header

Katrin Lange: Gesellschaft und Kriminalität. Räuberbanden im 18. und frühen 19. Jahrhundert (= Europäische Hochschulschriften. Reihe 3; Bd. 584), Frankfurt a.M. / Berlin / Bern: Peter Lang 1994, 282 S., ISBN 3-631-46494-0, DM 84,00

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 83 (1999), S. 436 f.)

Rezensiert von:
Alexander Maisch

Räuber- und Gaunerbanden prägten in der ausgehenden frühen Neuzeit noch den Alltag. Entwurzelte Menschen schlossen sich zusammen, verschafften sich Waffen und organisierten sich nach militärischen Vorbildern. Breite Wirkungsfelder fanden sie immer dann, wenn die legalen Obrigkeiten durch kriegerische Verwicklungen geschwächt waren und sich zu Gegenaktionen kaum in der Lage sahen. Insbesondere war dies nach 1649 und in den 1790er Jahren der Fall. Gerade in den Jahren um 1800 erschienen viele "Aktenmäßigen Geschichten", in denen die Verbrechen der Banden und ihre Aufklärung beschrieben wurde. Diese Erzählungen bilden das Quellenmaterial, auf das die Autorin sich bei ihrer Auswertung stützt.

Lange beginnt ihre Untersuchung mit einer Schilderung der Rahmenbedingungen, unter denen sich das organisierte Verbrechen entwickelte. Armut war außerordentlich weit verbreitet, ganze Bevölkerungsgruppen - wie die Vaganten - wurden kriminalisiert. Die staatliche Verbrechensbekämpfung mit ihrer Vielzahl von Leibes- und Ehrenstrafen und ihrer Tendenz, verurteilte Kriminelle über die eigenen Grenzen abzuschieben, schuf ein weiteres Potential, aus dem sich Räuberbanden rekrutieren konnten. Die vielen kleinen Territorien waren zudem zu einer koordinierten Verbrechensbekämpfung kaum in der Lage, für die sie auch keinerlei Personal beschäftigten. Die wenigen "Landreiter" waren zu Verfolgung und Verhaftung gut funktionierender Banden nicht geeignet.

Die überwältigende Mehrheit der Räuber stammte aus unterständischen Schichten, mit großer Nähe zum Vagantentum. Handwerker waren vergleichsweise selten. Viele der späteren Bandenmitglieder waren in unvollständige Familien hineingeboren, z. B. unehelich, oder wurden früh Waisen. Daneben gab es Familien, in denen das Räuberleben Tradition hatte und der "Beruf" von den Eltern auf die Kinder vererbt wurde. Die Banden waren keineswegs streng organisiert. Lockere Organisationsformen scheinen überwogen zu haben. Viele Banden fanden sich erst zu konkreten Unternehmungen zusammen. Feste Übereinkünfte scheint es im wesentlichen für die Verteilung der Beute gegeben zu haben. Räuber, die Teile des erbeuteten Gutes unterschlugen, mußten mit harten Sanktionen rechnen.

Die Räuberbanden verfügten über ein soziales Umfeld, das ihnen ihre Taten erst ermöglichte. Von hier stammten die Informationen für Raubzüge, hier boten sich Treffpunkte und Unterschlupfe an. Mit Hilfe spezifischer Zeichen verständigten sich Räuber und Bettler. Begangen wurden alle Formen von Diebstahl und Raub. Die Beute allerdings war häufig gering oder bestand in Gegenständen, die nur mit Verlust weiterverkauft werden konnten. Die Opfer der Räuber - wenig erstaunlich - entstammten den wohlhabenderen Schichten der Bevölkerung. Häufig geplündert wurden Juden, die es aber auch unter den Räubern gab. Im 19. Jahrhundert erlebte das Bandenwesen einen Niedergang, obwohl die sozialen Bedingungen (Pauperismus!) ihm eigentlich eher hätten förderlich sein müssen. Die Staaten des 19. Jahrhunderts aber waren zu effektiver Verfolgung viel eher in der Lage als ihre Vorgänger im 18. Jahrhundert.

Katrin Lange bietet interessante Einblicke in die Binnenstruktur von Räuberbanden, die ja, nachdem es sie nicht mehr gab, oft romantisiert wurden.

Empfohlene Zitierweise:

Alexander Maisch: Rezension von: Katrin Lange: Gesellschaft und Kriminalität. Räuberbanden im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt a.M. / Berlin / Bern: Peter Lang 1994, in: INFORM 2 (2001), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=410>

Bitte setzen Sie beim Zitieren dieser Rezension hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse ein.

footer