Gerhard Römer: Bücher, Stifter, Bibliotheken. Buchkultur zwischen Neckar und Bodensee, Stuttgart / Berlin / Köln: Kohlhammer 1997, 296 S., zahlr. Abb., ISBN 3-17-013025-0, 50,11
Aus: Württembergisch Franken (Bd. 84 (2000), S. 371)
Rezensiert von:
Daniel Stihler
Gerhard Römer, ehemaliger Leiter der badischen Landesbibliothek in Karlsruhe und somit ausgewiesener Fachmann, behandelt in diesem Band die Entwicklung der Buchkultur im deutschsprachigen Südwesten. Anhand von Beispielen unterschiedlichsten Bibliothekstypen - von Kloster- und Pfarr- über Universitäts-, Schul- und städtischen Bibliotheken bis zu den Fürsten-, Adels- und sonstigen Privatbüchereien - demonstriert er grenzüberschreitend unter Einbeziehung des Elsaß und Vorarlbergs (Österreich) den Reichtum der Kulturlandschaft zwischen Neckar und Bodensee. Thema sind beispielsweise die Klosterbibliotheken der Reichenau und in Hirsau, die privaten Sammlungen des Humanisten Beatus Rhenanus, der Herzogin Franziska von Württemberg und des Freiherrn Joseph von Laßberg, die heutigen Landesbibliotheken in Karlsruhe und Stuttgart, das Deutsche Literaturarchiv in Marbach und das Melanchthonhaus in Bretten. Im Kapitel über frühe städtische Büchersammlungen ist neben Reutlingen und Ulm auch die Schwäbisch Haller Ratsbibliothek vertreten - die Würdigung, die dieses bisher weitgehend unbekannte Schmuckstück der ehemaligen Reichsstadt 1994 im "Handbuch der Historischen Buchbestände" erfuhr, scheint ein Interesse geweckt zu haben, aus dem hoffentlich weitere Forschungen resultieren.
Obwohl Gerhard Römer keine umfassende Bibliotheksgeschichte Baden-Württembergs schreiben wollte, schließt dieser Band doch eine Lücke in der Kulturgeschichte unserer Region. Er bietet keine trockenen "Bestandsgeschichten", sondern erzählt auf spannende und anschauliche Weise vom Schicksal der immer wieder von Kriegen, Ignoranz und Vandalismus bedrohten "Bücherschätze" und dem kulturellen Kontext ihrer Entstehung - von der "Bücherlust" adliger oder geistlicher Sammler bis zur Entwicklung der Juristerei und des Schulwesens, die die Entstehung der städtischen Bibliotheken maßgeblich beeinflußte. Wer ein Faible für alte Bücher hat, sollte sich diesen Band nicht entgehen lassen, der nicht nur von schönen, seltenen und kostbaren Büchern und Bibliotheken handelt, sondern selbst ein Beispiel für ein ausgesprochen schön und aufwendig gestaltetes Buch ist.
Daß die Bücherschätze unseres Landes nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch heute noch bedroht sind, zeigt das Schicksal der von Römer beschriebenen Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen mit der Laßberg'schen Sammlung, die mittlerweile in alle Winde zerstreut ist. Zwar hat das Land die Handschriften erworben, aber der wertvolle Inkunabelbestand und ein großer Teil der späteren Drucke ist mittlerweile versteigert und somit verloren. Daß man diesen skandalösen Vorgang untätig hingenommen, ihn überhaupt erst möglich machte, in dem man die Bibliothek nicht in die Denkmalliste aufgenommen hat (in der weit weniger wertvolle Bestände stehen), daß man offenbar nicht einmal willens ist, wenigstens die Laßbergische Nibelungenhandschrift in öffentlichen Besitz zu bringen, ist ein kaum zu überbietendes Armutszeugnis für das Land Baden-Württemberg. Um so wichtiger ist es, wenn - wie mit diesem Buch - ein Bewusstsein für den Wert dieser Kulturschätze geweckt wird.
Empfohlene Zitierweise:
Daniel Stihler: Rezension von: Gerhard Römer: Bücher, Stifter, Bibliotheken. Buchkultur zwischen Neckar und Bodensee, Stuttgart / Berlin / Köln: Kohlhammer 1997, in: INFORM 2 (2001), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=439>
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