Arno Herzig: Der Zwang zum wahren Glauben. Rekatholisierung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000, 266 S., ISBN 3-525-01384-1, DM 50,00
Rezensiert von:
Rebekka von Mallinckrodt
Augsburg
Arno Herzig beschreibt in seiner jüngsten Publikation "Der Zwang zum wahren Glauben. Rekatholisierung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert" ein Phänomen, das zwar in der Forschung durchaus bekannt, jedoch bisher nicht zum Thema einer eigenen, territorial übergreifenden Abhandlung wurde. Dies ist um so erstaunlicher, als nach Herzigs Schätzung ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands einschließlich Österreichs und Böhmens von der gewaltsamen Bekehrung zum katholischen Bekenntnis durch den Staat betroffen war. Seine Betonung der repressiven und etatistischen Seite dieser "radikalsten Form der Konfessionalisierung" (9) ist gegenläufig zu einer Reihe von jüngeren Einzelstudien, die durch den Verweis auf die fehlenden Mittel der Durchsetzung den kompromiss- und lückenhaften Charakter dieses Prozesses herausstellen und damit die Bedeutung der vornehmlich normativen Quellen relativieren.
Auch Herzig verweist sowohl auf die zeitweise Duldung durch die Obrigkeit als auch auf vielgestaltige Formen des Widerstands, die von Kryptoprotestantismus und Emigration bis zum bewaffneten Aufstand reichen konnten, doch zeigen seine vornehmlich den wittelsbacher und habsburgischen Landen entnommenen Beispiele auf der anderen Seite überzeugend auf, mit welcher Radikalität die frühneuzeitlichen katholischen Staaten auf die Durchsetzung des Monokonfessionalismus setzten. Dabei stellt er den "Zwang zum wahren Glauben" als Proprium der katholischen Konfessionalisierung heraus, während protestantische Territorien das exercitium religionis publicum zwar für sich beanspruchten, den konfessionellen Minderheiten die private Religionsausübung aber durchaus zugestanden.
Während Brandenburg-Preußen sich schon im 17. Jahrhundert vom Monokonfessionalismus als staatlicher Grundlage verabschiedete und damit eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung zur Großmacht schuf, sahen die geistlichen Fürsten, aber auch die wittelsbacher und habsburgischen Herrscher in der konfessionellen Geschlossenheit eine wichtige Grundlage ihrer Herrschaft: Die Einheit des Glaubens legitimierte nicht nur den Fürsten als Verwalter der cura religionis, sondern stellte auch ein probates Mittel dar, um Stände wie Untertanen und letztlich auch die katholische Kirche im Kampf um die politische Macht auszuschalten.
Die Maßnahmen der Rekatholisierung, wie sie zum Beispiel auf der Münchner Konferenz 1579 von Vertretern Innerösterreichs, Bayerns, Tirols, Salzburgs und der Kurie beschlossen wurden, glichen sich auch in der Folgezeit weitgehend in den unterschiedlichen Territorien:
* Zerschlagung der evangelischen Infrastruktur (soweit bereits vorhanden) durch Neubesetzung der Beamtenstellen, Ausweisung der Prediger, Schließung protestantischer Schulen und Kirchen, Bücherverbrennungen
* Prüfung der Untertanen durch Reformkommissionen, Missionierung und Aufruf zur Konversion innerhalb einer zeitlichen Frist, teils mit erheblichen Repressalien verbunden wie z.B. der Einquartierung von Soldaten
* Ausweisung Bekehrungsunwilliger, vielfach unter Rückhalt minderjährigen Kinder und einer "Wegzugssteuer" von fünf bis zehn Prozent.
Die Zähigkeit, mit welcher viele Untertanen an ihrem protestantischen Bekenntnis festhielten, zeigen nicht nur die dramatischen Ausweisungen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, sondern auch zahlreiche kryptoprotestantische Gemeinden, die ihren Glauben teilweise über Generationen hinweg ohne kirchliche Infrastruktur in Hausandachten durch Lektüre und Laienprediger weitergaben. Sobald die äußere Repression entfiel, wie zum Beispiel während der Besetzung katholischer Territorien durch schwedische Truppen, kehrten viele scheinbar Konvertierte zu ihrem protestantischen Bekenntnis zurück. Erst nach mehreren Generationen kann man deshalb eine zumindest teilweise katholische Akkulturation annehmen.
Herzigs Studie zeigt deutlich die Dramatik der persönlichen Glaubensentscheidung protestantischer Untertanen in katholischen Territorien, die manchmal selbst ihre Glaubensgenossen in den freien protestantischen Städten befremdete. Nachdem die heimliche Ausübung des Bekenntnisses durch Luther und viele seiner Nachfolger zunächst abgelehnt worden war, erfuhren die Kryptoprotestanten im 18. Jahrhundert eine Mythisierung als wahre "unsichtbare Kirche". In einem Zeitalter, das sich durch Aufklärung und Säkularisation langsam von der Kirche löste, mochten diese Bekenner bereits befremdlich wirken. Tatsächlich zeigen die bis in die 1780er Jahre andauernden Repressionen und daraus folgenden Auswanderungen - wie die der Salzburger Protestanten in den 1730er Jahren - die lange Dauer der konfessionellen Auseinandersetzungen, bevor sich auch das josephinische Österreich aus ökonomischen Gründen einer moderneren Toleranzpolitik verschrieb.
Die gut lesbare Studie zeigt nicht nur eine wichtige Seite dieses "sozialgeschichtlichen Fundamentalprozess[es] der Frühneuzeit" [1] und eignet sich deshalb als einführendes Überblickswerk, sondern bildet auch ein Gegengewicht zu einer womöglich zu starken Relativierung des Konfessionalisierungs-Paradigmas und der Effektivität frühneuzeitlicher Staatlichkeit. Dazu dienen neben den Beispielen im Text auch die drei im Anhang abgedruckten Quellen. Gerade weil die Durchsetzungskraft der Konfessionalisierung durchaus umstritten ist, hätte man sich allerdings eine ausführlichere Auseinandersetzung mit und Einordnung in diese Forschungsdiskussion gewünscht. Dabei ist es durchaus legitim, dass Herzig den Begriff der "Rekatholisierung" zu Beginn seiner Studie als "weitgehend durch Gewalt herbeigeführte Einrichtung der katholischen Konfession als allein gültige Konfession im Staat" (14) definiert. Es wäre jedoch zumindest eine Bemerkung wert gewesen, dass er dadurch - im Sinne der zeitgenössischen katholischen Propaganda, nicht jedoch im Sinne der heutigen Forschungsmeinung - die Rückkehr zu einem alten Zustand suggeriert. Außerdem erscheint es fragwürdig, ob eine derartige terminologische Engführung für die Beschreibung eines so vielschichtigen Prozesses wirklich sinnvoll ist.
Anmerkung:
[1] Wolfgang Reinhard: Was ist katholische Konfessionalisierung?, in: Die katholische Konfessionalisierung, hg. von Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling, Gütersloh 1995, 419-452, hier 420.
Redaktionelle Betreuung: Ute Lotz-Heumann
Empfohlene Zitierweise:
Rebekka von Mallinckrodt: Rezension von: Arno Herzig: Der Zwang zum wahren Glauben. Rekatholisierung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2000, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=122>
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