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Christoph Böhm: Die Reichsstadt Augsburg und Kaiser Maximilian I. Untersuchungen zum Beziehungsgeflecht zwischen Reichsstadt und Herrscher an der Wende zur Neuzeit (= Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg; Bd. 36), Stuttgart: Thorbecke 1998, 436 S., 44 Abb., ISBN 3-7995-0540-7, € 39,88

Aus: Württembergisch Franken (85 (2001), S. 495-497)

Rezensiert von:
Herbert Kohl

Augsburg war an der Schwelle zur Neuzeit nicht nur eine bedeutende Reichsstadt, sondern auch ein Zentrum der Reichspolitik, sozusagen die zweite Hauptstadt des Reiches. Die großen Reichstage dieser Zeit, aber auch die zahlreichen Herrscherbesuche, legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Maximilian I., auch bekannt als der "letzte Ritter", hielt sich allein 1037 Tage in der Stadt auf, was ihm, so ein Chronist, den eher scherzhaften Beinamen "Bürgermeister von Augsburg" einbrachte. Das Verhältnis zwischen Stadt und Herrscher trägt die typischen Züge einer Komplementärbeziehung: volle Kassen auf der einen, chronischer Geldmangel auf der anderen Seite, wirtschaftliche Interessen, vor allem an funktionierenden Handelsbeziehungen einerseits, die reichs- und außenpolitische Machtfülle andererseits, und nicht zuletzt das wachsende Geltungsbedürfnis einer Kaufmannsstadt, die nur allzu bereit war, sich mit dem glanzvollen Auftreten einer aufstrebenden Herrscherfamilie zu schmücken.

Die Fragen nach dem vielfältigen und oft subtilen Beziehungsgeflecht zwischen Kaiser Maximilian und seiner Lieblingsstadt stehen im Mittelpunkt der Studie, die im Jahr 1995 von der Ludwig-Maximilians-Universität in München als Doktorarbeit angenommen wurde. Es ist die Geschichte einer großen Liebe. Doch war es, wie so oft im Leben, keine Liebe auf den ersten Blick, wie Maximilians Verhalten im so genannten Domkapitelstreit (1484-1491) zeigt. Als Mitregent seines Vaters Friedrichs III. stellte er sich in dieser Auseinandersetzung auf die Seite des Papstes - gegen die Interessen der Augsburger Bürgerschaft. Zu einem Bund zwischen Herrscher und Stadt kam es erst, als es darum ging, sich gemeinsam gegen das Vordringen der Wittelsbacher zu wehren, sei es in territorialen Streitigkeiten, wie in der 1492 erfolgten "Rücklösung" der Markgrafschaft Burgau, oder wenn es galt, einen Prätendenten auf den Augsburger Bischofssitz aus dem Hause Wittelsbach von selbigem fern zu halten. Die Angst der Augsburger vor einer "bayrischen Umklammerung" machte beide, Stadt und Herrscher, zu natürlichen Verbündeten. So wurde aus der Zweckallianz Zuneigung und später Liebe.

Die Besuche des Königs bzw. (ab 1508) Kaisers stellten hohe Anforderungen an das organisatorische und logistische Leistungsvermögen der Lechmetropole. Es waren gesellschaftliche Großereignisse, die nicht zuletzt der Imagepflege der Beteiligten dienten. So kam es vor, dass Maximilian mit 250 Pferden und dem entsprechenden Gefolge anreiste. Vor den Toren der Stadt legte er seine Prunkgewänder an und wurde sodann von einer Gesandtschaft des Rats mit Pauken und Trompeten begrüßt. Unter einem Traghimmel geleitete man ihn in die Stadt, wo er in der Regel in der bischöflichen Pfalz Quartier bezog. Am nächsten Tag wurde er vom Rat mit Geschenken (Geld, Ochsen, Hafer, Rheinwein usw.) überhäuft. Danach nahm er den Treueid der Bürgerschaft entgegen. Da Herrscherbesuche Volksfeste waren, begannen nun die Lustbarkeiten: Tanzveranstaltungen, Festgelage, Jagden - Maximilian war selbst begeisterter Jäger - und bürgerliche Wehrübungen, wie Bogen- und Armbrustschießen. Nicht fehlen durften die Ritterspiele, die eigentlich schon aus der Mode gekommen waren, von Maximilian aber neu belebt wurden.

Wichtiger als diese Formen der Kontaktpflege waren freilich die politischen Beziehungen. Auch in dieser Hinsicht war Augsburg für Maximilian von besonderer Bedeutung: Auf dem Reichstag des Jahres 1500 wurde er von den Ständen praktisch entmachtet, eine schwere Niederlage, von der er sich erst Jahre später wieder erholte. Dabei war Maximilian, der im Volksglauben bekanntlich als Erfinder eines Strategiespiels namens "Tu felix Austria nube" gilt, alles andere als friedfertig. Vor allem in der zweiten Hälfte seiner Regentschaft war er wiederholt in Kriegshändel und andere Streitigkeiten verwickelt, hauptsächlich in Norditalien, wo sich das stolze Venedig als hartnäckiger Störenfried erwies. Die Stadt Augsburg, ohnedies ein verlässlicher Steuerzahler, erfüllte die Darlehensforderungen des Kaisers, die so genannten "Reichsanschläge", ohne zu murren. Das Abschneiden der Handelsverbindungen mit dem Orient, aus dem die begehrte Baumwolle kam, hätte das Wirtschaftsleben der Lechstadt ins Mark getroffen. Jakob Fugger nutzte diese Gelegenheit übrigens, um sich vom Kaiser in den Adelsstand erheben zu lassen, nur ein Symptom einer in mannigfacher Hinsicht symbiotischen Beziehung.

Potenzielle Interessenten seien darauf hingewiesen, dass der Lustgewinn beim Lesen dieses Buches sich in Grenzen hält. Zwar geht der Verfasser nach den fachlogischen Erfordernissen seiner Disziplin vor, doch frönt er einer Liebe zum Detail, die es dem Leser bisweilen schwer macht, Anschluss und Überblick zu behalten. Hier leisten die Zusammenfassungen am Schluss der einzelnen Kapitel gute Dienste. Ein wenig enttäuscht nimmt der Leser am Ende zur Kenntnis, dass die vollmundigen Versprechungen des Klappentextes (wieder einmal) unzureichend eingelöst wurden. Dort wird Maximilian wie folgt charakterisiert: "ein echter Bürgerfreund, ein Herrscher zum Anfassen, ein großzügiger Gastgeber, ein guter Christ, ein wackerer Kriegsheld, ein wahrer Ritter und auch Verehrer weiblicher Schönheit". Ohne nun einer Personengeschichte das Wort reden zu wollen: Maximilian als Mensch aus Fleisch und Blut - diesem Anspruch wird das Buch nicht gerecht. Zu sehr bleibt der Kaiser Funktionsträger geschichtsmächtiger Kräfte. Am wenigsten, nämlich nichts, erfährt der Leser über den letztgenannten Aspekt. Ein Verehrer weiblicher Schönheit - was hätte man daraus nicht alles machen können. Sollte es es am Ende doch so sein, dass sich die Arbeit eines deutschen Doktoranden mit den magischen Kräften weiblicher Schönheit nicht vereinbaren lässt?

Empfohlene Zitierweise:

Herbert Kohl: Rezension von: Christoph Böhm: Die Reichsstadt Augsburg und Kaiser Maximilian I. Untersuchungen zum Beziehungsgeflecht zwischen Reichsstadt und Herrscher an der Wende zur Neuzeit, Stuttgart: Thorbecke 1998, in: INFORM 3 (2002), Nr. 2, URL: <http://www.sehepunkte.de/inform/reviews.php?id=501>

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