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Paul Sauer: Geschichte der Stadt Stuttgart. Band 2: Von der Einführung der Reformation bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, Stuttgart / Berlin / Köln: Kohlhammer 1993, 411 S., ISBN 3-17-012402-1, DM 148,00

Paul Sauer: Geschichte der Stadt Stuttgart. Band 3: Vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Abschluss des Verfassungsvertrags für das Königreich Württemberg 1819, Stuttgart / Berlin / Köln: Kohlhammer 1995, 427 S., ISBN 3-17-013571-6, DM 148,00

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 83 (1999), S. 466 f.)

Rezensiert von:
Alexander Maisch

Paul Sauer führt mit den vorliegenden beiden Bänden die von Hansmartin Decker-Hauff begonnene Stuttgarter Stadtgeschichte weiter. Sein erster Band behandelt den Zeitraum von der Reformation bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, der zweite den anschließenden Zeitraum bis 1819. Beide Bände sind ähnlich strukturiert, beide sind reich bebildert.

Stadtgeschichte wird hier außerordentlich breit angelegt. Neben den politischen Ereignissen (Reformation, Dreißigjähriger Krieg, Jud Süß Oppenheimer z. B.) bezieht der Autor die Umweltbedingungen (Unwetter und Missernten) ebenso mit ein wie die städtische Topographie, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, den Alltag und das Brauchtum. Die städtische Historie wird eng verwoben mit der des Herzogtums Württemberg - wie bei einer Stadt, in der Hof und die Verwaltung eine herausragende Rolle spielten, nicht anders zu erwarten. Innerhalb jeden Kapitels werden die Quellen im wesentlichen in chronologischer Reihung präsentiert.

Aus der Fülle des Gebotenen kann hier nur weniges herausgegriffen werden. Wie die meisten frühneuzeitlichen Städte litt auch Stuttgart an mangelnder Hygiene: Abfall und Unrat landete direkt auf den Gassen, wo die Schweine sich seiner annahmen - allerdings die Sauberkeit nicht unbedingt erhöhten. Die Obrigkeit ermahnte und verbot, der Erfolg blieb gering. Entsprechend hoch war die Sterblichkeit in der Stadt, die durch periodisch wiederkehrende Seuchen gesteigert wurde. Die Pest etwa wütete 1501/1502, 1529/1530, 1541-1543, 1551, 1571-1573, 1594-1595, 1607-1611 usw. Detailliert wird das Medizinalwesen beschrieben: von den akademisch gebildeten Ärzten, den nicht-akademischen Chirurgen über die Apotheker zu den Quacksalbern, die trotz fehlender Qualifikation für die Versorgung der Bevölkerung nicht ohne Bedeutung waren.

Die Sozialstruktur des 16. Jahrhunderts exemplifiziert Paul Sauer anhand von Gerd Wunders Auswertungen der Türkensteuerlisten. Landwirtschaft und Weinbau waren selbst in der herzoglichen Residenz die wichtigsten Wirtschaftszweige.

Der Dreißigjährige Krieg unterbrach spätestens nach der Schlacht von Nördlingen 1634 und der Besetzung Stuttgarts durch die kaiserlichen Truppen alle normalen wirtschaftlichen Aktivitäten: 1643 beschwerten sich die Küfer, daß sie in ihrem Handwerk kaum etwas verdienen könnten. Die Metzger dagegen scheinen zu den Kriegsgewinnlern gehört zu haben. Nach 1648 stand zunächst einmal der Wiederaufbau des Landes im Vordergrund. Stuttgart profitierte von der barocken Hofhaltung der Herzöge: die Einwohnerzahl erhöhte sich 7000 im Jahr 1648 auf 13000 im Jahr 1713. In den meisten Reichsstädten stagnierte dagegen in diesem Zeitraum die Bevölkerungszahl. Auch kulturell entwickelte sich die Stadt weiter: das höhere Schulwesen wurde nach langem Zögern reformiert und Stuttgart erhielt 1686 sein Gymnasium illustre (30 Jahre später als Schwäbisch Hall!).

Im Unterschied dazu stand das frühe 18. Jahrhundert eher im Zeichen der Krise: die Verlegung der Residenz und der Regierungsbehörden nach Ludwigsburg trafen die Stadt hart. Etliche Handwerke waren überbesetzt. Erst 1775 kehrte der Hof endgültig zurück - zu spät für alle diejenigen, die sich wirtschaftliche Vorteile versprochen hatten, denn die wilden Jahre Carl Eugens waren vorbei: die Ausgaben für Bauten und Feste blieben jetzt begrenzt. Dennoch erhöhte sich die Einwohnerzahl auf ca. 22 000 Personen im Jahr 1820, unter denen sich auch einige Juden befanden, deren Bleiberecht lange von Seiten der Stadt in Frage gestellt wurde. Oft gelang es nur herzoglichem Druck, ihre Aufnahme durchzusetzen. Eine jüdische Gemeinde gab es erst ab 1832. Das 18. Jahrhundert sah einen dynamischen Ausbau des Schulwesens, das z.B. um eine Realschule, um Mädchenschulen und um die Hohe Carlsschule ergänzt wurde. Literatur und bildende Künste verharrten nicht länger in der Provinzialität, auch wenn viele bedeutende Wissenschaftler und Künstler nur wenige Jahre ihres Lebens in Stuttgart verbrachten.

Die Lektüre von Paul Sauers Stadtgeschichte ist ein Vergnügen, die zahlreichen Einzelheiten vermitteln ein lebendiges Bild vom Leben in vergangener Zeit.

Empfohlene Zitierweise:

Alexander Maisch: Rezension von: Paul Sauer: Geschichte der Stadt Stuttgart. Band 2: Von der Einführung der Reformation bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, Stuttgart / Berlin / Köln: Kohlhammer 1993, in: INFORM 2 (2001), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=420>

Alexander Maisch: Rezension von: Paul Sauer: Geschichte der Stadt Stuttgart. Band 3: Vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zum Abschluss des Verfassungsvertrags für das Königreich Württemberg 1819, Stuttgart / Berlin / Köln: Kohlhammer 1995, in: INFORM 2 (2001), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=420>

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