Maria Barbara Rössner-Richarz (Bearb.): Quellen zur Geschichte der Medizin in der Reichsstadt Köln. Ein sachthematisches Inventar für vier Jahrhunderte (1388-1798). Mit Vorarbeiten von Ulrich Simon, Irmgard Tietz-Lassotta und Jürgen Ziese (= Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln; Heft 78), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 1998, XXX + 443 S., ISBN 3-412-12398-6, DM 78,00

Aus: Nassauische Annalen (Bd. 111 (2000), S. 485-486)

Rezensiert von:
Egon Eichhorn

Die Medizingeschichte hat sich in den letzten Jahrzehnten etwas aus der Obhut der medizinischen Fakultäten gelöst. Unter der Bezeichnung "Sozialgeschichte der Medizin" ist sie fruchtbare Verbindungen zu den von Philologen und Sozialwissenschaftlern bearbeiteten Teilbereichen der Geschichtsforschung eingegangen.

Die damaligen Leiter des Nordrhein-Westfälischen Hauptstaatsarchivs und des Historischen Archivs der Stadt Köln haben in der ersten Hälfte der 1980er Jahre sich diesem Trend angeschlossen und die Mittel beschafft, um Inventare der für die Sozialgeschichte der Medizin relevanten Quellen in ihren Instituten erarbeiten zu lassen. Wegen der unerwartet großen Menge des vorhandenen Materials wurde das Vorhaben zunächst auf das Historische Archiv der Stadt Köln beschränkt und mußte auf vier Bearbeiter verteilt werden.

Das nun vorliegende sachthematische Inventar enthält neben dem allgemeinen Einleitungsteil insgesamt 1.166 Artikel (Regesten) und umfaßt die Zeit zwischen 1388 und 1798. Hierfür wurden die Bestände der medizinischen Institutionen durchforscht, wie die med. Fakultät der Universität und der Barbierzunft. Sie geben Aufschluß über Stellung und Funktion dieser Institutionen und über die medizinische Praxis. Darüber hinaus enthalten sie zahlreiche biographische Nachrichten über die Mediziner in Köln aus vier Jahrhunderten.

Als bedingt medizinische Einrichtungen wurden die Bestände der geistlichen Institutionen mit ihren spezifisch sozialen Funktionen überprüft: die Armenverwaltung, der Sekundarklerus und die Aktenüberlieferung der Stifte und Klöster einschließlich der Jesuiten.

Für die Medizingeschichte als wichtig wurden auch die Akten des Gerichtswesens (z.B. der Zusammenhang von Kriminalität und Krankheit) durchgesehen. Medizinische Bezüge enthalten auch die Bestände Rechnungen und viele Testamente Kölner Bürger und von Personen aus dem Gesundheitswesen selbst.

Das Inhaltsverzeichnis unterscheidet: normative Quellen, Quellen des Alltagslebens und medizinische Texte. Für die Frage nach einer Sozialgeschichte der Medizin bedeutet der Charakter des Archivguts, daß in den Quellen eher die offizielle und offiziöse Seite des Alltags in der Stadt - besonders des Gesundheitswesens - zum Ausdruck kommt. In der Regel scheint die Lebenswelt, nämlich der Arbeitsalltag, die Vergnügungen und Feiern und das Verhalten in Gesundheit und Krankheit auf oder muß mit entsprechenden Fragestellungen erschlossen werden.

Das vorliegende Inventar ist sachthematisch ausgerichtet und bestandsübergreifend angelegt und erschließt die Quellen analytisch. Es soll darüber hinaus die Funktionsträger im Rahmen der Verwaltungsstruktur der Stadt darstellen. Soweit wie möglich wurde deshalb versucht, die Provenienzen anzugeben. Das Verzeichnis zielt schließlich darauf ab, einen sozial- und mentalitätsgeschichtlichen Ansatz der Medizingeschichte, der - auf der Tradition der Annales basierend - stark interpretatorisch ausgerichtet ist, quellenkritisch zu stützen bzw. zu relativieren.

Das sehr stoffreiche Inventar ist durch ein Namenregister über Personen, Körperschaften und Orte gut erschlossen. Dem am Medizinischen interessierten Benutzer ist der Index "Krankheiten" sehr hilfreich, während dem Archivar im Index "Quellenarten" Hinweise auf Form und Charakter einer Quelle geliefert werden. Die gelungene Edition bietet wertvolles Material zur Stadt-, Sozial- und Medizingeschichte der Stadt Köln.