Waltraud Friedrich: Das ehemalige Prämonstratenserinnenkloster Konradsdorf. 1000 Jahre Geschichte und Baugeschichte (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte; Bd. 118), Darmstadt / Marburg: Hessische Historische Kommission Darmstadt und Historische Kommission für Hessen 1999, 319 S., ISBN 3-88443-070-x, DM 64,00
Aus: Nassauische Annalen (Bd. 111 (2000), S. 591-592)
Rezensiert von:
Thomas Ludwig
Die romanische Kirche in Konradsdorf und ein daneben liegendes Bauwerk aus der gleichen Zeit, bisher "Nonnenhaus" genannt, gehören dem Land Hessen und werden seit 1959 von der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen betreut, die sich mit den zur Verfügung gestellten Mitteln bemüht, Kirche und Haus vor dem weiteren Verfall zu schützen. Für selbständige wissenschaftliche Untersuchungen ist sie nicht ausgestattet.
Da ist es ein Glücksfall, wenn von außen wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden, und ein besonderer Glücksfall, wenn eine Person sowohl kunsthistorische als auch historische, soziale und wirtschaftliche Fragestellungen kompetent erforschen und abhandeln kann und dieses noch durch eine archäologische Grabung untermauert wird. Das Ergebnis dieser Untersuchungen ist die vorliegende Publikation. Darin gelingen der Verf.in wesentliche neue Aussagen zur Geschichte, Anlage und Bedeutung des kleinen Nonnenklosters und seiner Gebäude. Sie konnte nachweisen, daß es auf der Stelle einer früheren Burganlage errichtet wurde und daß es sich bei dem bisher "Nonnenhaus" genannten Bauwerk um die südlich des Klosters gelegene Propstei handelte, während die Konventgebäude nördlich der Kirche um einen Kreuzgang gruppiert waren.
Die Publikation ist in drei Abschnitte gegliedert. Im ersten Abschnitt interpretiert die Verf.in die Urkunden zur Geschichte des Klosters; im Anhang sind sie für die Klosterzeit vollständig abgedruckt. Erfreulich ist, daß dieser Abschnitt über die Säkularisation des Klosters im Jahre 1581 hinaus bis in die Gegenwart geführt wird und so auch die Entwicklung der als Hofgut verpachteten Anlage gewürdigt wird, auch wenn diese nicht spektakulär war.
Den gleichen weiten Bogen von den Anfängen bis in die unmittelbare Gegenwart spannt auch der zweite Abschnitt, der die Baugeschichte behandelt. Hier sind die Ergebnisse der archäologischen, bauerforschenden und kunsthistorischen Untersuchungen zusammengefaßt. Ob es tatsächlich zunächst eine Siedlung mit einer Saalkirche und anschließend eine Erweiterung durch die Burganlage gegeben hat oder ob nicht doch Kirche und Burg gemeinsam entstanden, erscheint weniger eindeutig als die Verf.in darlegt. Um das nachzuprüfen, müßte der im Landesamt für Denkmalpflege Hessen aufbewahrte Grabungsbericht konsultiert werden. Zweifellos entstand nach der Auflassung der Burganlage etwas ganz Neues, wenn auch zum Teil unter Verwendung der alten Fundamente. Von dieser inzwischen wieder fast vollständig verschwundenen Klosteranlage zeichnet die Verf.in ein lebendiges, bis in viele Einzelheiten nachvollziehbares Bild. Dabei folgte das Kloster Konradsdorf den wesentlichen Grundzügen der geschichtlichen Entwicklung: Der Gründung folgten Jahrhunderte des Wohlstandes im Mittelalter, der allmähliche Niedergang zum Beginn der Neuzeit, die Auflösung Ende des 16. Jh.s, Verfall und Zerstörung im 30jährigen Krieg und schließlich eine bescheidene landwirtschaftliche Nutzung seit dem 18. Jh., wobei schließlich auch die Kirche seit 1781 bis um 1910 als Viehstall genutzt wurde, ehe denkmalpflegerische Bemühungen sie davon wieder befreiten.
In diesem Abschnitt wäre manches Mal eine klarere sprachliche Durcharbeitung der ausführlichen Baubeschreibungen wünschenswert gewesen, und bedauerlicherweise wurde auf den Abdruck der vorhandenen photogrammetrischen Bauaufnahmen verzichtet, die das Verständnis einiger Details und der vorgeschlagenen Rekonstruktionen erleichtert hätten.
Der dritte Abschnitt der kunsthistorischen Einordnung ist knapp gehalten, was nicht gegen ihn spricht. Denn in diesem Falle interessiert uns der Einblick in ein bescheidenes Nonnenkloster, das zur Versorgung unverheirateter Töchter des lokalen Adels gegründet wurde, und da zählt der ungekürzte Abdruck des Inventars der letzten Meisterin vom 20. Sept. 1580, das die spärliche Ausstattung des Klosters erkennen läßt. Aber erst die gelungene Verknüpfung von Inventar, Herkunft und Stellung der Nonnen, ihrer Beziehung zu den Pröpsten, zum Bistum Mainz und zum Prämonstratenserorden, der Besitzungen und Rechte des Klosters und der baulichen Rekonstruktion mit ihrer kunsthistorischen Einordnung ergibt ein Ganzes, das als Grundlagenforschung auch für viele weitere Anlagen mit mittelalterlichem Ursprung zu wünschen wäre.
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Ludwig: Rezension von: Waltraud Friedrich: Das ehemalige Prämonstratenserinnenkloster Konradsdorf. 1000 Jahre Geschichte und Baugeschichte, Darmstadt / Marburg: Hessische Historische Kommission Darmstadt und Historische Kommission für Hessen 1999, in: INFORM 1 (2000), Nr. 4, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=389>
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