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Friedrich Edelmayer (Hg.): Hispania-Austria II. Die Epoche Philipps (1556-1598) / La época de Felipe II (1556-1598) (= Studien zur Geschichte und Kultur der iberischen und iberoamerikanischen Länder - Estudios sobre historia y cultura de los países ibéricos e iberoamericanos; Bd. 5), München: Oldenbourg 1999, 351 S., ISBN 3-486-56467-6, DM 79,00

Rezensiert von:
Heinrich Lang
Bamberg

Der Sammelband "Hispania-Austria II" ist die fünfte Publikation in der von Friedrich Edelmayer mit Alfred Kohler und José Carlos Rueda Fernández 1993 begründeten Reihe "Studien zur Geschichte und Kultur der iberischen und iberoamerikanischen Länder - Estudios sobre historia y cultura de los países ibéricos e iberoamericanos". Zehn - qualitativ recht unterschiedliche - Aufsätze befassen sich vornehmlich mit den Beziehungen zwischen der österreichisch-kaiserlichen und der spanisch-königlichen Linie des Hauses Habsburg während der Regierungszeit Philipps II.. Die hierbei wohl wichtigste Quelle, auf die alle Autorinnen und Autoren der Aufsatzsammlung zurückgreifen, ist die Korrespondenz der österreichischen ständigen Gesandten Adam von Dietrichstein (1564 bis 1573 am Hofe Philipps, sein Briefwechsel mit Ferdinand I. und Maximilian II. liegt für die Zeit von 1563 bis 1565 im dritten Band der Reihe ediert vor (Wien/München 1993)), und Johann Khevenhüller (von 1574 bis 1606 in Spanien) mit dem Kaiser. So nimmt es nicht wunder, wenn ein Gutteil der Autorenschaft am Projekt zur "Edition der Korrespondenz der Kaiser mit ihren Gesandten in Spanien" mitwirkt, was erfreulicherweise auch jüngere Wissenschaftler einschließt.

Peer Schmidt untersucht eingehend das Bild Philipps II. im Reich zu seinen Lebzeiten und in der deutschen Historiographie. Seine Untersuchung befaßt sich mit dem Bild Karls V. vor dem Hintergrund des protestantisch-katholischen Gegensatzes. Schmidt bedient sich vor allem zahlreicher Flugblätter sowie der herzoglich-kurfürstlichen Korrespondenz Moritz von Sachsens. Die Wahrnehmung Philipps, der als Thronfolger Karls zunächst durchaus positiv gesehen wurde, wird im Reich stark durch niederländische Emigranten beeinflusst. Mit Buchpublikationen reagieren die Spanier auf ihr Negativbild, das sich aus den topologischen Komponenten der Rezeption des spanischen Anspruchs auf Universalmonarchie, der Inquisition, der in ganz Europa aufmarschierenden spanischen Söldnerheere und des mittels ihres Goldes korrumpierenden Auftretens der Spanier zusammensetzt. Schmidt kommt darüber hinaus zu der bedrückenden Feststellung, dass Philipp über Jahrhunderte für die deutsche Geschichtsschreibung wesentlich ein Fremder geblieben ist.

In seinem Aufsatz analysiert Peter Reuscher die kaiserlich-österreichische Reaktion auf die Niederlandepolitik Philipps und liefert somit einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über Einheit und Interessendivergenz in der Casa de Austria, indem er das innerdynastische Krisenmanagement darstellt. Strukturell besonders augenfällig ist seit dem Wechsel des Kaisertitels nach Österreich, dass eine Zone sich überlappender Interessen zwischen beiden Habsburger Linien erscheint, die topographisch der 'spanischen Straße' entspricht, mit dem besonderen Problem der Niederlande. Die diversen, von Reuscher zu Rate gezogenen Gesandtenkorrespondenzen belegen die - auch durch Sondergesandtschaften vorgetragenen und letztlich vergeblichen - Beschwichtigungsversuche Maximilians II., die Rudolf II. fortzusetzen sucht.

Friedrich Edelmeyer beschreibt quellengesättigt das soziale Netzwerk der kaiserlichen Gesandten um Philipp II., vornehmlich mit Blick auf die Briefe Adam von Dietrichsteins und Johann Khevenhüllers. Die Mitglieder des Hofes werden durch die Korrespondenzen nicht tatsächlich sichtbar, vielmehr erkennt man die schrittweise Akkulturation des Gesandten und schließlich an Ehen, etwa Adam von Dietrichsteins mit der aragonesischen Hochadligen Margarita de Cardona, oder an der Aufnahme in Ritterorden, z.B. Khevenhüllers in den Orden vom Goldenen Vlies, ein soziales Netz, das allerdings am Hof selbst empfindlich fraktioniert ist. Ein Teil des Netzwerks Khevenhüllers brach am 9. Mai 1578 weg, als er mit dem unnachgiebigen Duque de Alba y Almazán über die Niederlande verhandelte und sich mit ihm überwarf. Das Tagebuch Khevenhüllers zeigt den österreichischen Botschafter bei Treffen mit kastilischen Adligen in diplomatischer Mission oder etwa bei Kondolenzbesuchen. Nicht zuletzt wurde Khevenhüller von italienischen Botschaftern aufgesucht, die danach trachteten, den Repräsentanten ihres Lehnsherrn zu treffen. Edelmeyer konzentriert sich auf die alltags- und sozialhistorische Seite der frühneuzeitlichen Mikropolitik.

Arno Strohmeyer liefert eine kommunikationsgeschichtliche Analyse der Beziehung zwischen den österreichischen und spanischen Habsburgern, wobei er Modus, Dauer und Routen der Beförderung von Korrespondenzen untersucht. Dabei stellt sich heraus, dass die Krise der ordinari-Post im späten 16. Jahrhundert durch kaiserliche sowie spanische Beförderungssysteme kompensiert wird. Im gesamten Untersuchungszeitraum bleiben diverse, von finanziellen und interessenpolitischen Faktoren abhängige Beförderungssysteme der verschiedenen Diplomaten nebeneinander bestehen. Man bevorzugt allen Widrigkeiten zum Trotz (ein feindlich gesonnenes Frankreich, Überfälle) den Landweg gegenüber dem Seeweg, ohne dass sich nur eine Standardroute hätte durchsetzen können. Zwar nehmen die Überbringungszeiten aufgrund der Etablierung von Stafetten ab, die mangelhafte Organisation der Kommunikation zwischen beiden Höfen indes ermöglichte taktische Verzögerungen, etwa als Philipp von 1562 bis 1568 die Verhandlungen über eine dynastieinterne Verheiratung Don Carlos' gezielt verschleppte. Strohmeyer nutzt aber die Ergebnisse seiner Studie nicht wirklich, um Kommunikationsgeschichte als "hochpolitische Angelegenheit", in der sich "überregionale Integrations- und Separationsprozesse" spiegeln (111), systematisch mit der Geschichte eines staatlichen Formierungsprozesses oder der medientheoretisch aufbereiteten Politikhistorie zu verknüpfen. Zudem sind die graphischen Darstellungen etwas grobmaschig geraten.

Elisabeth Schoder berichtet anhand der Briefbücher Khevenhüllers von den Reaktionen auf die Reise der Kaiserin Maria nach Spanien 1581/82, als die Witwe Kaiser Maximilians II. in das Kloster Descalzas Reales in Madrid einzutreten gedenkt. Die Episode ihrer Unternehmung wirft ein enthüllendes Licht auf die Disposition der habsburgischen Erblande und der spanischen Seite im Gegensatz zu den prächtigen Empfängen im norditalienischen Lehnsgebiet (z.B. in Vicenza am 28. September 1581). Als besonders problematisch hingegen erweist sich die aufgrund widriger Wetterlagen mehrmals verschobene Überfahrt von Genua nach Barcelona, zumal aus Kostengründen eine Überwinterung Marias abgelehnt wird.

Mit den Nachrichten eben über Wetterlagen, wie sie sich in den Berichten Johann Khevenhüllers finden, beschäftigt sich Franz Halbartschlager. Die jährliche Korrespondenz Khevenhüllers von 35 bis 40 Briefen (mit etwa 85 bis 90 Blättern) enthält je sechs bis acht Hinweise auf klimatische Besonderheiten - wobei es sich nicht um klimahistorische proxy data handelt. Wetterbeobachtungen macht Khevenhüller insbesondere im Zusammenhang mit Reisen und militärischen Vorkommnissen. Beschwerliche Unwetter oder heftige Regenfälle behindern wiederholt die aufwendigen und auf die jeweiligen Witterungsbedingungen abgestimmten Übersiedlungen des königlichen Hofes zwischen den um Madrid verteilten Residenzen. Ausgeprägte Trockenheit oder längere Hitzeperioden werden von Khevenhüller als Bedrohung für die Landwirtschaft mit erheblichen sozioökonomischen Folgen beschrieben.

Renate Pieper widmet sich der "Mittlerrolle" (223) der Gesandten als Vermittler von Exotica und Luxusgütern. Keineswegs nur Kaufleute sind gehalten, die ausgeprägte Nachfrage nach natürlichen oder artifiziellen Luxusgütern vor allem aus den Kolonien zu befriedigen. Bis ins 17. Jahrhundert hinein erreichen diese Dinge vornehmlich über Portugal und Spanien - mit Konzentration auf den Madrilenischen Hof - Europa. Kriterium für die Attraktivität dieser Dinge ist weniger ihre Herkunft als vielmehr ihr Preis oder ihre Fremdartigkeit.

Anschließend konkretisiert Maria Stieglecker die konkreten Aufgaben des kaiserlichen Gesandten bei Erwerb und besonders Verfrachtung von Luxusgütern. An vorderster Stelle stehen spanische Pferde, die die Gesandten vorschießend bezahlen und deren heiklen Transport sie vorzugsweise über den Landweg organisieren müssen. Die aus Kolonien importierten Bezoaren (bizarr geformte Magensteine von Tieren, die man auch, zu Pulver verarbeitet, als Medizin verwendete) ließ man durch Kuriere oder gar die ordinari-Post transportieren. Für die sogenannten Kaiserstatuen entwickelten sich Transportunternehmen.

Besonders hervorzuheben ist der spanischsprachige Aufsatz Fernando Bouzas, der den Buchbesitz Francisco Hurtado de Mendozas, des Marqués de Almazán y Conde de Monteagudo, vorstellt. Das spezielle kulturelle Ambiente eines kastilischen Hochadligen, der lange im Dienst der Monarchie stand und als Gesandter zu Maximilian II. reiste, wird sichtbar. Das von Bouza edierte Inventar mit über 300 Einzelposten von 1591 (auf den Seiten 280 bis 301 werden meist Autor und Titel der Bücher aufgelistet) bezeugt die insgesamt römisch-konfessionelle Ausrichtung eines insgesamt allerdings weder auffällig umfangreichen oder wertvollen Buchbestandes. Zahlreiche Marginalia in den Büchern lassen Francisco Hurdato de Mendoza als Kenner der religiösen Literatur der nachtridentinischen Zeit erscheinen, der auch mit Kaiser Maximilian über theologische Probleme disputierte. Deutlich wird die Verbindung von Büchern und der Karriere eines Mannes, der sich als ausgesprochener Kenner theologischer Werke erweist. Buoza leistet einen sehr guten Beitrag zum gewiss persönlich besonders geprägten Leseverhalten eines spanischen Hochadligen zwischen Wissensvermittlung, Lesevergnügen und Repräsentationsbedürfnissen. Sehr nützlich ist ein spezieller Index im Anschluss an diesen Aufsatz.

Abschließend befasst sich Gabriela Betz mit bildlichen Darstellungen des Don Carlos als eines 'sichtbaren' Zeugen der Rolle des Infanten zu Hofe. Allerdings werden dem Leser Abbildungen vorenthalten. Bemerkenswert ist die Entwicklung, die durch zwei Porträts des Hofmalers Alonso Sánchez Coello charakterisiert wird: 1555 wird Don Carlos als debiles Kind und ´Herculier´ zugleich eingeführt, in deutlichem Kontrast dazu erschient 1564 der körperlich geschönte Don Carlos (im Widerspruch zu den Beschreibungen Adam von Dietrichsteins). Carlos selbst gibt ein idealisierendes Werk bei Sofoniba Anguissola (1567) in Auftrag. Die Bilder und Dietrichsteins Schilderungen, so schlussfolgert Gabriela Betz, zeigen entgegen gängiger Klischees mitnichten einen Schwächling oder einen moralischen Strolch - auch keineswegs das Bild, das durch die "Leyenda Negra" nachhaltig bestimmt wurde. Vielmehr lebte Don Carlos im Spannungsfeld eigener - und zugleich von seiner höfischen Umgebung aufgebauter - unerfüllter Erwartungen als Thronfolger und des unglücklichen Verhältnisses zu seinem Vater.

Als übergreifendes Fazit lässt sich festhalten, dass es den Autorinnen und Autoren gelingt, einer an Schrifttum und Forschungserträgen ausgesprochen reichhaltigen Epoche ohne weiteres neue Interessenfelder für die Historiographie zu eröffnen. Generell darf man sich zu wichtigen Quellen, wie im vorliegenden Fall den diplomatischen Korrespondenzen, häufiger vergleichbare Kompendien wünschen, die verschiedene Dimensionen und Interpretationsansätze ausleuchten. Die Aufsätze in deutscher Sprache haben jeweils ein spanisches Resümee, der einzige in spanischer Sprache erfährt eine deutsche Zusammenfassung. Ein Personen- und Ortsregister rundet ein bequem zu handhabendes Sammelwerk ab.

Empfohlene Zitierweise:

Heinrich Lang: Rezension von: Friedrich Edelmayer (Hg.): Hispania-Austria II. Die Epoche Philipps (1556-1598) / La época de Felipe II (1556-1598), München: Oldenbourg 1999, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 2, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=101>

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