in ein methodisches Konzept sowie dessen Anwendung gegliedert.

In diesem Praxisteil liegt der große Wert der Arbeit. Rox-Helmer gelingt es, dem Leser vielfältige Möglichkeiten anzubieten, Jugendbücher im Unterricht gewinnbringend einzusetzen: Zu verschiedenen Abschnitten der Geschichte, von der römischen Antike ("Der Geheimbund der Skorpione. Ein Ratekrimi aus dem alten Rom" von Renée Holler) bis zur deutsch-deutschen Geschichte ("Krokodil im Nacken" von Klaus Kordon), gibt sie altersstufengerechte Anregungen.

Jedoch wirft das Buch auch Fragen auf: Selbst wenn historischen Jugendbüchern "klare didaktische Konzeptionen" zu Grunde liegen, "die sich auch in operationalisierbare Lernziele auflösen lassen" (19), so transportieren sie dennoch immer auch subjektive Geschichtsbilder des jeweiligen Autors. Diese müssen im Unterricht problematisiert werden, damit sie nicht unreflektiert übernommen werden. Was selbstverständlich für den Umgang mit historischen Quellen ist, muss auch auf die fiktiven historischen Jugendbücher angewendet werden, umso mehr, als diese immer auch auf Einfühlung und Identifikation setzen. Diesem Sachverhalt trägt das Buch, in dem die Kritikpunkte an einer unterrichtlichen Verwendung fiktionaler Texte auf nur zwei Seiten (16 f.) abgehandelt werden, zu wenig Rechnung. Immerhin berücksichtigt Rox-Helmer diese Problematik aber bei ihrer Thematisierung von Else Urys "Nesthäkchens erstes Schuljahr", das sie als Quelle für die gesellschaftlichen Verhältnisse und Wertvorstellungen des deutschen Bürgertums im Kaiserreich verwenden möchte. Eine solche Textkritik ist auch deswegen wichtig, damit Schüler die in ihrer Freizeit gelesenen Romane ebenfalls nicht unkritisch als historische Wirklichkeit übernehmen.

Dennoch ist das Buch wegen seiner vielfältigen Anregungen für die Praxis sehr zu empfehlen. Sicherlich ist es schwierig, in einem nur zweistündig unterrichteten Fach wie Geschichte einen gesamten Roman zu behandeln. Diesem Problem kann jedoch durch einen fächerverbindenden Unterricht Abhilfe geschaffen werden. Hier gibt es im Hinblick auf den Abgleich der Curricula vor allem mit dem Fach Deutsch noch so manchen Spielraum.

Rezension über:

Monika Rox-Helmer: Jugendbücher im Geschichtsunterricht (= Methoden Historischen Lernens), Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, 224 S., ISBN 978-3-89974-224-4, EUR 14,30

Rezension von:
Barbara Schöning
Köln
Empfohlene Zitierweise:
Barbara Schöning: Rezension von: Monika Rox-Helmer: Jugendbücher im Geschichtsunterricht, Schwalbach: Wochenschau-Verlag 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 10 [15.10.2007], URL: https://www.sehepunkte.de/2007/10/12679.html


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