Geschenktipps zu Weihnachten

Joachim Eibach, Bern


Kaspar von Greyerz: Passagen und Stationen. Lebensstufen zwischen Mittelalter und Moderne, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010.

Die Veränderungen im Lebenslauf zwischen Geburt und Tod haben schon seit dem Spätmittelalter immer wieder Menschen bewogen, das selbst Erfahrene in Autobiographien, Tagebüchern oder Familienchroniken zu Papier zu bringen. Kaspar von Greyerz hat solche Selbstzeugnisse in jahrzehntelanger Arbeit gesammelt und so ein faszinierendes Textkorpus zusammengestellt. Das Buch ist ein Schatzkasten aus Quellenzitaten und Reflexionen, die einmal mehr die Andersartigkeit der Vormoderne zum Vorschein bringen. Auf den Punkt gebracht, wird der Lebenslauf als ein solcher für Zeitgenossen der Vormoderne erst durch vielfältige 'rites de passage' erkennbar. Nicht nur für FamilienhistorikerInnen bietet dieses Buch eine ausserordentlich reichhaltige Lektüre.

Maja Haderlap: Engel des Vergessens. Roman, Göttingen: Wallstein Verlag 2011.

Ein Roman als Empfehlung in einem Rezensionsjournal für die Geschichtswissenschaften? Unbedingt! Maja Haderlap (geb. 1961) erzählt die Geschichte eines abgelegenen slowenischen Tals in den Kärntner Karawanken aus der Perspektive eines Kindes. Sie selbst ist dieses erinnerte Kind. Der Text ist - wie von Seiten der Literaturkritik angemerkt wurde - in mancher Hinsicht eher Autobiographie, wenn nicht gar ein 'historisches Sachbuch', als ein Roman. Als Historiker lernt und erfährt man bei der Lektüre sehr viel: wie der NS-Terror auch das hinterste Bergtal der Alpen heimsuchte und dessen aus Gefängnissen, KZs und Waldhöhlen zurückgekehrte Bewohner noch Jahrzehnte später traumatisierte; wie Widerstand gegen diesen Terror in der Nachkriegszeit an den Rand gedrängt und delegitimiert wurde; dazu noch wie Familie und Nachbarschaft auf Bergbauernhöfen in den Sechziger und Siebziger Jahren lebensweltlich funktionierten. Nebenbei: auch ein wunderbarer Roman.

Heinrich Ignaz Franz Biber: Mysterien Sonaten. Alice Piérot und die Les Veilleurs de Nuit, Audio-CD 2003

Die gegen Ende des 17. Jahrhunderts von dem Jesuitenschüler und Geiger Heinrich Ignaz Franz Biber komponierten Sonaten über die Mysterien des Rosenkranzes entstammen dem Kontext der Salzburger Gegenreformation. Biber überreichte das Werk seinem Dienstherren, dem Erzbischof Maximilian Gandolph von Kuenburg. Dieser war für Hexenverfolgungen und die Vertreibung der Protestanten aus Salzburg mitverantwortlich. Der Zyklus aus 16 Sonaten erfordert von Violinisten enorme Virtuosität. Alice Piérot hat diese Virtuosität in höchstem Masse. Für heutige Zuhörer bieten Bibers Mysterien Sonaten primär ein erstaunliches, spektakuläres Musikerlebnis aus der Zeit vor Bach und Händel. Dieses Erlebnis wirft indes Fragen nach dem Verhältnis zwischen Musik als historische Quelle und Musik als ästhetische Erfahrung der Nachgeborenen auf. Können wir Musik heute vielleicht zwar so spielen, aber eben nicht so hören wie Zeitgenossen in der Epoche der Gegenreformation oder worin liegt der Grund für das Charisma eines Klangs, der vielleicht einmal ganz anders gemeint war?