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Christoph Strohm (Hg.): Johannes a Lasco (1499-1560). Polnischer Baron, Humanist und europäischer Reformator. Beiträge zum internationalen Symposium vom 14. - 17. Oktober 1999 in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden (= Spätmittelalter und Reformation, Neue Reihe; Bd. 14), Tübingen: Mohr Siebeck 2000, 390 S., ISBN 3-16-147430-9, DM 168,00

Rezensiert von:
Nicole Grochowina
Historisches Institut, Friedrich-Schiller-Universität, Jena

"Die Autoren dieses Bandes dokumentieren den Forschungsstand zum Leben und Wirken des Humanisten und Reformators Johannes a Lasco. Sie weisen auf seine Bedeutung für die heutige Reformationsgeschichtsforschung hin und geben außerdem Impulse für neue Untersuchungen." - So kurz und knapp ist es nachzulesen im Klappentext dieses Bandes, der die Vorträge der Johannes a Lasco-Tagung sammelt, die im Herbst 1999 in der Johannes a Lasco-Bibliothek in Emden gehalten worden sind.

Den inhaltlichen Rahmen stecken Heinz Schilling und Nicolette Mout ab: Entsprechend der Vorgabe, dass der Baron, Humanist und europäische Reformator im Mittelpunkt stehen soll, beleuchtet Schilling das Wirken a Lascos an der Stelle, wo dieser die Ideen des Erasmus in die Tat umsetzte und wegweisende Entscheidungen für die in London entwickelte Kirchenordnung fällte - im ostfriesischen Emden, wo sich am Vorabend der Konfessionalisierung "vieles aus der internationalen Reformations- und Konfessionalisierungsgeschichte hohlspiegelartig sammelte" (3). Schilling würdigt in seinem Beitrag a Lascos Ordnungsarbeit als ostfriesischer Superintendent in den 1540er Jahre. Hier traf a Lascos Theologie, die ein synkretistisches Produkt humanistischer, oberdeutscher und niederländischer Einflüsse war, auf ein historisch-politisches Umfeld, das von dem weltlich-obrigkeitlichen Anspruch auf Sittenzucht geprägt war.

Nicolette Mout hingegen untersucht nicht die regionale Komponente, sondern konzentriert sich auf das Verhältnis von reformiertem Protestantismus und Humanismus. Dabei behandelt sie in erster Linie den erasmianischen Humanismus, der auch in die reformierten Bewegungen einfloss. Bibelkritik, theologische Erneuerung und religiöse und gesellschaftliche Reform bildeten als Hauptansatzpunkte eine Einheit, die von Johannes Calvin, Ulrich Zwingli und auch Johannes a Lasco aufgenommen wurde.

Nach der Klärung der Rahmenbedingungen steht die inhaltliche Präzisierung von a Lascos Theologie im Mittelpunkt des Bandes. Verschiedene Beiträge haben diese im Blick: Cornel Anton Zwierlein eröffnet die Reihe mit seinem Beitrag, in dem er die Herausbildung von a Lascos Abendmahlslehre in den Jahren 1544 bis 1552 verfolgt. Der Aufsatz ist eine Zusammenschau verschiedener Einflussfaktoren: Martin Bucer ist hier ebenso zu finden wie Heinrich Bullinger, Thomas Cranmer und Johannes Oekolampad. Den Hintergrund für die Diskussion dieser Ansätze zum Abendmahl, die Johannes a Lasco leistete, bildete aber weiterhin der erasmianische Humanismus. Auch Jan Rohls behandelt die Frage nach dem Abendmahl, während er das Verhältnis von Johannes a Lasco und der reformierten Bekenntnisbildung untersucht. Drei Aspekte greift Rohls dabei besonders heraus: Zunächst hatten die katechetischen Schriften a Lascos, die er in Emden und London verfasste, direkten Einfluss auf den Heidelberger Katechismus. Zweitens sorgten auch a Lascos Vorstellungen vom Abendmahl für eine Spaltung der reformatorischen Bewegung in einen lutherischen und einen reformierten Zweig, die er drittens allerdings zu verhindern versuchte: "Ungeachtet der Verschiedenheit von Lehrmeinungen vor allem in der strittigen Abendmahlslehre" (121) sollte die Einheit der Reformation bewahrt werden. Ein weiterer inhaltlicher Schwerpunkt sind die Ekklesiologie und Kirchenzucht zunächst bei a Lasco und Calvin (Eberhard Busch) und in einem weiteren Beitrag allein bei a Lasco (Christoph Strohm). Busch führt hier den Begriff der "seelsorgerisch bestimmten Kirche" (142) a Lascos ein, die er von der Bekenntniskirche Calvins differenziert, wo Kirchenzucht die Abendmahlsgemeinschaft konstituierte. A Lasco hingegen konzentrierte sich auf die "unbekehrten Sünder in der Gemeinde" (142). In welchem Verhältnis Kirchenzucht und Ethik bei a Lasco stehen, verfolgt Strohm in seinem Beitrag. Auch er greift erasmianisch-humanistische Grundmuster wieder auf. Dazu gehören erneut Erwägungen zur Einheit der Kirche. Da für a Lasco in der Lehre die Übereinstimmung in Grundwahrheiten ausreichend war, wurde im Alltag eine gewisse Pluralität an Riten und Zeremonien zugelassen. Einheitsband - so Strohms These - konnten deshalb nur ethische Standards sein, die über die Kirchenzucht umzusetzen waren. Timothy Fehler beendet diesen Komplex mit seiner Analyse des Diakonenamts und der Armenfürsorge bei Johannes a Lasco. Dabei schlüsselt er die unterschiedlichen Diakonenämter Emdens auf.

Die europäische Dimension läutet Menno Smid mit seinem Beitrag über die Reisen und Aufenthaltsorte a Lascos ein. Akribisch hat er die unterschiedlichen Stationen quer durch Europa zusammengetragen. Die folgenden Beiträge greifen diese Vorlage auf: Konrad Gündisch behandelt die gesamte Familie a Lasco vor dem Hintergrund ihres "ungarischen Abenteuers" (202). Ostfriesland ist erneut Thema bei Henning Jürgens: Die Begriffe auctoritas Dei und auctoritas principis bieten seinen hermeneutischen Schlüssel, um die verschiedenen Ereignisse um a Lasco zu erfassen. Piet Visser verbleibt ebenfalls im ostfriesischen Kontext, hat aber die verschiedenen Täufergruppen und a Lascos Umgang mit ihnen im Blick. Deutlich wird in diesem Beitrag die Differenzierung, die a Lasco zwischen den einzelnen täuferischen Gruppen leistete. Willem van't Spijker bringt den Kölner Reformationsversuch und dessen Einfluss auf a Lasco ins Spiel. 1543 verfasste Hermann von Wied das Einfältige Bedenken - oder die "Kölnische Ordination", wie a Lasco es nannte (251). Abendmahl, Abendmahlsliturgie und Kirchenzucht sind die drei Punkte, die van't Spijker untersucht, um zu dem Schluss zu gelangen: "So hat der Kölner Reformationsversuch einen gewissen, wenn auch beschränkten Einfluss ausgeübt auf das Denken und Handeln von Johannes a Lasco" (260). Diarmaid MacCulloch beschließt die Reihe der europäischen Wirkungsstätten und würdigt a Lascos Beitrag zur englischen Reformation. Dabei äußert er den Verdacht, bei a Lasco habe es sich um den ersten englischen Puritaner gehandelt (345).

Vier Beiträge durchbrechen die eher traditionellen Forschungsansätze und können zweifelsohne als die "neuen Impulse" gelten, von denen der Klappentext dieses Aufsatzbandes spricht: Das sind zunächst die Erwägungen von Wim Janse, der die Freundschaft von Albert Hardenberg und Johannes a Lasco untersucht. Er vermag es, das ambivalente Verhältnis auf persönlicher Ebene, aber auch im theologischen Diskurs nachzuzeichnen. Max Engammare wartet mit einer detaillierten Quellenarbeit auf. Er hat die Annotationen bearbeitet, die Johannes a Lasco zum Novum Testamentum des Erasmus gemacht hat. Dabei wird - so Engammare - deutlich, wie eng die intellektuelle Beziehung zwischen beiden war. Insbesondere bemerkenswert für die westeuropäische Forschung ist die reichhaltige Literatur, die die polnische Geschichtsschreibung zu a Lasco erstellt hat. Janusz Mallek zeigt in seinem Beitrag entsprechende Untersuchungen, die so manchem westeuropäischen Forscher aus mangelnder Sprachkompetenz verschlossen bleiben. Schließlich führt Jasper Vree Johannes a Lasco ins 19. Jahrhundert und fragt, ob Abraham Kuyper, dem die Forschung die Edition zahlreicher Quellen a Lascos verdankt, als Erbe des europäischen Reformators gelten kann. Dazu verfolgt er Kuypers Biografie und entdeckt dort Auffassungen, die durchaus als von Johannes a Lasco beeinflusst gelten können.

Zugegeben, der Klappentext des Bandes mag in seiner Klarheit ein wenig unbescheiden sein. Gleichwohl hält der Band, was in diesem Text versprochen wird: Er präsentiert das Spektrum der Forschung, die gegenwärtig zu Johannes a Lasco geleistet wird. Dieses Spektrum geht bereits über eher traditionelle Ansätze der Forschung hinaus. Dennoch soll an dieser Stelle noch einmal eindringlich dafür geworben werden, die theologischen Auseinandersetzungen durch eine Rezeptionsgeschichte aus den verschiedenen Gemeinden zu ergänzen, in denen Johannes a Lasco gewirkt hat. Der Beitrag von Wim Janse deutet außerdem an, dass der Quellenstand auch die Untersuchung persönlicher Beziehungsgeflechte ermöglicht. Hier wären sicher auch Ansätze der Geschlechterforschung zukünftig von Belang. Insgesamt wird aber niemand, der sich mit dem Leben und Wirken dieses europäischen Humanisten und Reformators beschäftigt, diesen Band außer Acht lassen dürfen.

Redaktionelle Betreuung: Ute Lotz-Heumann

Empfohlene Zitierweise:

Nicole Grochowina: Rezension von: Christoph Strohm (Hg.): Johannes a Lasco (1499-1560). Polnischer Baron, Humanist und europäischer Reformator. Beiträge zum internationalen Symposium vom 14. - 17. Oktober 1999 in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden, Tübingen: Mohr Siebeck 2000, in: PERFORM 2 (2001), Nr. 4, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=155>

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