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Michael Busch: Absolutismus und Heeresreform. Schwedens Militär am Ende des 17. Jahrhunderts (= Europa in der Geschichte; Bd. 4), Bochum: Winkler 2000, 240 S., ISBN 3-930083-58-2, DM 89,50

Rezensiert von:
Max Plassmann
Universitätsarchiv, Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf

Man muss nicht unbedingt ein intimer Kenner der nordischen Geschichte sein, um zu erkennen, dass sich der Wert von Buschs Arbeit vor allem darauf beschränkt, dem des Schwedischen unkundigen deutschen Leser ein Referat älterer und neuerer schwedischer Historiographie und einiger Quellenbestände zur Verfügung zu stellen.

Busch widmet sich in seiner Rostocker Dissertation von 1998 der Durchsetzung des Absolutismus und der Einrichtung des sogenannten Einteilungswerkes durch den schwedischen König Karl XI. Dieser konnte den Einfluss des Adels unter anderem durch die sogenannten Reduktionen, die Einziehung von Gütern, und durch geschicktes Taktieren stark zurückdrängen. Er machte sich im Militärwesen vom Bewilligungsrecht des fortan unbedeutenden Reichstages unabhängig, indem er den Bauern im Einteilungswerk die Stellung von Soldaten zur Pflicht machte. Eine bestimmte Zahl von Bauern hatte nun gemeinsam, einen Infanteristen zu unterhalten, dem ein Haus in der Nachbarschaft als Wohnsitz zugewiesen wurde. Auch die Offiziere erhielten Wohnsitze im Bezirk ihres Regiments, so dass die Armee im Frieden über das ganze Land verteilt lebte und sich nur zu den regelmäßig stattfindenden Übungen und Musterungen versammelte.

Buschs Arbeit zerfällt in drei Teile, die nur lose miteinander in Verbindung stehen. Zunächst beleuchtet er im Stil eines Handbuchs weitgehend, ohne eigene Forschungen das Phänomen der Untertanenbewaffnung allgemein und in Schweden im besonderen, die Person Karls XI., seine Politik, die internationale Lage im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts und die Ereignisse, die zur Einführung des Einteilungswerks führten. An diesem Teil ist zwar manche Kritik im Detail zu üben, aber insgesamt gelingt es Busch, das Wesentliche zuverlässig zusammenzufassen. Das gilt auch für den folgenden, kürzeren Teil, in welchem die praktische Umsetzung sowie die normativen Grundlagen des Einteilungswerks präsentiert und mit einigen Beispielen illustriert werden.

Am Ende steht der Teil, der nach dem ursprünglichen Titel der Dissertation ("... am Beispiel der Infanterie in Södermanland", 9) eigentlich ihr Kernstück darstellen müsste, tatsächlich aber zum schwächsten Part geraten ist. Es handelt sich um eine exemplarische Fallstudie zur Einführung des Einteilungswerks in der Landschaft Södermanland südwestlich von Stockholm. Hier wäre nach der bisherigen Forschungslage der größte Gewinn zu erwarten gewesen, und hier stützt sich Busch auch in hohem Maße auf eigene Quellenstudien. Indes deutet schon der Umstand der Begrenzung dieses Teils auf nicht einmal vierzig Seiten darauf hin, dass der Leser hier keineswegs eine intensive Durchdringung der Problematik erwarten kann, sei es in Anlehnung an mikrogeschichtliche Methoden, sei es in Durchführung einer umfassenden quantitativen sozialhistorischen Untersuchung oder sei es unter Nutzung irgend eines anderen modernen Forschungsansatzes. Streckenweise erinnern die Ausführungen an Regimentsgeschichten des 19. Jahrhunderts, als fleißige Offiziere alle auffindbaren Quellen zusammentrugen und akribisch dem Leser jedes greifbare Detail über ihr Regiment mitteilten. Nur selten kommt Busch darüber hinaus. Es werden viele Namen, Daten und Schreiben von untergeordneter Bedeutung präsentiert, die vielleicht in einem Werk von 400 Seiten ihren Platz gehabt hätten, nicht aber in einem so kurzen Aufriss. Das allgemeine Interesse an den Namen der vier Schalmeibläser des Södermanland-Infanterieregiments (172) wird sich jedenfalls in engen Grenzen halten (sie fehlen dann auch im Personenregister). Einige eingestreute Tabellen sollen wohl den Anschein quantitativer Forschungen erwecken, doch welchen tieferen Aussagewert haben die drei Tabellen mit jeweils nur einer Zeile, aus denen hervorgeht, dass die Mannschaftsstärke der acht Kompanien in den Jahren 1683 bis 1685 zwischen 141 und 146 schwankte (170 f.)? Lieber als über solche völlig normalen Fluktuationen hätte man etwas über die wirtschaftliche Situation von Bauern und Soldaten erfahren, über das wechselseitige Verhältnis oder über die Handlungsspielräume, die die Landbevölkerung gegenüber der Krone dadurch gewinnen konnte, dass diese auf ihre Mitarbeit angewiesen war.

Wenig befriedigen können dann auch verschiedene Thesen Buschs, soweit sie denn überhaupt auf eigenen Forschungen beruhen und nicht aus der älteren Literatur kompiliert wurden. Es seien nur einige Beispiele angeführt. Für ein von der Oestreich-Stiftung gefördertes Werk ist es vielleicht Pflicht, Karl XI. als sozialdisziplinierenden Herrscher zu beschreiben (131, 205). Doch abgesehen davon, dass jeder Verweis auf die neuere Diskussion um das Konzept der Sozialdisziplinierung fehlt, macht Busch noch nicht einmal den Versuch, die Wirkungen und Methoden der Untertanenkontrolle in der Praxis zu beschreiben. Eine Diskussion des Absolutismusbegriffes sucht man ebenfalls vergebens.

Zu hinterfragen ist auch die These, beim Einteilungswerk habe es sich um eine modifizierte Form der "Untertanenbewaffnung" (11, 205) gehandelt. Die Reform Karls XI. zielte doch gerade darauf ab, die Bauern von der noch im Dreißigjährigen Krieg praktizierten persönlichen Dienstleistung im Militär zu befreien. Sie waren fortan für Aufstellung, Besoldung und Versorgung seines Heeres zuständig, unterlagen jedoch nicht selbst einer Vorform der Wehrpflicht. Es handelte sich also um eine Abkehr von der Idee des bewaffneten Untertanen. Insofern war das, was in Schweden in den 1680er Jahren entstand, ein Stehendes Heer im Stile der Zeit in der Verfügung des Herrschers. Die schwedische Besonderheit liegt jedoch in der Form der Finanzierung und Unterbringung des über das ganze Land verteilten Heeres. Es wäre allerdings sehr zu begrüßen gewesen, wenn Busch die Frage diskutiert hätte, welche alternativen Unterbringungsmöglichkeiten bestanden hätten. Sein Hinweis auf das Fehlen von Kasernen, untermauert durch ein aus dem späten 18. Jahrhundert stammendes Zitat von Berenhorst (201 f.), führt nicht sehr weit, denn in den 1680er Jahren waren im europäischen Vergleich Kasernen eher die Ausnahme als die Regel. Hätten also Schwedens Städte die von den Bauern finanzierten Soldaten aufnehmen können? Wollte der König dies nicht? Warum nicht? Wäre ein Modell der Erhebung von Steuern möglich gewesen, von denen dann durch die Krone die Truppen hätten finanziert werden können?

Busch unterlässt es leider, die von ihm behauptete direkte Beziehung des Einteilungswerks zu den Gedanken der Oranischen Heeresreform (205) zu belegen. Ob man das Einteilungswerk mit einer rein defensiven Neutralitätspolitik in Verbindung bringen und die Annahme dieser Verbindung obendrein mit der schwedischen Neutralitätspolitik seit den "Krimkriegen"(!) untermauern kann, ist doch sehr fraglich (206). Im übrigen gibt Buschs holzschnittartige Antithese - hier friedliebendes schwedisches verbürgerlichtes Militär (eine etwas unkonventionelle Vorstellung, im späten 17. Jahrhundert Bürgertum auf dem Land anzusiedeln), dort die militarisierte Gesellschaft anderer europäischer Staaten und sogar des Reiches (205 f.), wo die Armee "abgehoben von der übrigen Gesellschaft" (202) einen Fremdkörper bildete - Anlass zur Vermutung, dass der Verfasser neuere militärhistorische Arbeiten wie z.B. die von Pröve, Kroll oder Kroener zwar in seinem Literaturverzeichnis anführt, sie aber nicht rezipiert hat.

Die mangelhaften Kenntnisse in allen Bereichen, die nicht der schwedischen Geschichte angehören, stoßen bei der Lektüre immer wieder unangenehm auf. In dem Kapitel über "Formen des Defensionswesens" (29-34) wird nur das kursächsische Beispiel angeführt, während alle übrigen Bemühungen gerade der Zeit um 1700, durch Untertanenbewaffnung die geworbenen Truppen zu ergänzen, unter den Tisch fallen. Dabei ließ sich doch auch im Frankreich Ludwigs XIV. die Bewaffnung von Untertanen mit Angriffskriegen hervorragend verbinden. Der Vergleich eines schwedischen Marschreglements aus den 1680er Jahren mit einem preußischen von 1752 (155f.) lässt sich wohl kaum methodisch begründen, sondern nur dadurch, dass dem Verfasser offensichtlich keines der zahlreichen zeitgenössischen bekannt ist. Den "deutschen Kaiser" (52) im späten 17. Jahrhundert auftreten zu lassen, ist mindestens ungewöhnlich, passt aber zum "Deutschen Reich" (205 f.) am Ende des Werkes. Immerhin ist Busch in seinen Fehlern konsequent. Dergleichen Unstimmigkeiten oder Unsicherheiten bei der Literaturverwertung ließen sich noch mehr anführen.

Angesichts der vielen Mängel kann man Busch kaum bescheinigen, eine eigenständige wissenschaftliche Leistung über die Zusammenfassung älterer Literatur hinaus erbracht zu haben.

Redaktionelle Betreuung: Michael Kaiser

Empfohlene Zitierweise:

Max Plassmann: Rezension von: Michael Busch: Absolutismus und Heeresreform. Schwedens Militär am Ende des 17. Jahrhunderts, Bochum: Winkler 2000, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=117>

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