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Wolfgang Reddig: Bürgerspital und Bischofsstadt. Das Katharinen- und das St. Elisabethenspital in Bamberg vom 13.-18. Jahrhundert. Vergleichende Studie zu Struktur, Besitz und Wirtschaft (= Spektrum Kulturwissenschaften; Bd. 2), Bamberg / Frankfurt an der Oder: scrîpvaz 1998, 458 S., ISBN 3-931278-11-5, DM 39,80

Rezensiert von:
Horst Gehringer
Stadtarchiv München

Die vorliegende Arbeit beschreibt die vielfältig verflochtenen Beziehungen des St. Katharinenspitals (gegr. 1203) und des St. Elisabethenspitals (gegr. 1328) in Bamberg in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Für die Bamberger Stadtgeschichte stellte der Gegensatz zwischen Kommune und geistlicher Stadtherrschaft ein kennzeichnendes Charakteristikum dar. Dies führte zur Ausprägung von Immunitätsbezirken um die fünf Stiftskirchen mit einer eigenen verfassungsgeschichtlichen Entwicklung neben der eigentlichen Stadt, die ihrerseits mit dem Bischof einen geistlichen Stadtherrn hatte. Eingebettet in dieses komplizierte Gefüge existierten die Spitäler als die größten Grundherren mit enormer Wirtschafts- und Kapitalkraft neben Bischof und Domkapitel unter der Oberaufsicht des Stadtrates. Diese kommunale Stellung wurde unter den Vorzeichen des frühmodernen absolutistischen Staates schrittweise zugunsten einer verstärkten Einflußnahme des fürstbischöflichen Landesherrn zurückgedrängt, ehe die beiden Spitäler schließlich 1738 zusammengelegt wurden und ihre Eigenständigkeit verloren. Nach der Säkularisation von 1803 erfolgte die Etablierung als Stiftung "Bürgerspital", die bis heute als Altersheim Bestand hat.

Reddigs Arbeit, die als Dissertation in Bamberg 1995 angenommen und mit Ergänzungen bis zum Stand von 1998 fortgeführt wurde, hat einerseits die Spitalgeschichte von der mittelalterlichen Caritas bis hin zur Wohlfahrtspolitik des neuzeitlichen Staates zum Gegenstand. Andererseits schließt die Arbeit eine Lücke in der Geschichte des bürgerlichen Bamberg bezüglich der Gründungsgeschichte der beiden Anstalten, ihrer Etablierung im bereits existierenden Kreis kirchlicher Einrichtungen und ihrer Besitzgeschichte. Die Verwaltungsgeschichte der beiden Spitäler, ihre Haushalts- und Wirtschaftsführung, die Ausübung von gerichts- und grundherrschaftlichen Funktionen mit ihrer in der Neuzeit zu beobachtenden verwaltungsmäßigen Verdichtung sowie die personale Zusammensetzung des Spitalpersonals und seine Beziehungen innerhalb der Stadt Bamberg werden dabei ebenso dargestellt wie Aspekte des Alltags der Spitalinsassen. Beide Institutionen wurden von Bürgern der Stadt Bamberg gestiftet und ausgestattet und stehen damit in einer allgemein zu beobachtenden Entwicklung, die durch das prosperierende Städtewesen im 13. Jh. zu einer Kommunalisierung der Versorgung Alter und Kranker, einer ursprünglich kirchlichen Aufgabe, führte. Bis zum Beginn der Frühen Neuzeit wurde dieser Funktionsbereich geradezu zu einem Wesensmerkmal einer Stadt. Dieser bereits von Reicke (Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter, Stuttgart 1932, Nachdruck Amsterdam 1970) als Verbürgerlichung bezeichnete Vorgang gegenüber den von ihrer Entstehung her zumeist geistlich dominierten Fürsorgeeinrichtungen wird auch in der neueren Spitalforschung betont (zuletzt von Knefelkamp, in: Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800, hrsg. v. Peter Johanek, Köln u.a. 2000). Über Spitalpfleger und Spitalmeister übte der Rat auch in Bamberg seine Aufsichtsfunktion über diese Institution aus, die dazu führte, dass die Zielgruppe städtischer Fürsorge sich auf die Bürger der eigenen Stadt beschränkte. Zur Motivation dieser Amtsträger aus der kommunalen Oberschicht gehörten politische Kontroll- und Einflußmöglichkeit ebenso wie Prestigedenken. Die zunehmend kommerzialisierte Funktion durch das Pfründesystem, das heißt Einkauf Unterbringung, Verpflegung und Betreuung durch Dritte, bestimmte die Aufgaben der beiden Bamberger Spitäler und überlagerte den Gedanken eines Sozialasyls, also der Fürsorge für bedürftige, aber minderbemittelte Randgruppen der Gesellschaft. Durch den durchaus sozial abgestuften Einkauf in die Spitäler gelangten beide Institutionen in den Besitz erheblichen Kapitals, umfangreichen Grundbesitzes sowie von Renten aus Liegenschaften und konnten daher ihrerseits wiederum als Kreditgeber fungieren.

Mit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges verschärfte sich die Situation im Fürsorgewesen gravierend. Auch wenn die landesherrliche Einflußnahme auf die beiden Spitäler durch die Bamberger Fürstbischöfe zunahm und den kommunalen Einfluß bis ins 18. Jh. hinein immer weiter zurückdrängte, blieb das Spital der entscheidende Faktor öffentlicher Fürsorge in Bamberg. Auf der Basis intensiver Quellenstudien der gerade im 16. Jh. zunehmenden Fülle von Unterlagen aus der Verwaltung der Spitäler sowie insbesondere der in der zweiten Hälfte des 15. Jhs. einsetzenden Rechnungsüberlieferung zeichnet Reddig ein aussagekräftiges Bild. Detailliert wird nachgewiesen, wie sich Besitz und grundherrschaftliche Struktur der beiden Spitäler, die 1738 vereinigt und am Standort des größeren Katharinenspitals in der Inselstadt zentralisiert wurden, entwickelten. In beiden Fällen war die Tendenz bis in das 18. Jahrhundert hinein von einem steten Rückgang geprägt, ohne jedoch die Stellung beider als bedeutendste Grundbesitzer im Bereich östlich der Regnitz in Frage zu stellen. Reddigs mit großer Sorgfalt durchgeführte Analyse des überlieferten Rechnungsschriftgutes beider Anstalten zeigt, wie aufschlussreich dieser gewiss mühsame Weg sein kann. So lassen sich etwa aus der Auflistung der Erbzinsen bei beiden Spitälern die Kapitalbeziehungen zu Privatpersonen und Institutionen Bambergs und damit die spezifische Bamberger Verfassungstopographie mit ihrem Nebeneinander verschiedener Rechtsträger erkennen. Teuerungsphasen und Kriegszeiten finden dabei ebenso ihren Niederschlag wie die Autarkie der Spitäler bei der Versorgung der Pfründner mit bestimmten Produkten, etwa bezüglich der Getränke und des Getreides, oder umgekehrt in bezug auf den erhöhten Finanzbedarf für den Zukauf von Fleisch und Fleischprodukten. Neben dem eigentlichen Zweck, der Versorgung der Pfründner, wird auch die Rolle der Spitäler als Arbeit- und Auftraggeber deutlich, ablesbar an den seit der Mitte des 16. Jahrhunderts kontinuierlich ansteigenden Lohnkosten oder der Entwicklung der Kosten für Dienstleistungen aus dem ortsansässigen und ländlichen Handwerk und Gewerbe, um hier nur einzelne Bereiche der detaillierten Ergebnisse Reddigs anzudeuten.

Das ausführliche Quellen- und Literaturverzeichnis sowie die Ämterlisten im Anhang vermitteln Anregungen für weitergehende Forschungen. Reddigs Arbeit verdeutlicht exemplarisch den Wandel der Idee der Sozialfürsorge von einer geistlichen hin zu einer kommunalen Einrichtung, die schließlich im 17. und 18. Jh. zunehmend dem Einfluß des (früh-)absolutistischen Staates unterlag. Einziger Kritikpunkt an diesem Buch ist die Gestaltung des Satzspiegels, bei dem ein professionelleres Vorgehen des Verlags wünschenswert gewesen wäre, da allein durch die Ausdehnung des Textes mit kleinsten Rändern, zum Teil bis in den Bundsteg hinein, die Lesbarkeit erheblich leidet. Unabhängig von diesem äußerlichen Mangel behandelt das Buch für die Stadtgeschichte Bambergs ein wichtiges sozialgeschichtliches Kapitel. Unter Fürstbischof Franz Ludwig von Erthal sollte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Sorge um Arme und Kranke wieder aufgegriffen werden, dann freilich unter den Vorzeichen einer aufgeklärt-absolutistischen Sozialpolitik.

Empfohlene Zitierweise:

Horst Gehringer: Rezension von: Wolfgang Reddig: Bürgerspital und Bischofsstadt. Das Katharinen- und das St. Elisabethenspital in Bamberg vom 13.-18. Jahrhundert. Vergleichende Studie zu Struktur, Besitz und Wirtschaft, Bamberg / Frankfurt an der Oder: scrîpvaz 1998, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 2, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=110>

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