Diese an der Universität Halle vorgelegte Dissertation greift ein Thema auf, das seit einigen Jahren wieder Konjunktur hat: die Bedeutung Friedrichs II. für die europäische Aufklärung. Schröder geht es jedoch nicht um eine Beschreibung der Rolle, die Friedrich als König und Philosoph spielte. Sie analysiert vielmehr den Begriff "siècle de Frédéric", wie er in zeitgenössischen Texten erscheint. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zur Rekonstruktion des geschichtlichen Selbstverständnisses der Aufklärung.
Die Originalität der Studie besteht darin, dass sie den Horizont literaturwissenschaftlicher Untersuchungen (wie etwa bei Werner Krauss und Jochen Schlobach) überschreitet. So beschränkt sich Schröder nicht auf literaturtheoretische Schriften, die im Zusammenhang der "Querelle des anciens et des modernes" stehen, sondern sie berücksichtigt auch die Geschichtstheorie der Aufklärung. Ihre These lautet, dass es im zeitgenössischen Selbstverständnis tatsächlich ein "siècle de Frédéric" gab, das jedoch nicht kulturell als das Wiedererstehen eines klassischen Zeitalters der Dichtung und Kunst, sondern politisch als Zeitalter des aufgeklärten Absolutismus verstanden wurde. Für die neue Periodisierung der Geschichte Preußens, die im Begriff "siècle de Frédéric" beziehungsweise "Jahrhundert Friedrichs" zum Ausdruck kam, macht Schröder zwei theoretische Ausgangspunkte aus: 1. das Selbstverständnis der Aufklärung, das sich aus der "Querelle des anciens et des modernes" herausbildete; 2. eine im Sinne des Forschrittsgedankens modifizierte Theorie von den vier Weltmonarchien.
Die erste Entwicklungslinie zeichnet Schröder in drei separaten Kapiteln (B., C., D.) zu Voltaire, d'Alembert und Friedrich II. überzeugend nach. Die beiden Franzosen vollzogen den Übergang von einer zyklischen zu einer fortschrittstheoretischen Geschichtsauffassung. So verstanden sie das "siècle des philosophes" (Voltaire) beziehungsweise das "siècle des lumières" (d'Alembert) nicht mehr als klassisches Blütezeitalter, sondern als neue Epoche, die sich durch den Kampf gegen Aberglauben und Fanatismus auszeichnete. Da sie bei der Suche nach einem Beschützer der Aufklärung ihre Hoffnung auf den preußischen König setzten, sprachen sie beide von einem "siècle de Frédéric". Der König selbst hielt dagegen an der zyklischen Geschichtsauffassung fest. Er sah im "siècle de Louis XIV" das vierte grosse klassische Zeitalter. Dieses diente ihm als Modell für ein "grand siècle" in Preußen, das er durch die Förderung von Wissenschaften und Künsten herbeizuführen suchte. Weil Friedrich am traditionellen Begriff "siècle" als einer klassizistischen Blütezeit festhielt, verwendete er die Bezeichnung "siècle philosophique" höchstens in kritischer Absicht und gelangte in seinem umstrittenen Fazit "De la littérature allemande" von 1780 schließlich zur Feststellung, den Deutschen fehle es noch immer an einer entwickelten Sprache und an gutem Geschmack.
Das vierte Kapitel (E.) ist der Auseinandersetzung mit dem Begriff "siècle de Frédéric" in Deutschland gewidmet. Da sich hier verschiedene Diskussionsstränge und Positionen überlagern, die zudem chronologisch betrachtet werden müssen, ist Schröder keine optimale Gliederung des Kapitels gelungen. Es lassen sich jedoch drei Schwerpunkte erkennen: 1. Auch in Deutschland wurde in Anknüpfung an die "Querelle des anciens et des modernes" debattiert, ob in Preußen in Analogie zum "siècle de Louis XIV" mit einer Blütezeit der Schönen Künste und der Wissenschaften zu rechnen sei. Während etwa Lessing zu einer negativen Bilanz der damaligen Epoche der deutschen Literatur gelangte, war Johann Wilhelm von Archenholz gegen Ende des Jahrhunderts bereit, den Kreis der vier klassischen Blütezeitalter um das "Zeitalter Friedrichs" zu ergänzen.
2. Mit Thomas Abbts Abhandlung "Vom Tode für das Vaterland" (1761) gewann der Begriff "Jahrhundert Friedrichs" eine neue, primär politische Bedeutung. Daran knüpfte die Berliner Aufklärung in den 1780er-Jahren an, als sie das Bündnis zwischen Aufklärung und Monarchie zu retten versuchte. Für dieses Unternehmen konnte unter anderem Immanuel Kant gewonnen werden, der sich vom zyklischen Geschichtsverständnis ganz verabschiedete. Kant verstand die Menschheitsgeschichte als Fortschrittsgeschichte, deren Endzweck in der Errichtung der vollkommensten Staatsverfassung bestand. In dieser Perspektive erschien ihm Friedrich II. als der erste Herrscher, der gemäß der Devise "Räsoniert, so viel ihr wollt und worüber ihr wollt, aber gehorcht", den Fortschritt der Aufklärung auf allen Gebieten befördert habe. Im Aufsatz "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?" (1784) bezeichnete Kant das "Jahrhundert der Aufklärung" dann als "Jahrhundert Friedrichs". Wie Schröder richtig konstatiert, darf daraus allerdings nicht geschlossen werden, Kant habe die aufgeklärte Monarchie als Endzweck der Geschichte verteidigt. Für ihn war vielmehr die Republik die vollkommenste Staatsverfassung. Trotz seiner positiven Bewertung der Französischen Revolution hielt Kant jedoch an dem von Friedrich II. eingeschlagenen Weg der Reform fest: Als entscheidende Voraussetzung für die Errichtung einer republikanischen Verfassung betrachtete er jene von Friedrich gewährte Pressefreiheit, die sein Nachfolger dann 1788 aufgehoben hat.
3. Johann Gottfried Herder lehnte die Fortschrittstheorie seiner Zeitgenossen ab und gehörte auch zu den entschiedenen Kritikern ihrer Auffassung vom "Jahrhundert Friedrichs". Anfänglich kritisierte er vor allem die Religionspolitik des preußischen Königs, wandte sich dann jedoch grundsätzlich gegen die absolute Monarchie. Erst nach der Französischen Revolution gelangte Herder zu einer positiveren Einschätzung der Regierung Friedrichs II. Angesichts der verschlechterten Bedingungen für die Entwicklung von Wissenschaften und Künsten unter Friedrich Wilhelm II. anerkannte er, dass Preußen unter Friedrich II. mehr als jeder andere Staat seiner Größe "zum allgemeineren und milderen Licht Europa's" beigetragen habe.
Der zweite Schwerpunkt, den Schröder in der Diskussion um den Begriff "Jahrhundert Friedrichs" in Deutschland ausmacht, ist fraglos der bedeutendste. Denn hier zeigt sich, dass die zeitgenössische Einschätzung der Epoche Friedrichs II. nicht kulturell, sondern politisch motiviert war: Es ging dabei um die Staatsform der absoluten Monarchie, die aufgrund der "aufgeklärten" Regierung des preußischen Königs eine positive Würdigung erfuhr. Diese These erhärtet Schröder im letzten Kapitel ihres Buches (F.), in dem sie die zwar ebenso positive, jedoch ganz anders begründete Beurteilung des "Jahrhunderts Friedrichs" untersucht, die der Königlich preußische Staatsminister Ewald Friedrich von Hertzberg vorlegte. Dieser zielte ab den 1780er-Jahren darauf ab, Preußens Führungsrolle in Europa zu legitimieren, indem er an die geschichtstheologische Theorie von den vier Weltmonarchien anknüpfte. Dabei lehnte er die Theorie von der "translatio imperii Romani ad Germanos" ab. Gestützt auf Tacitus' "Germania" argumentierte er vielmehr, das Römische Reich sei durch "einige teutonische Nationen" zerstört worden, aus denen dann die wichtigsten europäischen Monarchien hervorgingen. Um seine These von der Überlegenheit der Germanen zu stützen, zog Hertzberg einerseits Montesquieus Klimatheorie heran, verwies andererseits aber auf die preußische Monarchie, die Friedrich II. in der Nachfolge Philipps von Makedonien und Alexanders des Großen geschaffen habe. Für diese Errungenschaften steht der Begriff "siècle de Frédéric". Dieses bezeichnete Hertzberg auch als "siècle philosophique" oder als "siècle éclairé". Im Unterschied zu Voltaire, aber auch zu den Berliner Aufklärern oder zu Kant zielte er damit jedoch nicht auf Friedrichs Verdienst als Protektor der Aufklärung. Ihm ging es vielmehr um den Nachweis, dass die von Tacitus beschriebene "Freiheit der Germanen" in Preußen in Gestalt einer "monarchie héréditaire et tempérée par de bonnes loix fondamentales" fortlebe. Deshalb sei die preußische Monarchie sogar einer Republik oder eine "Monarchie républicaine", wie sie in England bestehe, überlegen.
Schröder lässt am Schluss ihrer Untersuchung das "Jahrhundert Friedrichs" in seiner doppelten Bedeutung als aufgeklärte (Kant) und als durch Fundamentalgesetze gemäßigte Monarchie (Hertzberg) stehen. Dies ist aus der Perspektive ihrer begriffsgeschichtlichen Untersuchung durchaus legitim. Es steht nicht zu vermuten, dass sich die unterschiedliche staatstheoretische Beurteilung der preußischen Monarchie anhand der Verwendung des Begriffs "siècle de Frédéric" erklären ließe. Hier wäre vielmehr die politische Ideengeschichte gefragt, die in Schröders Studie einen soliden und anregenden Anhaltspunkt findet.
Claudia Schröder: "Siècle de Frédéric II" und "Zeitalter der Aufklärung". Epochenbegriffe im geschichtlichen Selbstverständnis der Aufklärung (= Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte; Bd. 21), Berlin: Duncker & Humblot 2002, 207 S., 1 Bildtafel, ISBN 978-3-428-10808-4, EUR 64,00
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