Rezension über:

Helmut Neumaier (Bearb.): Ritteradlige Herrschaftsbildung im Schüpfergrund. Das Briefbuch des Albrecht von Rosenberg (1572) (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe III: Fränkische Urkundenbücher und Regestenwerke; Bd. 10), Würzburg: Gesellschaft für fränkische Geschichte 2006, 159 S., ISBN 978-3-86652-310-4, EUR 24,80
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Rezension von:
Wolfgang Bockhorst
LWL - Archivamt für Westfalen, Münster
Redaktionelle Betreuung:
Michael Kaiser
Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Bockhorst: Rezension von: Helmut Neumaier (Bearb.): Ritteradlige Herrschaftsbildung im Schüpfergrund. Das Briefbuch des Albrecht von Rosenberg (1572), Würzburg: Gesellschaft für fränkische Geschichte 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 12 [15.12.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/12/12801.html


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Helmut Neumaier (Bearb.): Ritteradlige Herrschaftsbildung im Schüpfergrund

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Unter den Archivalien im Hohenlohe-Zentralarchiv Schloss Neuenstein befindet sich ein Kopiar oder Briefbuch des Ritters Albrecht von Rosenberg († 1572), in dem dieser ihm wichtig erscheinende Urkunden abschreiben ließ, um ihren Text bequem zur Hand zu haben. Das Stück ist nicht nur aus formalen Gründen interessant, da derartige Quellen aus der Sphäre des niederen Adels eher selten sind. Es ist auch inhaltlich von Bedeutung, da keine der abgeschriebenen Urkunden im Original erhalten ist und die Person des Nutzers als eines bedeutenden Angehörigen der fränkischen Reichsritterschaft das Interesse auf sich zieht.

Der um 1520 geborene Albrecht entstammte einer Familie, die im 14. Jahrhundert in den Besitz der Herrschaft Boxberg gelangt war, diesen Besitz aber 1523 in einer Fehde mit dem Schwäbischen Bund verloren hatte, der Boxberg wiederum an Kurpfalz verkaufte. Die Rosenberger trachteten danach, diese Herrschaft zurückzubekommen, was Albrecht dann 1546/47 auch gelang, als er im Schmalkaldischen Krieg auf Seiten Karls V. agierte. Doch 1561 verkaufte er Boxberg endgültig an Kurpfalz und verwandte seine Energie nun ganz darauf, ein Herrschaftsterritorium im Schüpfergrund aufzubauen, wo seine Familie schon über Rechte verfügte. Albrechts Aktivitäten wurden 1566 jäh unterbrochen, als er auf dem Augsburger Reichstag festgenommen wurde. Er starb 1572 als Häftling in Wien, ohne Nachkommen zu hinterlassen.

Neben der Besonderheit des Stücks und der Person des Autors liegt ein weiterer und wichtigerer Grund zur Veröffentlichung dieser Quelle im Inhalt, denn dieser dokumentiert, in der Form von Regesten geordnet, das Bestreben des Albrecht von Rosenberg, im Schüpfergrund nordwestlich von Bad Mergentheim eine geschlossene Herrschaft aufzubauen. Die weitaus meisten Urkunden zeigen, wie die Bildung dieser Herrschaft vor sich ging, die zwar nur kurze Zeit blühte und mit dem kinderlosen Tod ihres Schöpfers als Ganerbschaft nur bedingt entwicklungsfähig war, in der von Albrecht aber alle Bereiche des Lebens genauestens und streng patriarchalisch geregelt waren.

Zeigen die älteren Urkunden vor 1540 den früheren Besitzstand der Familie von Rosenberg, so dokumentieren die jüngeren die Sammlung der Besitz- und Herrschaftsrechte durch Albrecht von Rosenberg durch Kauf, Tausch und Lehnsempfang, die Bindung der Untertanen an den neuen Herrn, u.a. durch Verpachtung von Ländereien gegen Erbzins, und den Beginn einer musterhaft organisierten Staatlichkeit.

Die Regesten sind in der Reihenfolge gelassen worden, in der sie im Briefbuch stehen, und nicht chronologisch geordnet. Zur Begründung wird angeführt, dass die Reihenfolge der Urkundenabschriften die Ordnung des Archivs widerspiegelt. Da nicht einmal die gesondert abgedruckten alten Kopfregesten (11-20) chronologisch geordnet sind, ergibt sich nur schwer eine Möglichkeit, das Handeln Albrechts von Rosenberg zeitlich nachzuvollziehen. Hier wäre eine Konkordanz angebracht gewesen, bei deren Erstellung aufgefallen wäre, dass ab Nr. 80 Verzeichnis und Regesten nicht mehr übereinstimmen und die Nr. 62 schwerlich in das Jahr 1527 zu datieren ist, denn in diesem Jahr war Albrecht noch nicht lehnsfähig.

Über die Abfassungszeit der Quelle wird so gut wie nichts gesagt. Hier ist wichtig, dass das Kopiar aus zwei Teilen besteht. Im ersten Teil bis Nr. 95 sind die Urkunden bis 1563 abgeschrieben, in einem zweiten, deutlich abgesetzten Teil ältere Urkunden und auch das jüngste Stück von 1565. Innerhalb des ersten Teils steht die wichtige Urkunde vom 28. Juni 1563 (Nr. 22), in der die zur Herrschaft gehörigen Dorfschaften sich mit Albrecht von Rosenberg vertraglich wegen der Abgaben verbinden und ihn als Obrigkeit anerkennen. Da die vorletzte Urkunde des ersten Teils, eine Hohenlohische Belehnung vom 24. November 1563 (Nr. 94), nicht bei den übrigen Hohenlohischen Lehnsurkunden (Nr. 86 und 87) steht und damit als Nachtrag aufzufassen ist, ist davon auszugehen, dass der erste Teil des Kopiars im Spätsommer 1563 kurz nach der Urkunde Nr. 22 niedergeschrieben wurde. Daraus ist wiederum zu folgern, dass in der Durchdringung der Herrschaft offenbar zu dem Zeitpunkt ein erster Abschluss erreicht worden ist, der mit der Abfassung des Kopiars dokumentiert wurde.

Die Urkunden stammen aus den Jahren 1385 bis 1565 und sind ausführlich nach den Richtlinien des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine regestiert worden. Der Fachmann wird mit diesen Regesten klar kommen, ein wenig erfahrener Heimatforscher dürfte aber ins Stolpern geraten, wenn er auf Begriffe wie Anstößer, Simre oder Fraisch trifft, die erläuterungsbedürftig sind. Auch die vielfachen Zitate aus den Urkunden, die häufig überflüssig sind und oftmals problemlos ins heutige Deutsch hätten übertragen werden können, erschweren unnötig das Verständnis der Texte.

Im Anhang sind vier wichtige Urkunden aus dem Schüpfer Gerichtsbuch im Volltext abgedruckt, die in der Tat für die Organisation der Herrschaft von grundlegender Bedeutung sind. Es handelt sich um die Gerichtsordnung von 1561, die Marktordnung von 1562/63, die Polizeiordnung von 1562 und die Schulordnung von 1564. Ob auch eine Kirchenordnung des reformatorisch gesinnten Albrecht geplant war, entzieht sich unserer Kenntnis. Immerhin bestimmt die Schulordnung, dass Luthers kleiner Katechismus gelehrt werden soll.

Trotz mancher Kritikpunkte verdient die Publikation das ungeteilte Interesse der landesgeschichtlichen Forschung, weil sie ein Musterbeispiel für die Bildung eines kleinen ritterschaftlichen Territoriums im deutschen Südwesten darstellt und uns geradezu einen Blick über die Schulter des Albrecht von Rosenberg in seinem Bemühen um den Aufbau einer Herrschaft im Schüpfergrund werfen lässt. Dem Bearbeiter ist voll zuzustimmen, wenn er \"das geradezu faszinierende Bild einer ritteradligen Territorialbildung\" (10) hervorhebt, die zudem innerhalb eines Zeitraums von nicht einmal 20 Jahren von einem einzelnen Adligen gestaltet wurde.

Wolfgang Bockhorst