sehepunkte 4 (2004), Nr. 3

Jörg Deventer: Gegenreformation in Schlesien

Jörg Deventer schildert in seiner Habilitationsschrift das Problem der Gegenreformation unter dem Aspekt der habsburgischen Rekatholisierungspolitik in Schlesien am Beispiel der Städte Glogau und Schweidnitz. In seinen Überlegungen geht der Autor davon aus, dass der besondere rechtliche Status dieser politisch-gesellschaftlichen Organismen ein wichtiger Faktor bei der Durchsetzung der Gegenreformation in dem Oderland war: Zum einen waren beide Städte als Hauptorte von direkt der Krone untergeordneten Fürstentümern unmittelbar dem König als Landesherrn unterstellt, zum anderen wurde die Rekatholisierungspolitik wesentlich durch ihre politisch-rechtliche Autonomie modifiziert. Die vergleichende Analyse der Strategien und der Folgen der von den Habsburgern betriebenen Kirchenpolitik lässt dabei teilweise bedeutende Unterschiede in Verlauf beziehungsweise Intensität der Gegenreformation in Schlesien erkennen.

Im Anschluss an das Einleitungskapitel mit einem Überblick über den Quellen- und Forschungsstand skizziert der Verfasser die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie den Verlauf der Reformation in beiden Städten bis etwa 1580. Die Gegenüberstellung der konfessionellen Verhältnisse zeigt, dass sich in Schweidnitz allmählich alle gesellschaftlichen Schichten der Reformation anschlossen, wohingegen sich in Glogau eine Spaltung zwischen dem katholischen Rat und dem überwiegend protestantischen Bürgertum bei Erhalt einer stabilen katholischen Minderheit herauskristallisierte. Gewisse Zweifel ruft jedoch die Aussage des Verfassers hervor, dass die Anfänge der Reformation in beiden Fürstentümern und deren Hauptstädten, insbesondere in Schweidnitz, auf besondere Weise mit der anabaptistischen und der Schwenckfeld'schen Bewegung in Verbindung gestanden hätten. Valerius Rosenhayn, der als einer der Ersten in Schweidnitz evangelische Predigten gehalten hat, gehörte zwar schon damals zu Schwenckfelds Freunden, konnte jedoch kaum Anhänger von dessen Lehre sein, denn Schwenckfeld vertrat zu jenem Zeitpunkt noch eine eindeutig lutherische Anschauung, während die Ursprünge seines selbstständigen religiösen Denkens erst auf die Jahre nach 1525, das heißt auf die Zeit nach der Abreise Rosenhayns aus Schweidnitz, datiert werden können. Und was den Anabaptismus in Schlesien anbetrifft, so spielte dieser, zumindest nach den bisherigen Forschungen, nur eine vorübergehende, sekundäre Rolle. Vielleicht wäre es für die Erhellung des Verlaufs der Reformation in Glogau und Schweidnitz angebracht gewesen, auf die Entwicklung in den anderen Städten der beiden Fürstentümer, und sei es lediglich in Form eines Literaturüberblicks, hinzuweisen.

Im dritten Kapitel, das den Zeitraum von 1580 bis 1620 behandelt, richtet Deventer sein besonderes Augenmerk auf die prosopographische Analyse der politischen und kulturellen Eliten in Schweidnitz. Er entfaltet dabei zwar ein umfangreiches Panorama der Geschichte des inneren Lebens der Stadt, greift aber sein eigentliches Thema kaum auf. Es fehlt die Darstellung des Zusammenhangs zwischen den ausführlich beschriebenen Angelegenheiten von Personen aus den politischen und kulturellen Elitekreisen, deren Herkunft, Bildung sowie den von ihnen bekleideten Ämtern beziehungsweise ausgeübten innerstädtischen Funktionen (was durchaus lohnender Gegenstand einer separaten Veröffentlichung sein könnte) und den Konsequenzen all dessen für die Religionspolitik der habsburgischen Könige. Als Schlüsselereignis in der Geschichte von Glogau wertet der Autor den so genannten Glogauer Kirchenstreit, das heißt die Bestrebungen der evangelischen Bürger, die Pfarrkirche zu übernehmen. Nach diesem Kapitel müsste man schließen, dass die Rekatholisierungspolitik der Habsburger eher eine Randerscheinung war.

Das vierte Kapitel schildert die Rekatholisierung beider Städte vor dem Hintergrund des 30-jährigen Kriegs. Besondere Aufmerksamkeit schenkt Deventer dabei der habsburgischen Strategie, die für die Verwaltung der Fürstentümer entscheidenden Ämter, vor allem das des Landeshauptmanns, mit loyalen Personen zu besetzen und damit den Druck auf die Städte zu erhöhen. Das entscheidende Merkmal der neuen königlichen Politik in dieser Zeit bestehe, so der Autor, in dem Übergang zur offenen Konfrontation mit den Protestanten, etwa durch die Einquartierung spezieller Militärtruppen, der so genannten Liechtensteiner Dragoner, in den Städten.

Im fünften Kapitel, einer Analyse der Zeit vom Westfälischen Frieden bis zur Altranstädter Konvention, stellt der Autor die Herausbildung bikonfessioneller städtischer Gesellschaften in den Mittelpunkt seiner Darlegungen. Parallel zur Politik der Rekatholisierung, die hauptsächlich in der rücksichtslos durchgeführten so genannten Kirchenreduktion Ausdruck fand, in deren Verlauf den Protestanten in den Städten selbst wie im gesamten Gebiet der Fürstentümer Glogau und Schweidnitz alle Kirchen weggenommen wurden, erfolgte nach Meinung des Verfassers eine Glaubenskonsolidierung der Protestanten - trotz Diskriminierung, wobei die Möglichkeit zur Bildung einer informellen Gruppierung der protestantischen Gemeinschaften um die Friedenskirchen in Glogau und Schweidnitz von entscheidender Bedeutung gewesen sei.

Einige Zweifel rufen dagegen der in der Arbeit angenommene allgemeine Zeitrahmen der untersuchten Erscheinungen und deren einzelne Etappen, das heißt die grundsätzliche Anordnung der dargestellten Fragen hervor. Der Autor selbst unterstreicht, dass von einer Rekatholisierungspolitik der Habsburger in Schlesien entweder ungefähr seit dem Jahr 1570 (4 - zumindest lassen sich seine diesbezüglichen Aussagen so deuten) oder seit 1580, das heißt seit der Annahme der Beschlüsse des Konzils von Trient durch die Diözesansynode von Breslau (12), die Rede sein könne. Mit diesem Datum beginnen auch seine Ausführungen zum Thema in Kapitel 3. Es erhebt sich also zum einen die Frage nach den vorangegangenen 54 Jahren der habsburgischen Herrschaft, denn im Untertitel des Werks wird 1526 als Beginn der Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz benannt. Zwar wird in Kapitel 2 durchaus auch die allgemeine Politik der Habsburger gegenüber den beiden Städten angesprochen, aber da Deventer davon ausgeht, dass deren rechtlich-politische Autonomie sie vor einer aktiven Kirchenpolitik des Königs geschützt habe, wird dieser Aspekt nicht näher untersucht. Zum anderen erscheint das Jahr 1580 als Beginn einer königlichen Rekatholisierungspolitk fraglich. Die Annahme der Beschlüsse des Konzils von Trient stand vor allem im Zusammenhang mit den Reformen in der katholischen Kirche selbst und ihrer Politik gegenüber dem Protestantismus und kann nicht der Rekatholisierungspolitik des Königs zugeschrieben werden. Auch die Annahme, das Jahr 1707 sei als Abschluss der habsburgischen Rekatholisierungspolitik gegenüber Glogau und Schweidnitz zu betrachten, ruft einige Zweifel hervor. Die Altranstädter Konvention, welche die Habsburger zur Beachtung der Beschlüsse des Westfälischen Friedens zwang, bedeutete zwar eine wesentliche Milderung verglichen mit der bis dahin praktizierten Politik, sie führte jedoch nicht dazu, dass die Bemühungen, Schlesien vollständig zu rekatholisieren, gänzlich eingestellt worden wären, wie auch etwa die Behandlung der Schwenckfelder belegt.

Wie erwähnt, erweckt auch die innere chronologische Einteilung des Untersuchungsgegenstands einige Bedenken. Die Heranziehung von Daten der allgemeinen Geschichte Schlesiens zur Periodisierung der königlichen Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz scheint nicht ganz gelungen. Während die Zäsuren 1648 und 1707 für die Religionspolitik der habsburgischen Könige unstrittig sind und Konsequenzen für die Lage der protestantischen Bewohner der beiden Städte hatten, markieren die Daten 1526 und 1580, wie gezeigt, keine Schlüsselereignisse für die konfessionelle Situation in den beiden Städten. Auch das Jahr 1620 bedeutete keine sofortige Zäsur in der Glaubenspolitik, denn noch im Dresdner Vertrag von 1621 bestätigte der König die Gültigkeit der den Protestanten in Schlesien im Majestätsbrief von 1609 zugestandenen Rechte. Die Niederlage des böhmischen Ständeaufstands könnte demnach eher als Vorgeschichte und Bedingung für eine mögliche neue Etappe in der habsburgischen Kirchenpolitik betrachtet werden. Die Perioden der Rekatholisierung in Glogau und Schweidnitz sollten folglich stärker in Abhängigkeit von konkreten, die beiden Städte betreffenden Gegebenheiten oder Entscheidungen gesehen werden.

Abgesehen von der nicht überzeugenden Periodisierung bietet die umfangreiche Arbeit jedoch eine detaillierte Analyse von Ereignissen und Erscheinungen, die im Zusammenhang mit der Konfessionalisierung der beiden Städte und der auf sie ausgerichteten Religionspolitik der böhmischen Könige stehen. Diese Darstellungsart bereichert und vertieft das Wissen über die Geschichte der schlesischen Bevölkerung in einem breiten Zeitrahmen vom 16. Jahrhundert bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts.

Anmerkung:

Vgl. hierzu die Rezension von Małgorzata Morawiec in dieser Ausgabe [http://www.sehepunkte.de/2004/03/3741.html].

Rezension über:

Jörg Deventer: Gegenreformation in Schlesien. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz 1526-1707 (= Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte; Bd. 8), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2003, X + 433 S., 13 s/w-Abb., ISBN 978-3-412-06702-1, EUR 44,90

Rezension von:
Gabriela Wąs
Historisches Institut, Universität Wrocław
Empfohlene Zitierweise:
Gabriela Wąs: Rezension von: Jörg Deventer: Gegenreformation in Schlesien. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Glogau und Schweidnitz 1526-1707, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2003, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 3 [15.03.2004], URL: https://www.sehepunkte.de/2004/03/4885.html


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