sehepunkte 14 (2014), Nr. 1

Johannes Meier / Uwe Glüsenkamp (Hgg.): Jesuiten aus Zentraleuropa in Portugiesisch- und Spanisch-Amerika

Mit dem Peruband liegt nun die Fortsetzung der in Form eines mehrbändigen Handbuch zusammengefassten Ergebnisse eines Forschungsprojekts Jesuiten aus Zentraleuropa in Portugiesisch- und Spanisch-Amerika des Seminars für Kirchengeschichte der Universität Mainz vor. Die Serie von mehreren Handbüchern ist nach den jesuitischen Provinzen Südamerikas gegliedert, bereits erschienen sind die Bände zu Brasilien, Chile und Neu-Granada. Es fehlen noch die Bände zu Quito (voraussichtlich 2015/16) und Paraguay (voraussichtlich 2017/18). Natürlich hätten viele Leser ein gemeinsames Erscheinen bevorzugt, aber wer die heute projektgebundene und zeitlich befristete Arbeitsweise kennt, die von Förderstrukturen abhängt und nicht unbedingt eine Anschlussförderung bei aufwendigen Archivrecherchen ermöglicht, wird die Hintergründe angemessen beurteilen können.

Der Aufbau der Bände ist einheitlich. Zuerst wird die jeweilige Ordensprovinz historisch, topographisch und in Bezug auf die wirtschaftlichen Grundlagen vorgestellt. Es folgt ein Teil über die indigene Bevölkerung und über die Entwicklung der Missionsgebiete. Dann beginnt die zentrale Vorstellung der Missionare zentraleuropäischer Provenienz, wobei Herkunft, Werdegang und soweit aus den Quellen bekannt ihr Indianerbild sowie ihr Missionsverständnis thematisiert werden. In einigen anschließenden Kapiteln werden besondere Leistungen gewürdigt. Es folgt ein leider nur überschlägiges Kapitel über die Mission im Verständnis der betroffenen indigenen Völker und schließlich die Schilderung der Ausweisung der Mitte des 18. Jahrhunderts in der Provinz tätigen Ordensmitglieder sowie eine knappe Bewertung des jesuitischen Wirkens aus heutiger Sicht. Anschließend finden sich die eigentlichen Projektergebnisse, der bio-bibliographische Teil, gegliedert nach den Missionaren, wobei Priester und Brüder unterschieden werden, sowie einige Sonderfälle, etwa auf der Reise Verstorbene oder Jesuiten, deren Zugehörigkeit zu den zentraleuropäischen Provinzen nicht ganz sicher ist.

Peru war die erste Provinz des Ordens in Südamerika, sie wurde bereits 1568 errichtet, später wurden weitere Provinzen ausgegliedert. 1605 wurde die Vizeprovinz Neugranada von Peru unabhängig (ab 1611 eigenständige Provinz, 1696 in Neugranada und Quito geteilt, bedingt durch die geographische Situation der Zuständigkeitsbereiche der Audiencias von Quito und Santa Fé de Bogotá). 1607 wurde die Provinz Paraguay gegründet, von der 1625 Chile als Vizeprovinz abgeteilt wurde (ab 1683 als eigenständige Provinz). Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts gab es in Südamerika sieben Jesuitenprovinzen.

Nur Lima hatte als Provinzhauptstadt für damalige südamerikanische Verhältnisse auch ein ausgeprägtes kulturelles Leben. Die eigentlichen Missionssiedlungen der Jesuiten wurden meist bewusst abseits der Zivilisation gewählt, um noch nicht christianisierte Indianerstämme zu erreichen und auch den als schädlich angesehenen Einfluss des Zivilisationskontakts, wenn auch nicht auszuschalten (die Kolonialverwaltung konnte jederzeit etwa Guarani-Indianer als Soldaten aus den Reduktionen Paraguays zur Kriegsführung in den zahlreichen Auseinandersetzungen mit den Portugiesen in Colonia del Sacramento im heutigen Uruguay anfordern), so doch zumindest zu kontrollieren. In Lima gab es auch die erste Universität in Südamerika (San Marcos). Sie wurde von den Dominikanern geleitet und ist die zweitälteste auf dem amerikanischen Kontinent nach Santo Domingo (1538). Jesuitisch geleitete Universitäten entstanden hingegen in Cuzco (1648) und Charcas (1624, i.e. Chuquisaca, heute Sucre).

Wert gelegt wurde bei den Jesuiten aus Missionsgründen auch auf das Erlernen indigener Sprachen entweder im Privatstudium oder nach den Artes meist im dritten Probationsjahr. In Cuzco und Chuquisaca entstanden Lehrstühle in indigenen Sprachen. Die bedeutendste Niederlassung der Jesuiten war das 1569 gegründete Kolleg von Lima, das auch eine Grammatikschule für Söhne wohlhabender Familien bot. Dort wirkte unter anderem auch ab 1572 der als Missionstheoretiker wichtige José de Acosta. [1] Es folgten zahlreiche weitere Gründungen von Kollegien an anderen Orten. Nach Ausgliederung von Neugranada und Quito umfasste die Provinz ungefähr die Fläche der heutigen Staaten Peru und Bolivien.

Wichtigste Mission der Provinz wurden nach schwierigen Anfängen die Reduktionen in Moxos, deren kulturelles Erbe gerade erst aufgearbeitet wird. [2] Die Bezeichnung Moxos wurde generalisierend verwendet, doch fanden sich in dem Gebiet nicht nur Moxos-sprechende Stämme, sondern auch viele andere Indigene, etwa die zur Arawak-Familie gehörenden Baure, wobei die Moxo-Sprache ähnlich wie das Guarani in Paraguay oder die tupi-basierte lingua geral in Brasilien zu einer Koine-Sprache wurde. Im Andenhochland dominierte Quechua und Aymara. Das schwer zugängliche Moxos-Gebiet konnte nach ersten Vorstößen der Kolonialverwaltung ab 1539 erst ab 1595 missionarisch erschlossen werden, die Missionen existierten allerdings nur bis 1629. Nach langer Pause wurde 1668 mit der Gründung der Reduktion Loreto ein größerer Erfolg erzielt. Es entstanden weitere Reduktionen, ihre Blüte lag in den Jahren von 1720-1750.

Oberdeutsche Missionare wirkten in der Provinz Peru von 1617 bis zum Ende der Reduktionen, insgesamt kamen acht Reisegruppen und ein Einzelreisender. Einige Jesuiten arbeiteten in Lima, viele Patres wurden in der Moxos-Mission eingesetzt. Große Bedeutung erlangte hierbei vor allem Franz Xaver Eder dessen Desciptio Provinciae Moxitarum (posthum publiziert Buda 1791) ein wichtiges Quellenwerk darstellt. Der aus Böhmen stammende Pater Johannes Röhr (1691-1756) wirkte am Wiederaufbau der Kathedrale von Lima mit, die nach einem Erdbeben zerstört worden war. Er erhielt auch einen Lehrstuhl für Mathematik an der Universität San Marcos in Lima.

Leider sind einige der von Jesuiten zu indigenen Sprachen geschriebenen Grammatiken verschollen, nur eine Predigt in Aymara von Pater Johann Wolfgang Bayer (1722-1794) hat der unermüdliche Publizist Christoph Gottlieb von Murr in seinem Journal zur Kunstgeschichte und zur allgemeinen Litteratur ab 1775 veröffentlicht. Ferner sind Reiseberichte zu erwähnen wie der von Kaspar Rueß, das erste deutsche Werk über Peru. Es handelt sich eigentlich um mehrere 1618 als Briefe nach Europa geschriebene Beschreibungen der Reise. Bekannt ist auch der in der Mission Moxos wirkende Joseph Dominicus Mayr (1680-1741) aus der Oberdeutschen Provinz, vor allem deshalb, weil er als reger Briefschreiber den Kontakt nach Europa zu seinem Bruder aufrecht hielt und nach seinem Tod sieben seiner Briefe aus Moxos unter dem Titel Neu aufgerichteter Americanischer Mayerhof von dem Sohn seines Bruders Bernhard Homodeus Mayr, der Buchdrucker war, herausgegeben wurden (Augsburg 1747). Einige Briefe Mayrs aus dem Sammelwerk jesuitischer Briefe, dem bekannten Neuen Welt-Bott verwendete der italienische Polygraph Ludovico Antonio Muratori (1672-1750) in seinem Cristianismo felice nelle missione de Padri della Compagnia di Gesú nel Paraguai, dem maßgeblichen apologetischen Werk der Epoche über jesuitisches Wirken in der südamerikanischen Provinz.

Es ist noch zu früh zu ermessen, ob die Handbücher der Serie auch weitere Forschung zu dem Thema über das eng begrenzte Forschungsgebiet anzuregen in der Lage sein werden. Insbesondere das Missionsverständnis der Jesuiten und der Einfluss der Mission auf die indigenen Völker wird sicher ein noch kontrovers zu behandelndes Thema bleiben, zu dem die Forschung noch viel über Detailstudien beitragen muss.

Das Schlusskapitel des Werks ist wie in den anderen Bänden der Serie ein sehr kurzer Überblick über die Epoche aus heutiger Sicht ist. Zwar wird hier kritisiert, dass der Jesuitenorden zu den größeren Sklavenhaltern in Peru gehörte, doch steht am Ende das Urteil, dass die Sklaverei eben epochentypisch gewesen sei und die Jesuiten in der peruanischen Ordensprovinz der kolonialen Durchdringung "nach den Möglichkeiten ihrer Zeit ein humaneres Gesicht zu geben vermochten". Eine derart pauschalisierte Behauptung müsste natürlich viel stärker untermauert werden, auch wenn sie in einigen Jesuitenprovinzen Südamerikas, etwa in dem Engagement der in Brasilien wirkenden Jesuiten für eine Indianergesetzgebung, sicher gerechtfertigt ist.

Als Einstieg in das quellenmäßig komplexe Thema jesuitischen Wirkens in den jeweils behandelten Provinzen Südamerika und als Manual über die Quellen zu den dort wirkenden oberdeutschen Jesuiten ist das Handbuch ein guter Einstieg. Für einen Überblick über die Geschichte der jeweiligen Provinzen müssen aber die Standardwerke in spanischer und portugiesischer Sprache hinzugezogen werden, auch wenn diese schon älteren Datums sind. [3]


Anmerkungen:

[1] De natura Noui Orbis libri duo et De promulgatione Evangelii apud barbaros sive de procuranda Indorum salute, Salamanca 1589, der missionstheoretische Teil heute meist in neueren Ausgaben als De procuranda Indorum salute betitelt.

[2] Siehe bspw. zum Musikleben Piotr Nawrot: Archivo musical de Moxos, catálogo de música manuscrita, Santa Cruz 2011.

[3] Etwa Astrain, Leite, oder für die spanischen Quellen die Regesten in Pastells, um nur einige zu nennen.

Rezension über:

Johannes Meier / Uwe Glüsenkamp (Hgg.): Jesuiten aus Zentraleuropa in Portugiesisch- und Spanisch-Amerika. Ein bio-bibliographisches Handbuch. Band 5: Peru (1617-1768), Münster: Aschendorff 2013, XLII + 350 S., ISBN 978-3-402-11791-0, EUR 54,00

Rezension von:
Franz Obermeier
Kiel
Empfohlene Zitierweise:
Franz Obermeier: Rezension von: Johannes Meier / Uwe Glüsenkamp (Hgg.): Jesuiten aus Zentraleuropa in Portugiesisch- und Spanisch-Amerika. Ein bio-bibliographisches Handbuch. Band 5: Peru (1617-1768), Münster: Aschendorff 2013, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 1 [15.01.2014], URL: https://www.sehepunkte.de/2014/01/24339.html


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