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Ehrenfried Kluckert: Auf dem Weg zur Idealstadt. Humanistische Stadtplanung im Südwesten Deutschlands, Stuttgart: Klett-Cotta 1998, 101 S., zahlr. Abb., ISBN 3-608-91962-7, DM 25,00

Aus: Württembergisch Franken (Bd. 84 (2000), S. 378 f.)

Rezensiert von:
Alexander Pusch

Das Büchlein hat's in sich: Auf 100 Seiten setzt sich Ehrenfried Kluckert mit der Frage auseinander, ob und wo es auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg Beispiele für mittelalterlich-frühneuzeitliche Stadtplanung gibt. Darüberhinaus behält er sich stets die Frage vor, ob eine solche vom humanistischen Gedankengut beeinflußt wurde, wie dies bei den italienischen Renaissancegründungen Pienza und Sabbioneta der Fall war.

Zunächst richtet er sein Augenmerk auf die mittelalterlichen Städte des alemannischen Raums südlich der Linie Straßburg-Ravensburg. Hierbei handelt es sich entweder um Zähringergründungen oder um Kommunen eines mittelalterlichen Industriereviers für Textilproduktion. Gemeinsam ist ihnen die traufseitige Ausrichtung der Häuser zur Straße im Gegensatz zur giebelseitigen Ausrichtung im Schwäbischen. Die Aufeinanderfolge der Stadtgründungen mit dem jeweiligen Straßenbild in Verbindung bringend, kommt Kluckert zum Schluß, daß es weder ein Zährigerkreuz noch einen vorgefertigten Stadttypus der Zähringer gab. Stattdessen bedienten auch sie sich bestimmter Vorbilder, durch die Weiterentwicklung jedoch haben sie das mittelalterliche Städtewesen entscheidend geprägt.

Als nächstes behandelt Kluckert die Entwicklung Stuttgarts zur Residenzstadt, wie sie 1643 von Matthäus Merian festgehalten wurde. Obwohl die weitläufige Gartenstadt mit ihren schachbrettartigen Vororten durchaus als "Idealstadt" bezeichnet werden konnte, existierte auch hier kein humanistischer Hintergrund. Vielmehr verweist Kluckert auf die italienischen Gemahlinnen der württembergischen Herzöge, die beim Ausbau der Stadt die Impulse ihrer Heimat in die Planung einbrachten.

Wenn irgendwo in Württemberg humanistische Ideale in der Stadtplanung berücksicht worden sein sollen, dann in Freudenstadt. Herzog Friedrich I. beauftragte den Architekten Heinrich Schickhardt mit dem Bau dieser quadratischen Stadtanlage für Bergleute und Glaubensflüchtlinge und "als Mittelpunkt des württembergisch-protestantischen Gebietes zwischen dem katholischen Frankreich und den ebenfalls katholischen habsburgischen Landen". Eine humanistische Idealstadt lag dem ganzen trotzdem nicht zugute: Schickhardt favorisierte ein bewohnerfreundliches Konzept, seinem Auftraggeber jedoch schwebte eine repräsentative Residenzstadt vor. Das Ergebnis mit seinen beengenden Gassen und seinem überdimensionierten Marktplatz, zu dem der frühe Tod des Herzogs beitrug, stellte wohl auch Schickhardt nicht so recht zufrieden.

Auch der letzte Beitrag befaßt sich mit dem Wirken des bedeutendsten württembergischen Städtebaumeisters. Neben Freudenstadt war Schickhardt nämlich auch mit dem Wiederaufbau der durch Brand zerstörten Städte Schiltach, Oppenau, Vaihingen a. d. Enz und Schillingsfürst beschäftigt. Da diese Städtebaukonzepte nicht den Repräsentationswünschen eines Herzogs gerecht werden mußten, wird hier Schickhardts persönliche Handschrift eher ersichtlich.

Das Büchlein bietet gute Einblicke in die südwestdeutsche Städteplanung, gelungen ist vor allem die Illustration bei der Beschreibung von Stadtgrundrissen. Kritik verdient nur der Titel, der - wie das Vorwort eingesteht - nur aufgrund seines vielversprechenden Klangs gewählt wurde. Eine humanistische Idealstadt zu realisieren, wurde nämlich in Baden Württemberg nie versucht.

Empfohlene Zitierweise:

Alexander Pusch: Rezension von: Ehrenfried Kluckert: Auf dem Weg zur Idealstadt. Humanistische Stadtplanung im Südwesten Deutschlands, Stuttgart: Klett-Cotta 1998, in: INFORM 2 (2001), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=434>

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