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Ulrich Brohm: Die Handwerkspolitik Herzog August des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel (1635 - 1666). Zur Rolle von Fürstenstaat und Zünften im Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg (= Göttinger Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte; 21), Stuttgart: Franz Steiner 1999, 380 S., ISBN 3-515-07368-X, DM 134,95

Aus: Braunschweigisches Jahrbuch für Landesgeschichte (81 (2000), S. 280 f.)

Rezensiert von:
Christof Römer

Die vorliegende Arbeit zur Handwerkspolitik Herzog Augusts, des Erneuerers des Wolfenbütteler Fürstentums, ist eine 1996/97 angenommene Hamburger Dissertation, deren Referenten Prof. Dr. Arno Herzig und Prof. Dr. Rainer Wohlfeil gewesen sind. Mit Recht weist der Autor auf die bisher fast ganz fehlende Bearbeitung dieses Themas hin. Der Autor hat diese Lücke mit seinem umfänglichen und umsichtigen Werk geschlossen. Er hat die einschlägigen Akten der Zentralregierung wie der Städte, Ämter usw., eingeschlossen die Eigenüberlieferung der Gilden, sorgsam durchforscht, die Vorgänge in ihrer Relevanz klassifiziert und die Einzelvorgänge (ggf. mit den dokumentierten Konflikten) auf ein themenorientiertes Raster in seiner Darstellung verteilt. Dieses Vorgehen sichert seiner Arbeit dauerhafte Geltung, auch wenn spätere Bearbeiter vielleicht andere Präferenzen für die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Auswertung sehen sollten.

Der Verf. hat folgende Gruppierung seiner Darstellung gewählt: Einleitung, Voraussetzung landesherrlicher Gewerbepolitik, Durchsetzung obrigkeitlicher Aufsichtsbefugnisse gegenüber den Zünften, Regulierung der Märkte, Lockerung der Bedingungen für den Zugang zum zünftigen Handwerk, Ansiedlung fehlender Handwerker, Zulassung außerzünftiger Konkurrenten. Diese Themenkomplexe sind nach dem Grad der Konfliktträchtigkeit zwischen Regierung und Handwerkern gereiht, was insofern auch eine Chronologie bedeutet, da die Konflikte erst nach und nach ernsthafter im Laufe der Regierungszeit Herzog Augusts werden.

Im ganzen kann der Verf. mit einer diffizilen Beweisführung darlegen, dass der Herzog und seine Regierung den Grundsatz befolgten, die Ordnung nach den Kriegswirren in einer Art taktischer Allianz in Kooperation mit den Gilden wiederherzustellen, ohne dass natürlich irgendwelche Absprachen über Grundsätze erfolgten. Wohl aber ist die Wiederbegründung und Neugründung von Gilden, besonders im Falle von "Landesgilden", möglichst in gegenseitigem Einvernehmen geschehen. Die Gilden wurden von der Regierungsseite als Stabilisierungsfaktoren bewusst - wie die Analyse des Verf. ergibt - eingesetzt bzw. sogar instrumentalisiert. Zweifelsohne entspricht dieser indirekte Lenkungsstil in Verbindung mit fallweise durchexerzierten begrenzten Konflikten der Mentalität Herzog August d. J. Fürst und Regierung gingen gegenüber den Gilden in den Einzelkonflikten öfter Kompromisse ein, weil sie nicht frontal gegen gewisse Fixierungen im Bewusstsein der Handwerker vorgehen wollten.

Es wird aber auch deutlich durch die sorgsame Auswertung der Akten, dass die sogenannten Handwerkermissbräuche und die Vorbehalte gegen nichtehelich Geborene und gegen die Herkunft aus Familien "nichtehrlicher" Berufe von Anfang an regierungsseitig nicht akzeptiert wurden. Hier, beim Umgang mit dem Lebens- und Berufsschicksal, spielte eine Art praktischer Vernunft eine Rolle, so dass die Regierung eine moralische Position ausspielen konnte. Beim Problem der außerzünftigen Konkurrenten setzte der Fürst mit einigem Erfolg bei Personengruppen an, die ihm als Herrscher und durch den Hof besonders nahestanden, nämlich den Hofhandwerkern, den Soldatenhandwerkern, den Schutzjuden und den auf Stifts- und Amtsfreiheiten ansässigen Handwerkern. Die Obrigkeit hat aber nur in ihr günstig erscheinenden Einzelfällen und mit unterschiedlichen aus der Situation sich ergebenden Begründungen die Abwehrhaltung der Handwerker unterminiert. Dadurch ergibt sich, wie die vorliegende Arbeit sichtbar macht, scheinbar eine Art "Flickenteppich" in den Entscheidungen bzw. in der Lösung von Konfliktfällen.

Gegen Ende der Regierung Herzog Augusts geht die Regierung dann etwas rigoroser vor, was in diesem Buch nicht so deutlich artikuliert werden kann, weil der Verf. ja seine Thematiken stark aufgeteilt hat, so dass die chronologische Linie quer gelesen werden muss. Die beiden abschließenden Abschnitte über die Ansiedlung fehlender Handwerker und die Zulassung außerzünftiger Konkurrenten bringen eine gewisse Dramatik in die Entwicklung der Handwerkerpolitik. Die Gilden konnten sich dem Situationsdruck, der sich aus dem Fehlen von Handwerkern in bestimmten Berufen ergab, meist nicht entziehen, wenn sie nicht der Anwerbungspolitik des Herzogs entgegen arbeiten wollten; sie mussten in den Konditionen Nachlässe machen. Dafür verlangten und erhielten sie von der Regierung in der Regel die Zusicherung, dass die alten "Standards" in besserer Zeit wieder angewendet würden.

Empfohlene Zitierweise:

Christof Römer: Rezension von: Ulrich Brohm: Die Handwerkspolitik Herzog August des Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel (1635 - 1666). Zur Rolle von Fürstenstaat und Zünften im Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg, Stuttgart: Franz Steiner 1999, in: INFORM 3 (2002), Nr. 1, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=488>

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