Leif Grane: Reformationsstudien. Beiträge zu Luther und zur dänischen Reformation, hg. von Rolf Decot (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz; Beiheft 49), Mainz: Philipp von Zabern 1999, 261 S., ISBN 3-8053-2599-1, DM 68,00
Rezensiert von:
Volker Seresse
Historisches Seminar, Christian-Albrechts-Universität, Kiel
Im Oeuvre des international renommierten dänischen Kirchenhistorikers Leif Grane, das zeitlich-thematisch von den Kirchenvätern bis ins 20. Jahrhundert reicht, gibt es einen Schwerpunkt: Martin Luther. Der vorliegende, ein Jahr nach Granes 70. Geburtstag erschienene Band besteht aus 13 Aufsätzen zu diesem Schwerpunkt, die zwischen 1969 und 1991 erstmals veröffentlicht worden waren. Eine Bibliographie zu Granes Arbeiten sowie ein Personenregister zu den Aufsätzen runden den Band ab.
Die ersten fünf Aufsätze sind der theologischen Entwicklung Luthers bis etwa 1520 gewidmet. Dabei steht die Auseinandersetzung des Wittenberger Professors mit den verschiedenen theologischen Strömungen und Traditionen im Mittelpunkt, namentlich mit der Scholastik. Ein zweiter Schwerpunkt des Bandes trägt der Tatsache Rechnung, dass kaum eine historische Gestalt sowohl zu Lebzeiten als auch in der Nachwelt ein so vielfältiges Echo gefunden hat, wie es bei Luther bis heute der Fall ist. Drei Aufsätze (6-8) kreisen daher um das Spannungsverhältnis zwischen Luther und seinem Anliegen einerseits und der Rezeption des Reformators andererseits. Neben einem kurzen Beitrag zu Luthers Ontologie geht es schließlich drittens (Aufsätze 9 und 11-13) um die lutherische Reformation in Dänemark bis zum Ende des 16. Jahrhunderts sowie um die Rezeption des Reformators in dem skandinavischen Land.
Aus allgemeinhistorischer Perspektive weckt die Aufsatzsammlung in zweifacher Weise Interesse. Zum einen vermittelt Grane kenntnisreich ein quellennahes und differenziertes Bild des Reformators. Er macht plausibel, dass die von Luthers Mit- und Nachwelt wahrgenommenen scheinbaren Widersprüche ursächlich damit zu tun hatten, dass Luther auf die unterschiedlichsten Herausforderungen reagierte, reagieren musste, und mit unterschiedlichem Erfolg Antworten fand. Die Grundzüge von Luthers Denken werden erkennbar - und zugleich wird dem Leser der Facettenreichtum und die Lebendigkeit dieses Denkens vermittelt, aller einseitigen und holzschnittartigen Rezeption zum Trotz.
Zum anderen arbeitet Grane Züge der dänischen Reformation heraus, die dem deutschen Leser - sei er nun vom Konfessionalisierungsparadigma geprägt oder nicht - fremd und vertraut zugleich vorkommen. In Dänemark wurde die Kirchenreform durch den König durchgesetzt und gestaltet, ganz ähnlich wie in den Territorien des Reiches. Doch fehlte die Konkurrenz der Konfessionen, die das Reich nachhaltig prägte: Das dänische Reformprogramm ließ sich weitgehend ungestört von konfessionspolitischen Rücksichten, Widerständen und Wirren durchführen. So lagen die um 1570 überwundenen Anlaufschwierigkeiten vielfach im Mangel an geeigneten Trägern der Reform begründet. Grane beschreibt namentlich die Bemühungen um die Bildung des Klerus sowie um die Katechese der Laien und betont die Bedeutung des belehrend-buchorientierten und so zumindest von der Intention her disziplinierenden Elements in der dänischen Kirchenreform. Der Bibelhumanismus erlebte hier im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts seine Blüte in enger Verbindung mit dem Melanchthon-Flügel der Wittenberger Reformation. So regen namentlich die drei letzten Aufsätze des Bandes, die von Granes Vertrautheit mit den deutschen wie mit den dänischen Verhältnissen zeugen, zum Vergleich der europäischen Kirchenreformen an.
Grane, das wird in diesem Sammelband deutlich, nimmt seinen Gegenstand in einer Weise ernst, die den Leser dazu einlädt, ihm darin zu folgen. Der in einigen Randbemerkungen durchscheinende Humor macht klar, dass der dänische Kirchenhistoriker sich selbst dabei nicht zu ernst nimmt.
Redaktionelle Betreuung: Ute Lotz-Heumann
Empfohlene Zitierweise:
Volker Seresse: Rezension von: Leif Grane: Reformationsstudien. Beiträge zu Luther und zur dänischen Reformation, hg. von Rolf Decot, Mainz: Philipp von Zabern 1999, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 4, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=142>
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