Anna Manko-Matysiak: Das Teufelsmotiv in der schlesischen Wunderzeichenliteratur der Frühen Neuzeit (= Schriftenreihe der Kommission für deutsche und osteuropäische Volkskunde in der DGV; Bd. 79), Marburg: Elwen 1999, 207 S., 17 Abb., ISBN 3-7708-1140-2, DM 36,00
Aus: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde (Jahrgang 2001, S. 203 f.)
Rezensiert von:
Michaela Schwegler
In ihrer 1999 erschienenen Dissertation beschäftigt sich Anna Manko-Matysiak aus literaturwissenschaftlicher Sicht mit einem Themenbereich der Prodigienliteratur. Während sie hinsichtlich der Quellengattungen keine Einschränkungen trifft - also sowohl Flugblätter und Flugschriften als auch Abhandlungen und Wunderzeichenbücher heranzieht -, grenzt sie ihren Untersuchungsgegenstand sowohl in regionaler als auch in inhaltlicher Hinsicht ab, indem sie sich zum einen auf das Gebiet Schlesiens, zum anderen auf das Teufelsmotiv beschränkt. Gerade diese beiden Spezifizierungen machen wohl das Besondere dieser Schrift aus. Denn bisher existieren kaum Untersuchungen zur Wunderzeichenliteratur, die sich speziell einem Motiv in einer bestimmten Region widmen. Schon in der Einleitung macht Anna Manko-Matysiak deutlich, daß sie bei ihrer Studie drei Perspektiven im Auge hat: eine thematische, die sich auf das Teufelsmotiv bezieht, eine literaturgeschichtliche, die der Textgattung 'Teufelsgeschichte' auf die Spur kommen möchte, und eine regionale, die Schlesien als Kontext dieser 'Teufelsliteratur' betrachtet. Die Autorin steckt damit ihre Ziele ab und behandelt in den folgenden fünf Kapiteln das Zusammenwirken dieser drei Aspekte anhand ausgewählter Beispiele.
Zunächst versucht sie, den in der Frühen Neuzeit allgemein verbreiteten "Wunderhunger" zu erklären. Schlesien hatte zu der Zeit - so Manko-Matysiak - eine Sonderstellung, da dort zahlreiche Sekten existierten, die verschiedene Führer, die sogenannten "neuen Propheten", hervorbrachten, welche den Unheilsglauben der Menschen schürten.
Ausdruck des frühneuzeitlichen Wunderglaubens sind neben den Propheten die zahlreichen Wunderbücher, welche die Autorin im dritten Kapitel vorstellt. Sie gibt hier einen sehr guten Überblick über die jeweiligen Intentionen und Besonderheiten sämtlicher bekannter Prodigienschreiber wie Job Fincel, Kaspar Goltwurm oder Christoph Irenäus, wobei - dem Thema der Dissertation nach - jeweils besonderes Augenmerk auf die Bewertung des Teufels von seiten der Prodigienschreiber gelegt wird. Daneben kommen jedoch auch unbekanntere schlesische Prodigienautoren zu Wort wie Levin Lemnius oder Jakob Horst.
Horst sei, Manko-Matysiaks Ausführungen nach, der erste Autor, der "den Teufelswerken ihren prodigiösen Inhalt versagt" (57), deren Wirklichkeit jedoch - in Übereinstimmung mit den anderen Autoren - nicht bezweifelt. Als weiterer wichtiger schlesischer Prodigienschreiber kann Martin Weinrich gelten, auf dessen Definitionen der Begriffe "Monstrum", "Ostentum", "Prodigium" und "Portentum" sich laut Manko-Matysiak viele der späteren Autoren beriefen. Daß Prodigien auch in naturkundlichen Textgattungen auftreten, belegt David Namslers "Außführlicher Bericht Von Wassern und Wasserflutten". Laut Manko-Matysiak diente dem Autor sein Text allein dazu, "göttliche Werke als unantastbar zu beschreiben" sowie die Verführungen und bösen Taten des Teufels innerhalb der göttlichen Welt herauszustellen. Den Abschluß der Darstellung der Wunderbücher bilden Johann Praetorius' Prodigiensammlungen, die - so Manko-Matysiak - als "Höhepunkt der Prodigien-Kompendien" (80) gelten können.
Das vierte Kapitel behandelt den Zusammenhang zwischen den Krisenfaktoren und dem Teufelsglauben der Frühen Neuzeit anhand zweier Beispiele: den Wetterberichten und den Monstren. Als Beispiele für Berichte über Naturerscheinungen wie Gewitter, Sturm oder Regenfälle wählt die Autorin einige Bußpredigten, "Donner-Wetter"-Predigten sowie Wettergebete und -lieder aus, die alle Ausdruck dafür sind, daß die Menschen das Unheil als Strafe Gottes, die er indirekt durch den Teufel bewirkt, auffaßten. Ähnliche Interpretationen finden sich auch in Berichten über Monstren. "Obwohl man bereits seit Aristoteles bestrebt war, die Ursachen der Mißbildungen naturwissenschaftlich zu deuten, bestanden die Geistlichen darauf, die Wundergeburten nach wie vor als göttliche Warnsignale oder Werke dämonischer Mächte zu betrachten." (104) Manko-Matysiak gibt im folgenden zunächst Beispiele für drei Arten von Monstren, nämlich teuflische Abnormitäten, Monstren mit Vergrößerungen am Körper und kopflose Lebewesen, die alle stereotyp als Teufelswerk gedeutet wurden. Anschließend führt die Autorin noch eine weitere Interpretationsmöglichkeit der Berichte über Mißgeburten an: Sie seien oft auch dazu benutzt worden, um vor dem aus Frankreich kommenden "Modeluxus" abzuschrecken. Den Abschluß des Kapitels bildet eine Erzählung über ein Wunderkind aus dem Jahre 1749, die Manko-Matysiak als Beleg dafür anführt, daß auch im Zeitalter der Aufklärung das Interesse am Wunderglauben nicht erloschen ist.
Als deutlichstem Beleg für das Teufelsmotiv in der Prodigienliteratur widmet Manko-Matysiak schließlich ein eigenes Kapitel der Teufelsbesessenheit. Die Abnormitäten der Besessenen könnten, so Manko-Matysiak, in den Bereichen des Religiösen, des Körperlichen, des Psychischen und der Parapsychologie untersucht werden. Besessene seien jahrhundertelang als Geistesgestörte behandelt worden, wohingegen man heute einen engen Zusammenhang zu psychischen Krankheiten wie Epilepsie oder Schizophrenie erkennt. Der Exorzismus galt lange als "der entscheidende Akzent für das Erkennen der Besessenheit" (118). Von Luther wurde diese Methode der Teufelsaustreibung strikt abgelehnt. Schlesien sei in dieser Hinsicht als Sonderfall zu betrachten, da dort zahlreiche Glaubensgemeinschaften ansässig waren und so "der konfessionelle Alltag lange vom Zwang zum Kompromiß geprägt" (125) war. Die katholische Kirche hielt trotz heftiger Proteste von seiten der Protestanten die Praxis des Exorzismus aufrecht. Das "Rituale Romanum", das bereits 1614 eingeführt worden war, wurde 1952 neu herausgegeben und besitzt auch heute noch Gültigkeit.
Außer in der konfessionellen Debatte spiele die Teufelsaustreibung in der frühneuzeitlichen Dämonologie eine entscheidende Rolle. Der Glaube an den Teufel komme dabei nicht nur bei den großen Theoretikern wie Johann Weyer, Jean Bodin oder Friedrich von Spee zum Ausdruck, sondern beispielsweise auch in den Schriften des schlesischen Predigers Andreas Celichium oder des schlesischen Pfarrers Tobias Seiler, der in seiner "Daemonomania" drei Arten der "Teufelsbesitzung" unterschied, nämlich eine leibliche, eine geistliche und eine "Scheinbesitzung".Ein enger Zusammenhang sei, wie Manko-Matysiak betont, auch zwischen Hexenprozessen und Teufelsbesessenheit festzustellen. Denn die Vorstellung vom Innewohnen des Teufels im Menschen sei Grundlage für viele Hexenanschuldigungen gewesen. Es sei jedoch verwunderlich, "daß man in jener Hexenperiode so glimpflich mit den Besessenen umging" (141), was als schlesische Besonderheit gelten könne.
Den Abschluß des Kapitels über Teufelsbesessenheit bilden einige exemplarische "Fallbeschreibungen", die, Manko-Matysiaks Ansicht nach, alle die Überzeugung zum Ausdruck bringen, "daß nur Gott des Satans mächtig ist und daß der böse Geist ohne seine Zulassung nichts vermag" (141). Daß die Sensation einer Teufelsaustreibung daneben auch finanzielle Einträge bringen konnte, belegen Geschichten von "Pseudobesessenen" und "Pseudoexorzisten", die sich mit Hilfe ihrer Betrügereien ein Almosen der Umstehenden erhofften.
Das sechste Kapitel behandelt eine Ausdrucksform des frühneuzeitlichen Wunderglaubens auf dem Gebiet der Volksfrömmigkeit, nämlich die Marien- und Heiligenverehrung. Wallfahrten zu Marien- oder anderen Heiligenorten haben in Schlesien eine lange Tradition; die erste ist in einer Schrift von 1512/13 belegt und zwar zum Grab der heiligen Hedwig in Trebnitz, die schon zu Lebzeiten böse Geister ausgetrieben haben soll. Doch bereits seit dem 4. Jahrhundert sollen gerade in der böhmischen und schlesischen Region Marienwallfahrten stattgefunden haben, die mit dem Trienter Konzil 1563 zum "Kennzeichen des neuen Katholizismus" (154) erhoben wurden. Als besonders berühmtes Beispiel führt die Autorin den Wallfahrtsort Wartha an, an dem Maria 14 Personen von teuflischen Verführungen geheilt haben soll.
Am Ende ihrer Arbeit angelangt, kann man Anna Manko-Matysiaks Fazit, "daß der Teufel selbst eine konstante und zugleich wesentliche Komponente des frühneuzeitlichen Alltags bildete" (162), recht geben. Der Leser hat einen Überblick über sämtliche Facetten des Teufelsmotivs in der frühneuzeitlichen Wunderzeichenliteratur erhalten. Gerade die "doppelte Anwesenheit" des Teufels in den Texten, nämlich zum einen leibhaftig als Teufelsgestalt und zum anderen indirekt als Verursacher des Bösen in der Welt bzw. Bestrafer der Menschen, wurde mit Hilfe der angeführten Beispiele deutlich zum Ausdruck gebracht.
Auch wenn Manko-Matysiak mit Hilfe von Fallbeispielen zu zeigen versuchte, daß der Wunder- und Teufelsglauben nicht auf die Frühe Neuzeit beschränkt ist, ist sie an einigen Stellen ihrer Untersuchung doch dem traditionellen Bewertungsschema abergläubische vs. aufgeklärte Zeit verfallen. So ist an zahlreichen Stellen zu lesen, der Aberglaube habe zu jener Zeit "den höchsten Grad" erreicht (24) oder die Texte seien "getreue Zeugnisse der grausamen Zeiten und [...] Ausdruck des großen Wunder- und Aberglaubens" (141). Solche Pauschalurteile entsprechen wohl nicht mehr dem heutigen Bild der Frühen Neuzeit und verwischen zudem - als Abschluß von Kapiteln verwendet - die vorher aufbereiteten, sehr viel differenzierteren Ergebnisse. Manko-Matysiak betont hier gerade die negative Bewertung, die durch den Begriff des Aberglaubens vielfach impliziert wurde und diesen Begriff in Mißkredit brachte.
Trotz dieser terminologischen (und inhaltlichen) "Unsauberkeiten" ist Anna Manko-Matysiak insgesamt jedoch eine interessante Arbeit gelungen, die vor allem aufgrund ihrer aufwendigen Recherchen in deutschen und polnischen Archiven und der daraus resultierenden Internationalität gewürdigt werden muß. Während Flugblätter und Flugschriften als frühneuzeitliche Mediengattungen sowie auch die einschlägigen Wunderzeichenbücher von Fincel, Goltwurm, Prätorius usw. bereits gut erforscht sind, fehlt es nach wie vor an breit angelegten Untersuchungen zu einzelnen Motiven innerhalb der Wunderzeichenliteratur. Deshalb kann Manko-Matysiaks Arbeit durchaus auch als Vorbild für weitere Studien gewertet werden, die sich ähnlich dem Teufelsmotiv in Schlesien einer anderen Region bzw. einem anderen Motiv widmen und dieses, wie Manko-Matysiak es in ihrer Arbeit getan hat, in seiner ganzen Bandbreite über einen längeren Zeitraum hinweg und in den verschiedensten medialen Gattungen untersuchen.
Empfohlene Zitierweise:
Michaela Schwegler: Rezension von: Anna Manko-Matysiak: Das Teufelsmotiv in der schlesischen Wunderzeichenliteratur der Frühen Neuzeit, Marburg: Elwen 1999, in: INFORM 2 (2001), Nr. 5, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=467>
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