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Christoph Schäfer: Das Simultaneum. Ein staatskirchenrechtliches, politisches und theologisches Problem des Alten Reiches, Frankfurt am Main u.a.: Lang 1995, 168 S.

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 83 (1999), S. 441 f.)

Rezensiert von:
Herbert Kohl

Diese Arbeit, eine an der Universität Freiburg entstandene Dissertation, geht der Frage nach, welche Formen konfessioneller Koexistenz sich in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden entwickelten und wie deren rechtliche Voraussetzungen beschaffen waren. Der Verfasser bezeichnet seinen Gegenstand im Vorwort als eher "abseits gelegenes" Thema, was sich aus der Tatsache erklärt, dass es sich hier um die Forschungsarbeit eines Juristen handelt. Kein Wunder also, dass dieser Text dem Leser, besonders dem juristisch ungeschulten, einiges abverlangt. Darstellende Kapitel gibt es kaum, es dominiert die in der Fachsprache des Juristen abgefaßte Analyse, und so kommt sich der in diesen Dingen ungeübte Leser zuweilen vor wie jemand, der sich in einem ihm wohlbekannten Raum bewegt, dies allerdings im Dunkeln und auf der verzweifelten Suche nach dem Lichtschalter.

Das Rechtsinstitut des Simultaneums stellt gewissermaßen den Vorläufer der modernen Religionsfreiheit dar. Es definiert sich als gleichzeitiges Nutzungsrecht konfessionsverschiedener Kirchen an Kirchengebäuden, Friedhöfen und sonstigen Kultgegenständen. Heute ist es als solches kaum mehr von Bedeutung, doch spielte es nach dem Dreißigjährigen Krieg in weiten Teilen des Reiches eine außerordentlich wichtige Rolle. Die Form der Simultankirche, wie wir sie aus ehemaligen Reichsstädten wie Augsburg, Biberach oder Dinkelsbühl kennen, war dabei - da rechtlich kaum umstritten - von eher untergeordneter Bedeutung. In rechtlichem Sinne heikel waren vielmehr jene Konstellationen, die sich aus den Erfolgen der Gegenreformation und der häufig damit verbundenen Rückkehr evangelischer Landesherren zum katholischen Glauben ergaben. Daß es sich dabei um ein ernstes Problem handelte, wird angesichts der hohen Zahl von 51 Glaubensübertritten deutlich, die zwischen 1614 und 1789 im Alten Reich zu verzeichnen waren. Ein solcher Akt bedeutete stets eine Gefährdung des in Münster und Osnabrück mühsam errungenen Friedens. Doch verhinderten die langen Schatten dieses Krieges und die im komplizierten Vertragswerk eingebauten Sicherungen, daß aus den zahlreichen kleinen Konflikten erneut ein Flächenbrand entstehen konnte.

Neben dem Konfessionswechsel des Fürsten gab es weitere Konfliktfelder, die zur Einrichtung von Simultaneen führen konnten. Zum einen war dies der Umstand, dass der Westfälische Friede das Jahr 1624 als "annus normalis" für die Konfessionszugehörigkeit festgelegt hatte, dies aber in vielen Fällen von den realen Besitzverhältnissen am Ende des Krieges abwich. Zum andern wurden durch die annexionistische Außenpolitik Ludwigs XIV. religiöse Tatbestände geschaffen, die der 1697 geschlossene Frieden von Rijswijk vertraglich bestätigte. Mit der Rückgabe von ehemals französisch besetzten Gebieten an evangelische Reichsstände kam es vielerorts zu religiösen Dissonanzen. In solchen Fällen der Religionsverschiedenheit von Landesherr und Untertanen sah das Reichsrecht eine Fülle von Appellationsmöglichkeiten vor, die nahezu alle juristischen und politischen Körperschaften erfasste, vom Reichskammergericht über Reichstag und Kaiser bis hin zu ausländischen Mächten, wie dies im Fall der hohenlohischen Religionswirren des 18. Jahrhunderts geschah. Für unseren Raum bedeutsam war die Existenz des Simultaneums, das vom Hochstift Würzburg an 31 evangelische Dörfer verliehen wurde. Eine weitere Besonderheit unseres Raumes stellte das Löwenstein-Wertheimische Simultaneum dar. Es entstand dadurch, daß diese Grafschaft von einer katholischen und einer evangelischen Linie als Kondominat regiert wurde, ein Umstand, der zu blutigen Auseinandersetzungen führte, als im Jahr 1781 eine Wallfahrtsprozession gewaltsam unterdrückt wurde.

Dieses Werk macht deutlich, daß der Rechtswissenschaftler mit einem völlig anderem Erkenntnisinteresse an seine Stoffe herangeht. Er befragt seine Paragraphen, reale Menschen, ihre Interessen und Nöte, spielen dabei so gut wie keine Rolle, auch wenn es um etwas zutiefst Menschliches, nämlich die Frage nach dem rechten Glauben geht. Fazit: ein Buch, dem man das Prädikat "extra trocken" verleihen sollte.

Empfohlene Zitierweise:

Herbert Kohl: Rezension von: Christoph Schäfer: Das Simultaneum. Ein staatskirchenrechtliches, politisches und theologisches Problem des Alten Reiches, Frankfurt am Main u.a.: Lang 1995, in: INFORM 2 (2001), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=413>

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