Joachim Kleinmanns: Wappen, Reiter, Fromme Sprüche. Bemalte Fensterscheiben in Westfalen (= Schriften des Westfälischen Freilichtmuseums Detmold - Landesmuseum für Volkskunde; Bd. 15), Detmold: Westfälisches Freilichtmuseum 1997, 303 S., ISBN 3-926160-27-6, DM 49,00
Aus: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 43 (1998)
Rezensiert von:
Stefan Frankewitz
Straelen
Wohl jeder kennt sie, hat sie zumindest schon einmal in einem Museum, vielleicht auch im Fenster einer alten Burg gesehen: bemalte Fensterscheiben mit Sprüchen, Personen, Wappen, Hausmarken oder Berufsdarstellungen. Ähnlich wie der Autor hatte der Rezensent vor Beginn des Lesens von der in dem Buch behandelten Materie "nur eine unklare Vorstellung" (S. 7). Dementsprechend gründlich hat der Autor die Geschichte der bemalten Fensterscheiben aufgearbeitet und in einen größeren Kontext - auch der Hausforschung - gestellt. Thematisch wird der Bogen vom ersten Glas im frühen Mittelalter bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts gespannt, wobei der Schwerpunkt - auch wegen der Quellenlage - auf der Zeit des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit liegt. Den Schlußpunkt bildet die industrielle Glasherstellung im 19. Jahrhundert, die Glas sprunghaft zu einem kaum mehr individuellen Wünschen entsprechenden Massengut werden ließ.
Im ersten Kapitel wird die Geschichte des Glasfensters "nach Quellen und Funden" gleichermaßen nachgezeichnet, das heißt, literarische Zeugnisse - wozu in diesem Falle auch der Sachsenspiegel gehört - werden ebenso herangezogen wie zahlreiche Originalbefunde und archäologische Überlieferungen. Daß hierbei im profanen Bereich die Burgen im Vordergrund stehen, wird nicht nur forschungsgeschichtlich zu begründen sein. Immerhin scheinen bereits um 1200 Glasfenster auf den Wehranlagen nichts Ungewöhnliches gewesen zu sein (S. 15). Daß im späten Mittelalter gerade die bunten, bemalten Fenster kostbar waren und als Zeichen für Wohlstand verstanden wurden, ergibt sich aus der Tatsache, daß Fenster teilweise zum Inventar eines Hauses gerechnet wurden.
Das zweite Kapitel ist der Glasherstellung, dem Vertrieb und der Verbreitung des Glases gewidmet. Interessant erscheinen die verschiedenen Möglichkeiten, qualitativ gutes oder weniger gutes Glas - abhängig von verschiedenen Sanden - zu erzeugen sowie der Hinweis darauf, daß bereits im späten Mittelalter Altglas als Rohstoff behandelt und wieder der Glasherstellung zugeführt wurde (S. 29). Bei der Beschreibung der für die Glasherstellung benötigten Öfen hätten Prinzipskizzen zum Verständnis des Gesagten beitragen können. - Daß die Quantität der in Westfalen hergestellten Gläser außerordentlich hoch gewesen sein muß, kommt darin zum Ausdruck, daß hier seit 1680 für den Vertrieb Glasträger bekannt sind.
Daß "die ersten Fensterstiftungen, die der Klerus und die Landesherrschaft zunächst den Kirchen und Klöstern als Bauunterstützung zugute kommen ließen, (...) Zeichen der Ehrerbietung und Frömmigkeit, aber auch der Repräsentation und gelegentlich eines grundherrlichen Besitzanspruches" waren (S. 43), erscheint mir zu sehr unserer heutigen, technisch geprägten Sichtweise zu entsprechen; vielmehr wird man zu allererst das eigene Seelenheil im Auge gehabt haben, als man einer Kirche eine Stiftung zukommen ließ, mit deren Hilfe man sich ein Stück des Himmelreichs erkaufte.
Als Stifter von Wappenfenstern treten in Westfalen gleichermaßen sowohl Adel und Klerus als auch Bürger und Bauern auf. Stadträte in ihrer Gesamtheit, die den Ruhm und die Ehre der eigenen Stadt im Auge hatten, sind als Stifter ebenso überliefert.
In einem Kapitel wird der Prozeß der Auftragsvergabe an den Glasmaler - aus Mangel an einem Beleg aus Norddeutschland - am Beispiel eines Schweizer Merkbüchleins dargestellt, und Angaben zu den recht unterschiedlich hohen Kosten einer bemalten Fensterscheibe finden sich hier ebenfalls. Es sind auch Beispiele überliefert, in denen Glasmaler ohne Auftrag Wappenfenster anfertigten, um sie dann dem Wappenträger zum Kauf anzubieten.
Wie verbreitet die Wappenfenster waren, belegt instruktiv die Nachricht, daß um 1650 in Bremen jährlich etwa 1.500 Wappenscheiben hergestellt wurden (S. 56). Der Beginn des Rückgangs der Bleiverglasung und damit auch der bemalten Fensterscheiben ist bereits in das 17. Jahrhundert zu datieren. Als Grund hierfür wird der Trend zur Blankverglasung angegeben, der mit dem Aufkommen der wesentlich haltbareren Holzsprossen einherging. Durch die in Westfalen seit 1723 archivalisch nachweisbaren Holzsprossenfenster wurde es möglich, größere Scheiben in die Fenster einzusetzen.
Bei der Fertigstellung eines Hauses wurde vom Hausherrn oft eine "Fensterzehrung" oder ein "Fensterbierfest" veranstaltet, das sich auf die Fertigstellung der Bauarbeiten bezog und mit dem Einsetzen des letzten Fensters endete. Der volkstümliche Brauch wird in der Literatur fälschlich mit dem allein auf den Rohbau zu beziehenden Richtfest verwechselt.
Neben den Formen einzelner "Kabinettscheiben" - ein Begriff aus der Kunstgeschichte, da die kleinteiligen Darstellungen auf Nahsicht ausgelegt waren - wird auch den Inschriften auf den Glasscheiben besondere Beachtung geschenkt. Den im Titel an erster Stelle genannten Wappen widmet der Autor leider nur etwas mehr als eine Spalte (S. 75f.).
Breiteren Raum räumt er dagegen den Glasern und ihren Zünften ein und beschreibt - wieder durch instruktive Zitate aus historischen Quellen abgesichert - die Voraussetzungen zum Bemalen und Brennen der farbigen Gläser. Eine Übersicht über die verschiedenen Verbindungen der Bleistege runden das Kapitel ab.
Der zweite Teil des Buches - er umfaßt die Seiten 127 bis 289 - nennt unter dem einfachen Begriff "Katalog" insgesamt 1.104 Glasscheiben. Nach der Vermutung des Autors erfaßt der Katalog "sicherlich den größten Teil des bis heute erhaltenen oder durch Abbildungen überlieferten westfälischen Materials ab der Mitte des 16. Jahrhunderts". Der Katalog nennt neben dem jeweiligen Aufenthaltsort in der Regel die Größe, die Materialbeschaffenheit sowie eine Beschreibung des Dargestellten. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich dieser Katalog als wahre Fundgrube für volkskundliche Forschung. Zahlreiche Sachgüter werden verbal und oftmals auch in den korrespondierenden Abbildungen im Bild vorgeführt; gleiches gilt für Wappen und Hausmarken. Da verständlicherweise nur ein Teil der 1.104 genannten Nummern als Foto erscheinen konnte, wäre ein Sachindex für die Erschließung der einzelnen Darstellungen sicherlich sehr hilfreich gewesen; so aber bleibt dem Leser die Freude des eigenen Entdeckens bewahrt.
Das vorliegende Buch mit festem Einband und einem ansprechenden Layout bietet eine Fülle von Informationen und ist - auch oder insbesondere außerhalb Westfalens - gut und mit Gewinn zu lesen; die üppige Bebilderung ist qualitativ hervorragend, kurzum: ein gleichermaßen nützliches wie schönes Buch.
Empfohlene Zitierweise:
Stefan Frankewitz: Rezension von: Joachim Kleinmanns: Wappen, Reiter, Fromme Sprüche. Bemalte Fensterscheiben in Westfalen, Detmold: Westfälisches Freilichtmuseum 1997, in: INFORM 1 (2000), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=358>
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