Gunther Franz / Franz Irsigler (Hg.): Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung (= Trierer Hexenprozesse; Bd. 4), Trier: Spee 1998, VII + 429 S., 4 Farbabb., ISBN 3-87760-126-X, DM 68,00
Rezensiert von:
Claudia Kauertz
Staatsarchiv Osnabrück
Der vorzustellende Sammelband präsentiert neuere Forschungsergebnisse der Arbeitsgemeinschaft "Hexenprozesse im Trierer Land". Die insgesamt 16 hier vereinigten Aufsätze gehen mehrheitlich auf Tagungsvorträge der Jahre 1995 und 1996 zurück. Größtenteils werden hier Beiträge zur Geschichte der Hexenverfolgungen im Erzstift Trier und den umliegenden kleineren Territorien vorgestellt. Erweitert wird diese regionale Perspektive durch Studien luxemburgischer, österreichischer und englischer Forscher zu ihren jeweiligen Heimatländern bzw. zu Lothringen.
Gegliedert ist der Band in drei thematische Blöcke, erstens "Komplexe Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung", zweitens "Opfer, Täter und Gegner der Hexenverfolgung" und drittens "Hexensabbat und Hexenverfolgung in Schrift und Bild".
Einführend bietet Franz Irsigler einen allgemeinen Abriß der Hexenverfolgungen des 15. bis 17. Jahrhunderts, in dem er einige gängige Vorurteile über die Hexenverfolgungen widerlegt. Zu Beginn des ersten Themenkomplexes, dem das Buch seinen Titel verdankt, gibt Gunther Franz einen Überblick über die Arbeit der regionalen Arbeitsgemeinschaft "Hexenprozesse im Trierer Land". Anschließend äußert sich noch einmal Franz Irsigler zu räumlichen Aspekten der historischen Hexenforschung, wobei er den Trierer Raum als eine der Kernzonen der europäischen Hexenverfolgungen mit seinen regionalen Besonderheiten vorstellt. Die beiden folgenden Beiträge stammen von österreichischen Historiker/Innen, Heide Dienst und Martin Scheutz, die insbesondere auf Grundprobleme und Detailfragen bei der Edition von Hexenprozeßakten eingehen.
Walter Rummel nähert sich den Hexenverfolgungen aus der Perspektive der Alltagsgeschichte, die den Umgang des einzelnen Menschen mit gesellschaftlichen und sozialen Prozessen und Strukturen in den Mittelpunkt rückt. Er widerlegt eine verbreitete Meinung, wenn er zeigt, dass die sog. kleinen Leute keineswegs nur Opfer der Verfolgungen waren, sondern sich auch aktiv an ihnen beteiligten. In eigener Initiative bildeten sie Inquisitionsausschüsse, deren obrigkeitliche Legitimation sie in Petitionen verlangten. Im Zeitalter des beginnenden absolutistischen Staates gelang es ihnen dabei, mittlerweile eindeutig landesherrliche Prärogativen zu usurpieren und sie zur Austragung innerdörflicher Konflikte zu nutzen.
Einen alltagshistorischen Ansatz vertritt auch Robin Briggs, der sich mit den Angeklagten in lothringischen Hexenprozessen befaßt. Dabei kann er, ähnlich wie Rummel für die Gruppe der Ankläger, zeigen, daß auch die Angeklagten nicht bloße Opfer, sondern Handelnde waren, die durchaus verschiedene Möglichkeiten hatten, auf Hexereieschuldigungen zu reagieren bzw. sich, etwa durch eine Beleidigungsklage oder auch durch Drohungen, zu wehren.
Johannes Dillinger untersucht die Bedingungen der Hexenverfolgungen in den frühneuzeitlichen Städten, wobei er insbesondere nach Gründen für die unterschiedliche Verfolgungsintensität in Groß-und Kleinstädten fragt. Daß Großstädte eine relativ milde Verfolgungspraxis an den Tag legten, erklärt er mit den dort herrschenden Kommunikationsverhältnissen. Daß die soziale Kontrolle des Einzelnen durch die Gemeinschaft, die die Entstehung des für die Prozeßeinleitung bedeutsamen bösen Leumunds begünstigte, in Großstädten geringer war und hier zudem die Gefährlichkeit und Unzuverlässigkeit des Gerüchts eher erkannt wurde, führt er auf die Existenz verschiedener milieuspezifischer Kommunikationskreise zurück.
Den zweiten thematischen Block, der die Rolle verschiedener Gruppen von Prozessbeteiligten diskutiert, eröffnet Adolf Kettel. Er zeigt die Bedeutung von katholischen Klerikern als Angeklagten in Hexenprozessen auf und stellt einen Zusammenhang mit dem Kampf der katholischen Kirche gegen das Priesterkonkubinat seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts her. Jutta Nowosadtko beleuchtet das Berufsbild der Hexenscharfrichter, wobei sie zu neuen Erkenntnissen kommt. Wurden die Hexenscharfrichter bislang entweder pauschalisierend als grausam, habgierig und skrupellos bescheinigt oder aber lediglich als subalterne Befehlsempfänger betrachtet, betont Nowosadtko die Einflußmöglichkeiten der Scharfrichter auf das Hexenprozeßverfahren.
Rita Voltmer zeichnet das soziale Profil des Hexenrichters Claudius Musiel nach, der von 1586 bis 1594 ein umfangreiches Verzeichnis mit den Namen der in Trier und Umgebung hingerichteten Personen sowie der von ihnen Besagten anlegen ließ. Galt Musiel in der bisherigen Forschung als einer der schärfsten Trierer Hexenverfolger, entwirft Voltmer ein differenzierteres Bild. Indem sie sein Engagement in den Hexenverfolgungen mit dem anderer obrigkeitlicher Funktionsträger vergleicht, kommt sie zu dem Schluß, daß Musiel kein Einzelfall war, sondern daß auch andere lokale Beamte die Hexenverfolgungen zum sozialen Aufstieg und zur Vermögensakkumulation genutzt haben.
Die beiden folgenden Beiträge von Othon Scholer und Johannes Dillinger sind Kritikern der Hexenverfolgungen gewidmet. Scholer hat sich mit dem 1590 fertiggestellten Werk De vera et falsa magia des Verfolgungskritikers Cornelius Loos befaßt, dessen Drucklegung von der Zensur verhindert wurde. Er untersucht insbesondere die Beziehung zwischen Loos' Werk und dem 1589 erstmals erschienenen, die Hexenverfolgungen unbedingt befürwortenden Tractatus de confessionibus maleficorum et sagarum des Trierer Weihbischofs Petrus Binsfeld. Ein in der Stadtbibliothek Trier erhaltenes Manuskript der Loos'schen Schrift zeigt, daß sich diese vor allem gegen Binsfeld und die Trierer Verfolgungen richtete. Denn hier sind zahlreiche Stellen markiert, die sich als Kryptozitate aus Binsfelds Schrift entpuppen und von Loos mit sarkastischem Spott bedacht werden.
Johannes Dillinger stellt in seinem zweiten Beitrag einen bislang unbekannten Fall einer frühen Spee-Rezeption in der Kleinstadt Oberndorf am Neckar vor. Der dortige Pfarrer Dr. Justus Haussmann verteidigte 1636 die Angeklagten in einem Oberndorfer Hexenprozesses von der Kanzel herab, wobei er seine Argumente vor allem aus der Cautio Criminalis des Friedrich von Spee bezog. Der dritte Themenkomplex, der sich mit Bildern des Hexensabbats in Prozeßakten, der dämonologischen Literatur sowie der bildenden Kunst der Frühen Neuzeit befaßt, wird von Elisabeth Biesel eingeleitet. Sie analysiert die Hexentanzdarstellungen der dörflichen Angeklagten, die wenig mit dem als kultische Teufelsverehrung begriffenen Hexensabbat der gelehrten Dämonologen gemeinsam haben, sondern, dem Erfahrungshorizont der Angeklagten gemäß, eher einem dörflichen Fest gleichen.
Danach zeigt wiederum Othon Scholer, wie Trierer und Luxemburger Hexenprozesse als Exempla in die dämonologische Literatur aufgenommen und vermittelt über Delrio und Binsfeld verbreitet wurden.
Im letzten Beitrag untersucht Wolfgang Schild, wie sich bildliche Darstellungen von Hexen im Lauf der Jahrhunderte verändern. Dabei rückt er sowohl solche Bilder in den Blick, die als Illustrationen zu Texten dienen sollen, als auch solche, die unabhängig von Texten geschaffen wurden. In erster Linie fragt er nach der Funktion der Hexen-Bilder und zeigt, wie sie in Kombination mit Texten zur Begründung der Glaubwürdigkeit der Hexentheorie sowie als Propagandamittel für die Durchführung von Hexenverfolgungen genutzt werden konnten. Anhand von Hexendarstellungen in der bildenden Kunst, wirft er die Frage nach der Ästhetisierung der Hexenvorstellung auf.
Insgesamt entwirft der vorliegende Sammelband ein facettenreiches Bild der Arbeit der Arbeitsgemeinschaft "Hexenprozesse im Trierer Land", die sich seit 15 Jahren erfolgreich der Erforschung der Hexenverfolgungen im Rhein-Mosel-Saarraum widmet und die durch die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Universitätshistorikern und Heimatforschern gekennzeichnet ist Der vorliegende Band steht in der Tradition moderner Regionalstudien, die sich auf regionale Verfolgungsmuster und Verfolgungsbedingungen konzentrieren. Allerdings ist der Titel des Buches irreführend. Denn die wenigsten Beiträge weisen über die regionale Perspektive hinaus und stellen neue Methoden und Konzepte der Hexenforschung vor bzw. diskutieren diese. Vor allem Walter Rummel und Robin Briggs erweitern die sozialhistorisch geprägte Hexenforschung um eine alltagshistorische Dimension, wenn sie sowohl Ankläger wie Angeklagte als aktiv Handelnde in den Blick rücken und unterschiedliche Möglichkeiten des zeitgenössischen Umgangs mit Hexereibeschuldigungen aufzeigen.
Empfohlene Zitierweise:
Claudia Kauertz: Rezension von: Gunther Franz / Franz Irsigler (Hg.): Methoden und Konzepte der historischen Hexenforschung, Trier: Spee 1998, in: PERFORM 1 (2000), Nr. 5, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=58>
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