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Ferenc Majoros: Karl V. Habsburg als Weltmacht, Graz / Wien / Köln: Styria 2000, 255 S., ISBN 3-222-12769-7, DM 48,00

Rezensiert von:
Bettina Braun
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Im vergangenen Jahr wurde in zahlreichen Ländern Europas des 500. Geburtstages Karls V. gedacht. Insbesondere die anlässlich des Jubiläums erschienenen Biographien werden das Bild des Kaisers für längere Zeit prägen - ist doch kaum damit zu rechnen, dass nach der Jubiläums-Publikationsflut in den nächsten Jahren erneut jemand ein umfassendes Lebensbild Karls V. vorlegen wird. Genau darin liegen sowohl der Reiz und mögliche Gewinn als auch die Gefahr derartiger Jubiläumsjahre: Wenn durch ein solches Datum veranlasst, unterschiedliche Arbeiten zu einem Thema entstehen und so den Stand der Forschung bilanzieren, eröffnet dies reizvolle Möglichkeiten des Vergleichs, wie sie sich sonst eher selten bieten. Freilich verführt die Magie runder Zahlen (und wohl auch Absatzzahlen) auch manchen mit einer Materie weniger Vertrauten dazu, von der Jubiläumskonjunktur profitieren zu wollen.

Dementsprechend kritisch sind gerade solche Jubiläumspublikationen zu prüfen. Und diese Prüfung - dies sei bereits vorweggenommen - fällt im vorliegenden Fall nicht günstig aus. Denn Ferenc Majoros hat weniger eine wissenschaftliche Biographie als vielmehr eine Mischung aus Heldenepos und Märtyrerlegende vorgelegt. So bezeichnet er Karl ausdrücklich als "Märtyrer seines dynastischen, religiösen, staatsmännischen Sendungsbewußtseins, seines Pflichtgefühls" (228). Alles am Kaiser ist für Majoros mindestens überdurchschnittlich: seine körperliche Konstitution (230), seine intellektuelle Aktivität (230), seine Kenntnis in Finanzfragen (172); seine geistige Begabung ist gar herausragend (11), der Kaiser habe nämlich "ein selektives Hirn, wie kein anderes" besessen (77). Kurzum: Majoros sieht in Karl V. "den größten Staatsmann der Frühen Neuzeit" (112), zu vergleichen nur mit anderen "Giganten der europäischen Geschichte" wie Cäsar, Augustus oder Napoleon (10). Mittelmäßigkeit duldet Majoros nicht im Zusammenhang mit Karl V.: So bestand dessen engere Umgebung - Familie, Räte - ebenso aus überdurchschnittlichen Persönlichkeiten wie auch seine Gegner diesen Ansprüchen genügen müssen. Luther beispielsweise sei tapfer gewesen, zwar grundverschieden von Karl, aber ebenso wie jener ein Mann "aus echtem Schrot und Korn" (48). Dieser Grundtenor - und auch diese Diktion - durchzieht das ganze Werk.

Das Ganze wäre kaum der genaueren Analyse wert, erhöbe nicht der Autor selbst den Anspruch, zu wichtigen Aspekten der Politik Karls V. neue Erkenntnisse zu präsentieren. Denn die Einleitung postuliert, erstmals die "objektiven militärischen Gegebenheiten" darzustellen, die es Karl unmöglich gemacht hätten, einen Entscheidungsschlag gegen die Osmanen zu führen (8). Damit sind zugleich die Schwerpunkte der Biographie angesprochen: Militärische Fragen und die internationale Politik, insbesondere im Mittelmeerraum, stehen im Mittelpunkt der Darstellung, während zum Beispiel der Auseinandersetzung mit den deutschen Protestanten nur zwei kurze Kapitel gewidmet sind. Diese - für eine deutschsprachige Biographie Karls V. außergewöhnliche - Gewichtung macht zunächst neugierig und lässt auf neue Erkenntnisse hoffen - eine Hoffnung, die leider enttäuscht wird. Die Schwerpunktsetzung erfährt nicht einmal eine explizite Begründung, sieht man davon ab, dass Majoros die "Schicksalsjahre von 1519 bis 1522" und damit die Frühphase der religiösen Auseinandersetzung für "weitgehend, vielleicht 'allzusehr' aufgearbeitet" hält (44).

Nun ist es sicherlich zutreffend, dass jenen Jahren um 1520 stets in besonderem Maße das Interesse der Forschung gegolten hat, doch offenbart der Hinweis auf die "übermäßige" Aufarbeitung dieser Zeit doch ein etwas eigenartiges Wissenschaftsverständnis. Dieses lässt sich auch sonst an vielen Stellen des Buchs beobachten: Des Problems der Überfülle an Literatur hat sich Majoros dadurch entledigt, dass er einen Großteil der in den letzten Jahrzehnten erschienenen Arbeiten nicht zur Kenntnis genommen hat, wie nicht nur das Literaturverzeichnis ausweist, sondern auch der Kenntnisstand, von dem aus der Autor argumentiert. So ist beispielsweise keine der zahlreichen Arbeiten Alfred Kohlers angeführt. Von Heinrich Lutz scheint Majoros nur den Band der Propyläen-Weltgeschichte zu kennen, kein Hinweis beispielsweise auf "Christianitas afflicta" (immerhin schon 1964 erschienen!). Zwar betont Majoros die Bedeutung der Korrespondenz des Kaisers als historischer Quelle (12), erwähnt aber das an der Universität Konstanz seit Jahrzehnten durchgeführte und kürzlich abgeschlossene Forschungsprojekt zur politischen Korrespondenz des Kaisers sowie die einschlägigen Arbeiten von Horst Rabe und seinen Mitarbeitern mit keinem Wort. Immerhin stellt Majoros die Frage nach der Idee der Monarchia universalis und der Bedeutung Gattinaras in diesem Zusammenhang, zieht sich für ein Urteil aber letztlich auf Pidal in der "Historia de España" zurück - Headleys Arbeit über Gattinara führt er zwar an, seine Ausführungen lassen es aber fraglich erscheinen, ob er sie wirklich verarbeitet hat; Bosbachs "Monarchia universalis" wiederum fehlt gänzlich. Die von ihm geschätzten, durchweg älteren Autoritäten zitiert Majoros dagegen in extenso, entheben sie ihn doch der Notwendigkeit, zu einem eigenen Urteil zu gelangen. Das "Problem" einander widersprechender Aussagen in der Literatur "löst" er mit Vorliebe mit dem Hinweis "Wie dem auch sei..." (57, 115, 147, 196, 199, 224).

Auch wenn Majoros gelegentlich aus Quellen zitiert - es handelt sich dabei durchweg um die allseits bekannten Stücke wie die Antwort Karls auf die Rede Luthers in Worms 1521, die Rede am Ostermontag 1536 vor dem Papst und dem Kardinalskollegium oder die Instruktion für Philipp von 1543 - , eine Interpretation der Quellen bietet er nicht. Statt dessen nimmt er seine Zuflucht zu einer psychologisierenden Darstellung, die vorgibt, auch ins Innerste des Kaisers vordringen zu können. Zur Zeit der Schlacht von Pavia habe "sich der Kaiser düsteren, nach seiner Art immer sauber geordneten Gedanken über die brennenden Probleme seines Reiches hin[gegeben]" (55); Majoros weiß auch, dass "das Meditieren, auf einem Baumstamm sitzend - wo Karl freilich nicht umhin konnte, auch die aktuellen Staatsgeschäfte zu durchdenken - [...], Karls Naturell wie nichts anderes" entsprach (94). Das grundsätzliche methodische Problem biographischer Forschung, dass es nur selten möglich ist, einen unmittelbaren Einblick in die Gedankenwelt der darzustellenden Person zu erhalten, dass diese vielmehr häufig auf Umwegen erschlossen werden muss; die quellenkritische Binsenweisheit, dass stets nach Zweck und Adressaten des jeweiligen Stückes zu fragen ist, um nicht - auch zweifelsfrei authentische - Quellen für den direkten Ausfluss der innersten, "wahren" Gedanken ihres Urhebers zu halten: Dies alles ficht Majoros nicht an.

Majoros hat eine Biographie Karls V. unter dem Motto "Männer machen Geschichte" vorgelegt; der Untertitel "Habsburg als Weltmacht" ist insofern eher irreführend. Selbstverständlich verweist Majoros auf die Vielfalt von Karls Herrschaftsgebieten und die Komplexität der damit verbundenen Aufgabengebiete - aber dies dient ihm vor allem dazu, die Größe des Kaisers zu illustrieren. Wie Karl versuchte, diese Anforderungen zu bewältigen, ist dagegen nicht zu erfahren. Den in der Forschung ja bereits seit längerem eingeführten Begriff des Politischen Systems Karls V. oder die Erörterung der zentralen Funktion von Korrespondenz und Regentschaften sucht man vergebens. Entgegen dem selbst erhobenen Anspruch handelt es sich also nicht um einen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion über Karl V.

Möglicherweise aber hatte der Autor ohnehin eher eine breitere Leserschaft im Auge. An diese Adressaten sind vermutlich die relativ ausführlichen Abschnitte über das Liebesleben des Kaisers gerichtet, aber auch zahlreiche Vergleiche, die allen Epochen der Weltgeschichte, von der römischen Geschichte bis zu den Stalinschen Säuberungen, entnommen sind. Diese Vergleiche, grundsätzlich ohnehin problematisch, führen vollends in die Irre, wenn mit Parallelen aus späterer Zeit Entscheidungen Karls begründet werden: Die für Majoros zentrale Frage, ob Karl V. eine Entscheidungsschlacht gegen die Osmanen, und das heißt: einen Angriff auf Istanbul, geplant hatte, verneint er mit der Begründung, dass "im Gallipoli-Feldzug 1915/16 die vereinten Flotten der Entente scheiterten" (137). Wenn also die historischen Vergleiche mehr verdunkeln als erhellen, so schmerzt das vielleicht mehr die professionellen Historiker. Aber auch sonst ist die Biographie für den fachlich nicht vorgebildeten Leser kaum geeignet. Denn zahlreiche Ereignisse die, wie beispielsweise der Wormser Reichstag 1521, allgemein interessieren dürften, behandelt Majoros eher am Rande. In den Abschnitten, die nicht im Zentrum seiner Darstellung stehen, führt er Personen oder Ereignisse nicht systematisch ein, sondern setzt deren Bekanntheit schlicht voraus. Zahlreiche sprachliche Schnitzer ("Herrscherische Qualitäten" (33), "abwiegende Denkweise" (35)), permanente Vor- und Rückverweise sowie mangelnde Stringenz der Darstellung machen die Lektüre zu einem bisweilen höchst unerfreulichen Unterfangen. Zudem mangelt es Majoros an narrativen Fähigkeiten, eine für ein - im besten Sinne - populäres Werk zentrale Gabe, die freilich auch das Fachpublikum zu schätzen wüsste. So kann Majoros letztlich weder die Erwartungen einer breiteren noch der professionellen Leserschaft erfüllen.

Redaktionelle Betreuung: Gudrun Gersmann

Empfohlene Zitierweise:

Bettina Braun: Rezension von: Ferenc Majoros: Karl V. Habsburg als Weltmacht, Graz / Wien / Köln: Styria 2000, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 3, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=125>

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