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Eckehard Quin: Personenrechte und Widerstandsrecht in der katholischen Widerstandslehre Frankreichs und Spaniens um 1600 (= Beiträge zur Politischen Wissenschaft; 109), Berlin: Duncker & Humblot 1999, 693 S., ISBN 3-428-09413-1, DM 148,00

Rezensiert von:
Cornel A. Zwierlein
Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Die vorliegende, bei Gerhard Stourzh in Wien abgeschlossene historische Dissertation stellt eine Studie zur politischen und staatsphilosophischen Ideengeschichte dar: In einem ersten Teil wird anhand ausgewählter Pamphlete der französischen katholischen Liga - hier praktisch ausschließlich der zweiten Liga, 1583/1585-1594 - ihre politische Theorie und insbesondere ihre Lehre vom Widerstandsrecht vorgestellt; neben einigen anonymen Flugschriften behandelt Quin v.a. die in diesem Zusammenhang bekanntesten Autoren Jean Boucher, François Cromé, Louis Dorléans, Guilelmus Rossaeus und Matteo Zampini. Im zweiten Teil werden die voluminösen staatstheoretischen Œuvres der drei spanischen Jesuiten Juan Mariana, Luis Molina, Francisco Suárez und des Ex-Jesuiten Juan Roa Dávila auf die gleiche Fragestellung nach ihrer Widerstandsrechtslehre im Rahmen ihres Gemeinwesenmodells im Ganzen hin befragt.

Da die spanischen Spätscholastiker an sich recht gut erforscht sind, scheint Quins Arbeit trotz Baumgartners Studien insbesondere für die Darstellung der Theorie der katholischen französischen Ligisten (S. 144-341) ein Gewinn zu sein. In dieser Rezension wird daher v.a. auf diesen Teil eingegangen. Im Vergleich zur älteren ideengeschichtlichen Sekundärliteratur zu den katholischen Monarchomachen hebt Quin nicht nur auf die "spannende" Tyrannenmordthematik ab, sondern deckt auch das dahinterstehende Weltbild - Staatsentstehung, Gesellschaftsaufbau - auf. Insoweit mag Quin recht haben mit der selbstgefälligen Einschätzung, "daß bei allen Mängeln eine bessere [Gesamtdarstellung] zu diesem Thema" als seine eigene nicht existiere (S. 10). Dabei kennt er allerdings ein so einschlägiges Werk wie jenes von Günther Stricker (Das politische Denken der Monarchomachen, Heidelberg 1967) anscheinend nicht. Quin bietet einen meist zuverlässigen Überblick, der mit der bisherigen ideengeschichtlichen Forschung schonungslos-penibel, nicht sehr elegant und mit weniger Milde, als er sie selbst für sich einfordert (S. 10), aufräumt.

Nicht immer ist dieser forsch-kritische Umgang mit den wissenschaftlichen Vorgängern gerechtfertigt. Detailfehler, die er anderen anlastet, unterlaufen natürlich auch ihm, wobei eine Aufzählung hier nicht stattfindet. Was mit dem Titelbegriff "Personenrechte" gemeint ist, erfahren wir im Verlauf der Studie nicht - er kommt auch im Sachregister nicht vor. Die Lektüre der ersten beiden Kapitel (S. 19-143), in denen Quin zur Kontextualisierung einen Kurzabriss der Geschichte der französischen Religionskriege im allgemeinen und der Pariser Ligue im besonderen liefert, können wir mit dem Autor (bezüglich der alten Arbeit Schlossers), als »Zeitverschwendung« (S. 103, Anm. 6) bezeichnen, denn der Fülle aus selbst hoch kompilativen Werken (Pierre Miquel) ist eine Einführung vom Kenner, etwa die Mack P. Holts, vorzuziehen, zumal, weil man sich dann die Lektüre stilistischer Fehlgriffe erspart ("In puncto Intrigen sind die Frauen voll emanzipiert. Marguerite von Navarra schläft mit Bussy, einem Killer des Königs", S. 65; "...weswegen er [i.e. Henri IV] 1593 die Show seiner `Bekehrung´ abzieht", S. 340 (so schon S. 96, 131; "eine Tat [die Ermordung der Guise durch Henri III am 23.12.1588], die weit über die üblichen Schweinereien hinausgeht [...]", S. 114 - ähnliche Stilblüten passim in diesem Teil).

Wunderlich mutet auch die merkwürdige Zitierweise der frühneuzeitlichen Quellentexte an: Da werden die dem Forscher aus Handschriften und Drucken der Zeit hinlänglich bekannten Abkürzungszeichen nicht aufgelöst, sondern penibel diplomatisch transkribiert bzw. wird das optisch Vorliegende in eckigen Klammern mitgeteilt, als ob das irgendeinen Erkenntniswert hätte. Stattdessen erschwert es dem Leser bis zur Entnervung die Quellenlektüre (Bsp. S. 408, Anm. 36, aus einem Zitat aus Salomonio degli Alberteschi's "De principatu libri septem" (1544):

"PHI. Si nihil aliud est ciuitas, q [Das "q" hat einen Querstrich durch die Unterlänge und steht für "quam"] ciuilis quaedam societas. contrahitur [Der Satz beginnt klein.], ne Societas vlla sine pactionibus? IVR. Non vtiq3 [steht für "utique"] nisi tacitis aut expressis [...] Tam per necessariae, q [Das "q" hat eine oben an der Unterlänge nach rechts beginnende und dann durch die Unterlänge hindurchgehende, sichelförmige Schlinge.] ciuitas sine legibus stare nulle pacto potest."

Solche vermeintlich besonders wissenschaftliche Akribie zeugt - trotz all der nachweislich geleisteten Auseinandersetzung mit den Quellentexten - eher von mangelnder Vertrautheit mit dem hilfswissenschaftlichen Instrumentarium. Es ist zu bedauern, dass den Autor hierauf anscheinend niemand vor der Publikation aufmerksam gemacht hat.

Inhaltlich und methodisch sind vor allem zwei Hauptmängel des Werkes anzusprechen: Erstens darf von einer ideengeschichtlichen Studie sehr wohl erwartet werden, dass gerade die Zitatverwendungen der Denker rückverfolgt werden - dabei geht es ja nicht darum, ob die Ligisten Thomas, Calvin oder die Monarchomachen "richtig" zitiert haben, sondern überhaupt darum, "wie" sie zitieren. Nichts ist doch aussagekräftiger über die Arbeits- und Denkweise der Autoren als ihr Umgang mit den vorgefundenen Diskursen. Quin hingegen konstatiert: "Wenn die Ligisten falsch oder aus dem Zusammenhang zitieren und damit die Intention des Autors völlig entstellen, bleibt das hier im allgemeinen unerwähnt." Dann fährt er zwar richtig fort: "Es soll die Meinung der radikalen Katholiken gezeigt werden, und die bringen sie wohl auch durch die falsche Zitierung - oder eben gerade dadurch - klar zum Ausdruck." (S. 330), aber wenn die Falschzitierung (und genauer: das Wie der Zitierung oder Umdeutung) "unerwähnt" bleibt, wie soll sich der Leser dann ein Bild vom Verhältnis der Denker zu ihren Vordenkern machen? - Quin gibt so mit langen Zitaten und unter Aufwendung großer Übersetzungsakribie einen Zugang nur zur Textoberfläche der Franzosen und Spanier, er erarbeitet dem Leser kein tiefenscharfes Profil, das auch auf die klassische ideengeschichtliche Frage eine Antwort liefern würde, welche überkommenen Diskurse denn für diese Denker besonders wichtig waren, wo sie diese einfach kopieren und wo sie über sie hinausgehen. Der sozialgeschichtliche Kontext wird also nicht wirklich verwendet, der ideengeschichtliche Kontext programmatisch nicht hergestellt.

Zweitens ist zwar anzuerkennen, dass es sicherlich eine spannende Ausgangsidee gewesen ist, die französischen Pamphletisten trotz des auf den ersten Blick hin ganz unterschiedlichen Text- und Publikationsgenres sowie des unterschiedlichen historischen Kontextes in einer Darstellung mit den spätscholastischen, systematischen Opera der Spanier zu konfrontieren, aber es bedürfte doch zumindest einiger begründender Sätze in der Einleitung zur Ausgangshypothese dieser Unternehmung. Es bedürfte dann vor allem nicht einfach einer fast kommentarlosen, parataktischen Darstellung, sondern einer vergleichenden und kontrastierenden Bezugnahme. Eine Begründung für diese Nebeneinanderstellung der Texte, abgesehen von der annähernden Gleichzeitigkeit ihrer Entstehung, erfolgt aber nirgends. Abgesehen von Marianas Bezugnahme auf die Ermordung Heinrichs III (S. 600 ff.; schon bei Stricker, S. 300 erwähnt - die von Quin gesuchte Informationsquelle Marianas dürfte wohl die ligistische Flugschrift Le Discours au vray, sur la mort et trespas de Henry de Valois [...], Paris: François Tabart 1589, Paris BNF Lb34.790 sein) - und abgesehen von einigen ganz verstreuten Vergleichsbemerkungen wird erst in der Zusammenfassung auf den letzten Seiten der Studie (S. 627-631) die Frage gestellt: "Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Lehre der Ligisten und der der spanischen Jesuiten?" Die Frage wird mit einer Ablehnung einer direkten Abhängigkeit und mit der Erkenntnis beantwortet, dass beide Gruppen zu einem bedeutenden Flügel "innerhalb der katholischen Kirche [gehören], der übermächtige weltliche Macht verhindern will." (S. 627). Ob solche Zeilen die sukzessive Behandlung zweier unterschiedlicher Theoriegruppen in einem Buch sinnfällig machen, erscheint zweifelhaft.

Bei aller Kritik, die sich in ihrer Schärfe dem kompromisslos-kritischen Stil des Autors anpasst, soll am Schluss nicht unbetont bleiben, dass Quins Arbeit trotz allem ein wertvoller, die zum Teil nicht leicht zugänglichen Texte gut erschließender Beitrag zur politischen Ideengeschichte bleibt. Die spanische, italienische, französische, deutsch- und englischsprachige Sekundärliteratur ist m.E. gut erschlossen, aufgrund der reichen Quellenexzerpte und aufgrund der (allerdings nicht ganz vollständigen) Namen-, Ort- und Sachregister ist die Arbeit auch gut als Nachschlagewerk geeignet.

Empfohlene Zitierweise:

Cornel A. Zwierlein: Rezension von: Eckehard Quin: Personenrechte und Widerstandsrecht in der katholischen Widerstandslehre Frankreichs und Spaniens um 1600, Berlin: Duncker & Humblot 1999, in: PERFORM 1 (2000), Nr. 6, URL: <http://www.sehepunkte.de/perform/reviews.php?id=73>

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