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Gudrun Gleba: Reformpraxis und materielle Kultur. Westfälische Frauenklöster im späten Mittelalter (= Historische Studien; Bd. 462), Husum: Matthiesen 2000, 275 S., ISBN 3-7868-1462-7, DM 89,00

Aus: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde (46 (2001), S. 439f.)

Rezensiert von:
Dorothea Göhring

Die von Gudrun Gleba als Habilitationsschrift verfasste Untersuchung entstand vor dem Hintergrund der großen Dichte an Klöstern und Stiften in Westfalen. Im Blickfeld steht ein Ausschnitt der Klosterlandschaft, die westfälischen Frauenklöster in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Dabei möchte Gleba "Frauenklöster in ihrem gesellschaftlichen Umfeld im Rahmen der spätmittelalterlichen monastischen Reformen" betrachten und somit keinen expliziten Beitrag zur Historischen Frauenforschung leisten, stehen doch keine weiblichen Lebenszusammenhänge im Vordergrund.

Untersucht wurden neun Klöster der Diözesen Osnabrück, Münster und Paderborn. Den relativ kleinen Gemeinschaften ist gemein, dass sie, zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert gegründet, vornehmlich der Versorgung von adeligen Töchtern dienten. Teilweise waren es bereits Benediktinerinnenklöster, oder sie wurden im Laufe der Reformen benediktinischer Observanz unterstellt und damit in den Einfluss der Bursfelder Kongregation gebracht.

Die Notwendigkeit der Reformen sind in klosterinternen und allgemein politischen Entwicklungen zu suchen. Die in der Regel nur sehr schwache Ordensbindung der Frauenklöster hinterließ ihre Spuren, Missstände betrafen geistliche und gesellschaftliche Bereiche: Klausur wurde nicht gehalten, Gottesdienste u.a. aufgrund mangelnder Lateinkenntnisse nicht wie vorgeschrieben durchgeführt, die Beichte wurde nur unregelmäßig abgenommen, um nur wenige Punkte zu nennen. Zu konstatieren sind die Vernachlässigung der vita communis und die mangelnde Verwaltung der Klöster, was sich im Fehlen umfassender schriftlicher Zeugnisse widerspiegelt. Viele Klöster sahen sich nicht mehr in der Lage, ihrer Aufgabe als Versorgungsinstanzen der Frauen nachzukommen. Armut verursachte die Abhängigkeit von Spenden, Klostergebäude wurden vernachlässigt, usw.; all das zog die Abnahme der Ordensmitglieder nach sich.

Die Durchsetzung der Reformen gliedert Gleba in zwei Phasen:

1. Die formelle Einführung der Reform: Sei es, dass die Klosterreform auf Eigeninitiative herbeigeführt oder vom Bischof geboten wurde, die Reformgeschichte jeden Klosters ist jeweils eine individuelle. Gelegentlich waren mehrere Reformversuche notwendig. Eine Reform zog in jedem Fall personelle Veränderungen nach sich. Wie Gudrun Gleba feststellt, übernahm jeweils eine Reformäbtissin zumindest zeitweilig die Führung des Konvents, unterstützt durch eine Reformdelegation, um ein personelles Übergewicht zu erreichen. Besondere Regelungen wurden für reformunwillige Nonnen getroffen. Nach erfolgreicher Reformierung eines Klosters wurden aus diesem wiederum Frauen als Reformerinnen in zu reformierende Klöster entsandt, es kam zu regem Personalaustausch.

2. Umsetzung der Reformen im klösterlichen Alltag: Die Reform, als Neubeginn empfunden, zog die Neuordnung aller klösterlichen Lebensbereiche nach sich. Dieser langfristige Prozess äußerte sich nachhaltig insbesondere in der Reorganisation des Schriftgutes, Buch- und Rechnungsführung begannen wieder. Diese bilden die Grundlage der Forschungen von Gudrun Gleba. Durch die Analyse der sehr heterogenen Quellen arbeitet sie Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Reformen heraus. Beispielsweise wird die Konventgröße zu einem wichtigen Indikator für den Erfolg der Klosterreformen. Im darauffolgenden Vierteljahrhundert kam es teilweise zur Verdoppelung der Mitgliederzahlen. Aufgrund der neuen Attraktivität der Konvente traten insbesondere junge Frauen bei und absolvierten die übliche Laufbahn einer Nonne. Die meisten Klöster wurden allmählich auch für nicht adelige Frauen geöffnet - eine Anpassung an die sich verschiebende gesellschaftliche Gewichtung zugunsten des Bürgertums im Spätmittelalter.

Mit der Auswertung der neu angelegten Wirtschaftsbücher gelingt es Gudrun Gleba, einen Überblick über die klösterliche Haushaltsführung und damit über die wirtschaftlichen Erfolge der Reform zu erhalten. Dazu zählten auch zahlreiche Bautätigkeiten, die über reine Instandsetzungsarbeiten weit hinausgehen. Wie wichtig die Rückkehr der Nonnen zum strengen monastischen Leben war, zeigt der Anstieg an Stiftungen und Spenden nach der Reform - ein deutlicher Ausdruck der Anerkennung des neuen Erscheinungsbildes der Frauenklöster. Von der Reform profitierten nicht nur die Klöster selbst, sondern auch deren Umgebung, beispielsweise Handwerker und Händler, die zu Geschäftspartnern wurden.

Mit dem zusammenfassend für die Ergebnisse der Reformen auf allen Ebenen verwendeten Begriff der Integration zeigt Gudrun Gleba sehr deutlich, dass die Bedeutung der Frauenklöster zumindest nach den Reformen weit über den Versorgungszweck der Frauen hinausging und auch andere Teile der spätmittelalterlichen Gesellschaft betraf. Mit besagter Integration der am Rande der Ordensinstitutionen stehenden Frauenklöster stellt Gleba die durch die Reformen eingetretene Aufwertung dieser Klöster besonders in sozialen und gesellschaftlichen Bereichen dar.

Gudrun Gleba gelingt es, eine Forschungslücke zu schließen, die in erster Linie auf neu erschlossenen Quellen beruht. Diese sind im Anhang teilweise abgedruckt und ermöglichen dem Leser, das Gelesene in der Ausdrucksweise des Spätmittelalters nachzuvollziehen. Sie weist am Ende jedoch deutlich darauf hin, dass die Quellen insbesondere im Bereich der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, noch einigen Forschungsraum bieten.

Wie der Titel des Buches bereits vorwegnimmt, untersucht Gudrun Gleba materielle Kulturgüter, vornehmlich anhand von Haushalts- und Rechnungsbüchern. Mit der Auflistung von Nahrungs- und Arzneimitteln, Ausstattungsgegenständen, Löhnen u.v.a.m. gibt sie wertvolle Einblicke in die spätmittelalterliche Sachkultur und bietet damit auch dem Volkskundler eine empfehlenswerte Lektüre.

Empfohlene Zitierweise:

Dorothea Göhring: Rezension von: Gudrun Gleba: Reformpraxis und materielle Kultur. Westfälische Frauenklöster im späten Mittelalter, Husum: Matthiesen 2000, in: INFORM 2 (2001), Nr. 6, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=474>

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