Rezension über:

Gloria Groom (ed.): Impressionism, Fashion and Modernity, New Haven / London: Yale University Press 2012, 336 S., ISBN 978-0-300-18451-8, GBP 45,00
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Rezension von:
Michaela Braesel
Institut für Kunstgeschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Ekaterini Kepetzis
Empfohlene Zitierweise:
Michaela Braesel: Rezension von: Gloria Groom (ed.): Impressionism, Fashion and Modernity, New Haven / London: Yale University Press 2012, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 6 [15.06.2013], URL: https://www.sehepunkte.de
/2013/06/22448.html


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Gloria Groom (ed.): Impressionism, Fashion and Modernity

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Die Ausstellung verbindet zwei publikumswirksame Themen miteinander: Impressionismus und Mode aus der Zeit von ca. 1865 bis 1885 und scheint damit ein doppelter Garant für großes Interesse von Seiten der Öffentlichkeit. In der Forschung ist diese Verbindung nicht neu, da sie - wie auch in den Aufsätzen des von Gloria Groom edierten Kataloges deutlich wird - auf Charles Baudelaires Aufsatz "Le Peintre de la vie moderne" von 1863 zurückgeht, in dem der Dichter das Interesse an der Mode als ein Kriterium für die moderne Kunst und ihren Gegenwartsbezug definierte. Entsprechend erläutert und begründet Groom in ihrer Einleitung das Thema der Ausstellung unter Bezug auf Baudelaire. Sie verweist auf seine Charakterisierung der Mode als Sinnbild der Moderne mit ihrer Flüchtigkeit und ihrer eigentlichen Bindung an das Leben in der Stadt. Diese Aspekte stellen die Verbindung zu den Impressionisten dar, die das zeitgenössische Leben in der Großstadt in seinen vielfältigen Aspekten einfangen wollten und gerade bestrebt waren, durch ihre Art der Themenauffassung und Malweise das Element des Ephemeren, Momentanen umzusetzen. Impressionismus und Mode sind somit durch das ihnen gemeinsame, zugrundeliegende Kriterium des Modernen verknüpft.

Der Ansatz des Kataloges ist ein interdisziplinärer - so werden neben kunst- und kostümhistorischen auch soziale und kulturelle Betrachtungsweisen herangezogen. Im Mittelpunkt steht dabei stets die Rolle der Mode in der impressionistischen Malerei, die Beziehung zwischen den beiden. Bereits 1995 hatte sich Marie Simon in "Mode et Peinture. Le Second Empire et l'impressionisme" mit diesem Thema beschäftigt und die Mode in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter sozialen, künstlerischen und ästhetischen Aspekten betrachtet. Der Impressionismus ist bei ihr jedoch ein Thema unter anderen, und die Darlegung der modischen Vielfalt steht stets im Vordergrund gegenüber der Malerei, die hier über weite Strecken als Dokument für die zeitgenössische Auffassung von Mode fungiert. Der von Dorothee Hansen und Wulf Herzogenrath edierte Ausstellungskatalog der Kunsthalle Bremen "Monet und Camille. Frauenporträts im Impressionismus" von 2005 wiederum weist in Partien einen ähnlichen Ansatz wie der Katalog von 2012 auf, doch ist hier der Fokus stärker auf das Porträt und die Malerei ausgerichtet. Die Mode bleibt weitgehend auf ihr Erscheinen im Gemälde beschränkt. Es handelt sich weniger um eine direkte Gegenüberstellung von Gemälde und historischem Gewand wie in dem Chicagoer Katalog. Debra N. Mancoffs ebenfalls 2012 erschienenes "Fashion in Impressionist Paris" ordnet die Werke nach Motiven und entsprechender Garderobe. Ihre einführenden Darlegungen werden von katalogartigen Bildkommentaren ergänzt, bei denen die Kleidung im Vordergrund steht.

Gloria Grooms Katalog ist ähnlich aufgebaut, doch mit ausführlichen Aufsätzen versehen, denen die in der Ausstellung gezeigten Gemälde und Kleidungsstücke als Illustration beigegeben und durch längere Bildunterschriften genauer erläutert werden. Neben diesen kürzeren Erklärungen finden sich zwischengefügte ausführlichere Bildkommentare, in denen verschiedene Aspekte eines einzelnen Werkes dargelegt werden. Das durchgehende Konzept der Publikation besteht somit in dem Miteinander von Aufsatztext, Bildkommentaren und Einzelwerkanalysen. Diese heben sich durch das farbige Papier von den Aufsätzen ab und bilden die interessantesten und wohl überzeugendsten Teile der Publikation. Sie beschäftigen sich intensiv mit einem spezifischen Werk und daran gebunden mit dem Erstellen des Deutungskontexts der Kleidung - so werden Darstellungsumfeld, Farbigkeit, Bilddetails, Format, Gattung, die Aufnahme durch die zeitgenössische Kritik, kostümhistorische Informationen, kunsthistorischer Kontext und Literatur versammelt, um als Basis für die Bedeutung des Kleides im Bild zu fungieren. Es geht dabei stets um die Aussage, die durch die Darstellung eines bestimmten Kleides in das Gemälde hineinkommt, um die vor dem historischen Hintergrund korrekte Deutung. Hierfür sind besonders die kostümhistorischen Informationen relevant, die basierend auf Stichen das intendierte Umfeld, den Funktionszusammenhang und die Tragweise eines Kleidungsstückes darlegen. Die erhaltenen historischen Kleider belegen, dass die in den Gemälden abgebildeten Kleider tatsächlich existierten und helfen auch zu verstehen, was die Maler an bestimmten Kleidungsstücken faszinierte, erläutern anschaulich die Vorliebe für bestimmte Farben und Stoffe, ihr Wechselspiel mit dem Licht.

Die Aufsätze selbst schildern detailliert und präzise die verschiedenen Hintergründe der Bereiche, in denen sich Mode und Impressionismus treffen, wobei es zum Teil zu Überschneidungen kommt. Den Anfang machen kunst- und sozialhistorische Beiträge. So untersucht Gary Tinterow in "The Rise and Role of Fashion in French 19th century painting" die Aussage von Kleidung und davon abhängig ihren Stellenwert in der Porträt- und Genremalerei des 19. Jahrhunderts. Dass die Kleidung und damit ihre Funktion als sozialer Indikator im Kontext umfassender Änderungen ebenfalls einem Wandel unterworfen war, machen die Verweise auf die zunehmende Bedeutung des Bürgertums, die Rolle der Frau und die Entstehung von Kaufhäusern und Massenproduktion deutlich.

Gerade letztem Aspekt widmet sich Groom in ihrem Aufsatz, in dem sie die Rolle der Mode in der Großstadt schildert und auf die verschiedenen Schauplätze eingeht, die sich in den Werken der Impressionisten wiederfinden, und Françoise Tétart-Vitti, die die Produktionsbedingungen sowie die Vermarktungs- und Verbreitungsstrategien von Mode im 19. Jahrhundert darlegt.

Heidi Brevic-Zender schildert die Rolle der Literatur in der Akzentuierung der Kombination von Mode und Malerei, wobei deutlich wird, welche Rolle die Mode auch in der zeitgenössischen Literatur selbst spielte und wie bedeutsam sie war, um den Eindruck des Aktuellen zu erwecken, um Personen zu charakterisieren und sozial zu positionieren. Es zeigt sich wieder, dass es die Literatur, die Schriften von Baudelaire und Mallarmé, waren, die die Verbindung von Mode und Kunst über die zugrundeliegende Modernität festigten.

Auf diese allgemeinen Aufsätze, die noch einmal die Hintergründe und zugleich die Berechtigung für das Ausstellungsthema liefern, folgen Beiträge, die sich mit bestimmten Bildsujets und damit mit bestimmten Kleidungsstücken beschäftigen. Es geht hier um den Aufenthalt in der Natur und im Freien, das intime Porträt - die Nahsicht der zurückgezogenen Frau daheim und auch im Deshabilée -, den männlichen Städter, das Leben in Paris und die mit dem modernen Leben assoziierten Orte. Auf diese konkret mit der Mode verbundenen Essays folgen wieder allgemeinere, die nun weitere Aspekte des modernen Lebens in Paris erläutern. Sie behandeln die Genese des modernen Paris, die Entstehung und Bedeutung neuer Orte, ihre Verbindung zur Entwicklung von neuen sozialen Typen wie dem Flaneur und der Parisienne (David van Zanten, Gloria Groom), widmen sich der Bedeutung der Porträtphotographie im 19. Jahrhundert (Elizabeth Anne McCauley), den Pariser Geschäften und Kaufhäusern (Françise Tétard-Vittu), der Aufnahme der Mode in der zeitgenössischen Presse (Justine de Young). Der Katalog schließt mit einem modehistorischen Überblick (Helen Burnham) über den behandelten Zeitraum, in dem der Wandel der Silhouette dargestellt wird, und mit einer illustrierten Zeittabelle zu Mode und Konsum sowie einer Liste der Exponate mit den zugehörigen technischen Daten.

Der Katalog beschreitet kein Neuland, aber mit seinen fundierten Essays, den attraktiven und gelungen kombinierten Exponaten bietet er einen lohnenswerten neuen Überblick über die Beziehung von Mode und Impressionismus. Die Kleidung selbst fungiert dabei als Indikator für das moderne Leben in der Großstadt, für soziale und kulturelle Veränderungen im späten 19. Jahrhundert. Der ausgestellten Kleidung kommt eine eher illustrative, zum Teil fast dekorative Funktion zu, wohingegen die Modekupfer aussagekräftiger und detaillierter über Trageweise und sozial-funktionalen Kontext informieren.

Michaela Braesel