John W. O'Malley: Trent and all that: Renaming Catholicism in the early modern era, Cambridge/Mass. / London: Harvard University Press 2000, 240 S., ISBN 0-674-00087-0, $ 24,95
Rezensiert von:
Nicole Reinhardt
Maison des sciences de l'homme, Paris
Der Band O'Malleys ist ein Essay in bester angelsächsischer Tradition. Klare Darstellung und ein brillanter, bisweilen humorvoller Stil machen ihn zu einer anregenden Lektüre, obwohl das Thema, eine Begriffs- und zugleich Historiographiegeschichte des Katholizismus in der Frühen Neuzeit, nicht natürlicherweise ein spannender Gegenstand ist. Auslöser seiner Überlegungen sind die eigenen Arbeiten zur frühen Geschichte des Jesuitenordens sowie die Feststellung der trotz terminologischer Vielfalt (Katholische Reform/Reformation, Gegenreformation, katholische Restauration, Konfessionalisierung, Zeit der Konfessionen) unzureichenden Begrifflichkeit, wenn es um die Frage des Katholizismus in der Frühen Neuzeit geht. Da es sich bei dem "labelling" nicht um eine inhaltlich beliebige Frage wissenschaftlicher Sprachregelung handelt, sondern mit Etiketten auch forschungsdeterminierende Interpretamente an die Geschichte herangetragen werden, macht er sich an ihre historiographische Rekonstruktion, um schließlich seinen eigenen Vorschlag - "early modern catholicism" als neuen umfassenderen Begriff - zu unterbreiten. Damit will der Autor keineswegs die Existenzberechtigung der herkömmlichen Terminologie bestreiten, welche die verschiedenen Aspekte des Phänomens teilweise korrekt einzufangen vermag. Ziel seiner Ausführungen ist eher, zu ihrem schärferen und damit auch inhaltlich korrekteren Gebrauch beizutragen, indem er ihre Entstehungsgeschichte in ihren politischen, wissenschaftsgeschichtlichen und auch biographischen Bezügen herausarbeitet. Bruchstücke hieraus sind den Kennern der Materie sicherlich schon bekannt, doch bislang ist sie noch nie so klar auch in vergleichender Perspektive dargestellt worden. O'Malleys Beitrag ist in diesem Sinne kein "textbook" zum frühneuzeitlichen Katholizismus (vgl. Robert Bireley 1999; Ronnie Po Chia Hsia 1999), sondern eine begriffsgeschichtliche Arbeit, die nicht zuletzt erst auf der Grundlage der neueren Forschungen möglich und nötig wurde. In dem Maße, wie die "catholic side" zum "hot topic" der Frühneuzeitforschung avancierte und neue Ergebnisse produzierte, wurden auch die Begriffe und Ansätze revidiert, mit denen die Quellen analysiert wurden. Nicht zuletzt dieser Dialektik trägt O'Malley mit seinem Buch Rechnung.
Das erste Kapitel ("How It All Began") befasst sich mit der Historiographie vor Jedin, das heißt, es widmet sich in erster Linie der Frage, wie aus der "reformatio" im kirchlich kanonischen Verständnis die "Reformation" im protestantischen Sinne wurde, was in der Folge die katholische Selbstbeschreibung erschwerte. Dieses Vakuum wurde von protestantischer Seite schließlich aufgefüllt mit dem Pütterschen Begriff der "Gegenreformationen" als erzwungene Rückkehr lutherischer Gebiete zum Katholizismus im Gefolge militärischer und politischer Zwangsmaßnahmen. Sie war "Anti-Reformation" und zog sich vom Augsburger Religionsfrieden bis zum Ende des Westfälischen Friedens. Gegenreformation blieb ein vorwiegend von Protestanten gebrauchter Begriff, der im Zeitalter des Kulturkampfes schließlich auch polemische Züge erhielt. Dass die katholischen Historiker sich in diesen Interpretationen nicht wiederfinden konnten, ist einleuchtend, doch es gelang ihnen weder "protestantische Revolution" noch "katholische Restauration", dauerhaft im wissenschaftlichen Diskurs zu verankern. Außerhalb Deutschlands stieß die "Gegenreformation" vornehmlich in England und den USA, aber auch in der laizistischen Geschichtsschreibung Italiens auf große Resonanz. Hier verband der Begriff sich bestens mit dem Verständnis der repressiven Rolle der katholischen Kirche, welche für die barocke Dekadenz Italiens nach der heroischen Zeit der Renaissance und des Humanismus verantwortlich gemacht wurde (Croce). Diese negative Selbstbeurteilung konnte jedoch weder in Spanien noch in Frankreich Fuß fassen, wo mit dem "Siglo de Oro" bzw. dem "Grand siècle" ausgesprochen positive Begriffe für die einschlägigen Epochen der Nationalgeschichte gängig waren.
Kapitel zwei ist dem Werk Jedins gewidmet und dessen Entwicklung des Begriffsduos "Katholische Reform und Gegenreformation" zur Beschreibung der Reform (als innerer Vorgang) wie Gegenreformation (als äußerer Vorgang) auf katholischer Seite. Vorausgeschickt werden knappe, aber einfühlsame biographische Bemerkungen, die keineswegs überflüssig sind, denn konfessionelle und politische Positionen sind gerade in diesem Zusammenhang von außerordentlicher Bedeutung für die wissenschaftliche Produktion. Für den katholischen Theologen und Priester Jedin kommt die katholische Kirchenreform, wie sie sich in Trient als Ergebnis einer lang vor Luther zurückreichenden "Selbstbesinnung" (Reform) kristallisiert, einem Wunder gleich, das heilsgeschichtlich einzuordnen ist und so die positive "Selbstbehauptung" (Gegenreformation) der Kirche ermöglichte. Die positiv konnotierte Gegenreformation als berechtigte Verteidigung gegen den protestantischen Angriff wird dabei, so Jedin, von der schon von Ranke benannten Trias - Päpste, Trient und Jesuiten - konsequent vorangetrieben. Wissenschaftliche Wahrheit wird hier im Sinne einer theologischen Wahrheit verstanden, Kirchengeschichte ist für Jedin nur innerhalb der Theologie möglich. Betreiben und erkennen kann sie nur der gläubige (katholische) Christ. Weder von katholischer noch von protestantischer Seite hat man je eine so kritische und dabei nie polemische Auseinandersetzung mit Jedins Werk lesen können wie hier. O'Malley deckt schonungslos die inhärenten konfessionellen und biographischen "Vorurteile" auf, die "blind spots", die Jedins Werk prägen. Laien kommen nur als Objekte der von Kleriker ersonnenen richtigen Reform vor, repressive Aspekte wie Inquisition und Index werden kaum erwähnt, sein Kirchenverständnis bleibt streng institutionell und hierarchisch geprägt, sein historisches Verständnis historistisch. Fragen seiner französischen Zeitgenossen, sei es im Sinne der Annales nach den "sentiments religieux", oder der (katholischen) Religionssoziologie (Le Bras) werden komplett ignoriert. Dieses Verständnis der Kirchengeschichte als Theologiegeschichte, die nicht Teil der allgemeinen oder gar der Sozialgeschichte ist, spiegelt sich bis heute in der deutschen Universitätslandschaft wider und ist laut O'Malley ein wesentliches Manko der deutschen Geschichtswissenschaft.
Im dritten und vierten Kapitel wird die Zeit nach Jedin verfolgt. Zunächst seine Rezeption, aber auch andere Tendenzen in England und Italien, danach, in Kapitel IV, zeichnet O'Malley die französische und deutsche Diskussion nach. Diese Aufteilung verwundert, ist doch die Beziehung gerade hier zwischen deutscher und italienischer Geschichtswissenschaft sehr eng (wie der Autor auch selbst deutlich zeigt). Die Beziehung zwischen England und Italien liegt dagegen nur im Werk des wissenschaftlichen Einzelgängers Evennett, der wiederum von Prodi rezipiert wurde. In Italien wurde Jedins Werk durch die Rezension seines Freundes Delio Cantimori, der Kommunist und dezidierter "laico" war, befördert. Damit baute er die Berührungsängste zwischen laizistischer und katholischer Geschichtswissenschaft langsam ab. Ausdruck des so ermöglichten Grenzgangs zwischen "cultura laica" und "cultura cattolica" wiederum ist das Werk Prodis. Er sah Jedin als seinen Lehrer an, ging jedoch schon früh über ihn hinaus, indem er den modernen, bürokratischen Charakter des Papsttums herausarbeitete. Prodi ist der herausragende Vermittler deutscher Historiographie in Italien. Insbesondere die Konzepte der Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung sind über ihn nach Italien gelangt und erfreuen sich dort ausgesprochener Beliebtheit.
Die Ausführungen zu Frankreich sind ein solides Kapitel Wissenschaftsgeschichte und zeigen, wie hier von verschiedenen Seiten religionssoziologisch gearbeitet wurde. In diesem Kontext konnte das "Handbuch der Geschichte des Christentums" entstehen, dessen Band zur Frühneuzeit den Titel "Temps des confessions" trägt. Dass ein solches Werk in Deutschland nicht möglich war, bestätigt O'Malleys These, dass die deutschen Kollegen lange methodisch unterbelichtet einfach Jedin fortschrieben. Erst der Konvertit Zehden brachte neue, komparative Ansätze in die Diskussion ein. Diese wirken in den Arbeiten Reinhards und Schillings im Konzept der Konfessionalisierung fort, das grundlegend neu ausgerichtete Forschung ermöglichte. Religionssoziologisch angelegt, rücken Modernisierung und Disziplinierung der Untertanen durch die Staaten in den Mittelpunkt. Die "Staatslastigkeit" des Konfessionalisierungskonzeptes ist vielfach kritisiert worden. O'Malley erkennt aber durchaus die impulsgebende methodische Stringenz des Ansatzes an, die sich vor allem auch vergleichender Forschung öffnet. Es ist jedoch deutlich, dass die Konfessionalisierung mit dem französischen "temps des confessions" und dem englischen "confessional age" ihres prozessualen Charakters wieder entledigt wurde. Diesen Fragen geht O'Malley nicht weiter nach.
Im fünften und letzten Kapitel überprüft O'Malley den gesamten terminologischen Fundus auf die jeweiligen Vor- und Nachteile und die genaue inhaltliche Bestimmung, um ihn schließlich um seinen eigenen Begriff des "early modern catholicism" zu bereichern, den er als großen übergeordneten Terminus verstanden wissen will. Wie er selbst zugibt, ist er "fad und langweilig", doch am ehesten geeignet, sich chronologisch und inhaltlich dem Facettenreichtum des Forschungsgegenstandes (Frömmigkeitsgeschichte, Spiritualität, Geschichte von unten, außereuropäischer Katholizismus etc.) anzupassen. Ob dies alleine ausreichen wird, einen solchermaßen leidenschaftslosen Begriff in einem bis heute zum Teil noch emotional geführten Wissenschaftsdiskurs zu verankern, bleibt abzuwarten.
Redaktionelle Betreuung: Ute Lotz-Heumann
Empfohlene Zitierweise:
Nicole Reinhardt: Rezension von: John W. O'Malley: Trent and all that: Renaming Catholicism in the early modern era, Cambridge/Mass. / London: Harvard University Press 2000, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 4, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=149>
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