Der ganze Problemkreis des Standardwerks von Karl Bosl zur Reichsministerialität der Salier und Staufer (1950/51) wird nach rund 50 Jahren in der Bielefelder Dissertation Jan Ulrich Keupps wieder aufgenommen und zwar wohlweislich für den engeren Zeitraum der Herrscher Friedrich I. Barbarossa und Heinrich VI. Die Arbeit zeichnet sich besonders durch Quellennähe und stetige Quellenbefragung aus.
Keupp bezeichnet seinen ersten Schwerpunkt "Ministerialität zwischen Formierung und Konsolidierung", wobei er zurückgreift auf die Intensivierung herrschaftlicher Raumerfassung einerseits und die ökonomischen sowie demografischen Wandlungsprozesse andererseits seit dem 11. Jahrhundert. Diese begünstigten eine funktionale Differenzierung innerhalb der grundherrlichen familia, sodass es seit der Heranziehung von Grundholden zum Kriegsdienst, zu Hof- und Verwaltungsdiensten zu einem rasanten Aufschwung der servitores, servientes, ministeriales kam, der Vorbehalte und Missgunst provozierte und zu Konflikten und Aufständen führen konnte. Gezielt arbeitet der Verfasser verschiedenartige, aber für sich sprechende Quellenzitate heraus und zeigt das früh selbstbewusste Auftreten mancher Dienstmannschaften auch gegenüber ihrem eigenen Herrn.
Mit dem eindrucksvollen Schlussbild des "liber ad honorem Augusti" des Petrus von Ebulo, das den Kaiser Heinrich VI. mit seinen führenden Ministerialen zeigt und sprachlich illustriert vermag Keupp das Spannungsfeld der rasant aufsteigenden Reichsministerialen abzurunden.
Sehr prägnant und eindrucksvoll ist das zweite Unterkapitel, das Name und Gliederung, Rang und Stand der Ministerialität, Entwicklung des Ministerialenrechts, Funktion und Verpflichtung, aber auch ausführlich ihre teils aufwändige Sachkultur und Lebensform aufzeigt und damit eine wichtige Standortbestimmung liefert.
Das Großkapitel II analysiert in vorbildlicher Weise anhand exemplarischer Beispiele die Karrierelaufbahn ausgewählter 'Spitzenvertreter' der Reichsministerialität aus dem unmittelbaren Umfeld des Kaisers. Besonderes Augenmerk richtet er dabei auf ihre Herkunftsregionen, die spezifischen politischen Kräftefelder und ihre personellen Beziehungsnetzwerke sowie ihre Besitzstrukturen. Ausgewählt wurden die Reichsministerialen von Bolanden, von Münzenberg, von Lautern(-Hohenecken), die Marschälle von Pappenheim und Kalden, die Schenken von Schüpf, Siebeneich und Rothenburg, schließlich als besonderer 'Erfolgsstar' Markwart von Annweiler, dem Keupp eine ausgezeichnete, wohlabwägende Darstellung widmet, die auch die relativ schmale Herrschaftsbasis in der Heimat des Annweilers gebührend berücksichtigt, aber besonders seine beachtlichen militärischen und finanziellen Ressourcen in Italien. Erfreulich ist, dass Keupp auch auf Diepold von Schweinspeunt, zeitweise 'Mitarbeiter' Markwarts im Königreich Sizilien, verweist. Der Verfasser betont dessen bescheidene Herkunft aus einer Ministerialenfamilie der Grafen von Lechsgemünd. Diese freilich hatten mächtige Positionen zwischen Donau und Alpenhauptkamm. Erstaunlich ist die Heiratspolitik Diepolds, die seine Familie mit mächtigen kampanischen Grafen nachhaltig verband. Diepolds Schwenk auf die Seite des Welfen Otto IV. brachte ihm die Herzogsherrschaft über Spoleto, dann aber die Gefangenschaft unter Friedrich II. Sein späterer Eintritt in den Deutschen Orden ist ein Sachverhalt, der auch in anderen Ministerialenfamilien künftig stärker beachtet werden sollte. Auch am Beispiel des Reichsministerialen Otto von Parkstein, der 1192 zu den Mördern des Bischofs von Lüttich gehörte, zeigt sich das befreiende neue Aufgabenfeld in Italien. Keupp sieht an diesen Beispielen, dass die Karriere Markwarts von Annweiler in Mittel- und Süditalien kein singulärer Vorgang war. "Das Regiment des Staufers im Süden [...] erschloss zahlreichen deutschen Rittern den Eintritt in die Herrschaftsschicht einer Expansionszone staufischer Herrschaft" (285).
Nach der Lektüre all dieser exzellent behandelten Beispiele hätte man sich eigentlich eine Untersuchung über mehr regional amtierende, aber doch wichtige Reichsministerialen gewünscht, etwa über die führenden Nürnberger und Frankfurter Reichsdienstmannen des endenden 12. Jahrhunderts, die Ministerialen der Pfalzen wie Wimpfen und dergleichen. Wichtig wäre auch zu wissen, ob die Familie des 'Höllenhunds' Otnand in Ostfranken und Oberpfalz noch in der Stauferzeit wirkte. Nicht erwähnt wurden die Schenken von Erbach, die nach einer jüngeren Untersuchung zur "obersten Schicht der Reichsministerialität" gehören sollen. Ist es nur ein Versehen, dass neben den Reichsministerialen von Bolanden, Münzenberg und so weiter die Schüpf, Siebeneich und Rothenburg lediglich 'Ministerialen' genannt werden? Bezüglich der Reichsschenken von Schüpf-Klingenberg-Prozelten ist der Verfasser der Meinung, dass die Burg Prozelten erst spät im 13. Jahrhundert den Schüpfern zugefallen sei. Der Rezensent ist nach eigener Quellenkenntnis anderer Meinung.
Von ganz besonderer Wichtigkeit ist das Kapitel 8 "Kirchenministerialen im Dienst der staufischen Herrscher" (285-299). Hier geht es dem Verfasser hauptsächlich um den von Bosl geprägten Begriff der "Doppelministerialität", dem er auf Basis der Quellen ausführlich nachgeht. Keupp betont mit Recht, dass auch der Besitzstand eines Ministerialen, "seien es Lehen oder Inwärtseigen, [...] zwischen Reich und Reichskichen keineswegs frei konvertibel [war]. Vielmehr bedurfte es hierzu einer besonderen Privilegierung" (288). Keupp fordert "jenseits einer allgemein gültigen Rechtsnorm nach den spezifischen Ursachen und Erscheinungsformen für den Reichsdienst einzelner Kirchenministerialen" (289) zu fahnden. Dazu bietet er eine ganze Reihe hochinteressanter Karrierebeispiele.
Im Großkapitel III werden vier zentrale Probleme angesprochen, zunächst die Frage nach raumübergreifenden Organisationsformen, die der Verfasser für das 12. Jahrhundert abschlägig beantwortet. Erst im 13. Jahrhundert werden Quellenzeugnisse für raumübergreifende Ministerialverwaltung sichtbar. Dies gilt auch für das Landrichteramt hoher Ministerialen. Die Attraktivität von Klöstern für die Memoria der Ministerialität kann der Verfasser schon seit der Mitte des 12. Jahrhunderts belegen, auch Ministerialengründungen wie Adelberg kommen vor.
In das Konnubium der Spitzenvertreter der Reichsministerialität lassen die Quellen nur bescheidene Einblicke zu. Die Gattenwahl scheint vorwiegend innerhalb der Ministerialität verblieben zu sein, immerhin sind Ehen mit Nachkommen besitzarmer Edelfreier belegt. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts zeigt sich aber auch hier ein Sprung in neue Möglichkeiten.
Trotz disparater Quellenlage sind Keupps Überlegungen zur Hofpräsenz und zum instabilen königlich / kaiserlichen Hof selbst höchst aufschlussreich. Trotzdem hätte er in diesem Zusammenhang noch auf die sich anbahnende staufische Städtebildung (zum Beispiel Frankfurt, Gelnhausen, Nürnberg) und ihre Relevanz für Ministerialenkarrieren verweisen sollen. In der Zeugentätigkeit für Herrscherurkunden, die allmählich sich verstärkt, erscheint nur ein eng begrenzter Zirkel aus wenigen prominenten Familien. Diese Ministerialen begegnen in nahezu allen Regionen bei Hofe. Schließlich werden die Ministeriales geradezu Rangindikator und Symbol weltlicher Macht, die militia Herrschaftsgrundlage und ornamentum imperii. In einem Unterkapitel 4 zeigt sie Keupp als Leistungsträger im Bild der Quellen, aber auch ihren Wettstreit um Tüchtigkeit und Ruhm, um zur Gunst des Herrschers zu gelangen.
In seinen ausführlichen "Schlußbetrachtungen" (471-479) zeigt Keupp zunächst das sich verändernde Verhältnis Friedrich Barbarossas zu seinen Reichsministerialen, der sich anfänglich nicht aufgrund eigener "Urteilsbildung, sondern nur auf Rat der Fürsten (Rahewin) als handlungsfähig bekannte" (472) und Berater aus seinen Ministerialenkreisen kaum heranzog. Dementsprechend fehlen auch Zeugnisse stattlicher Landvergabungen durch Barbarossa in jener Zeit völlig. Italienzüge freilich und vor allem die Wende der kaiserlichen Italienpolitik 1177 begünstigten eine Neuausrichtung kaiserlicher Herrschaftsgestaltung, die sich nach Keupp als 'Militarisierung' der Reichspolitik umschreiben ließe. Der Sohn und Nachfolger Barbarossas stützte sich dann im Gegensatz zum Vater in seinem Regierungshandeln immer stärker auf die zuverlässige reichministeriale Helfergruppe.
Abschließend betrachtet Keupp noch einmal den politischen Wandel und seine Wahrnehmung durch die Zeitgenossen mit eindrucksvollen Quellenzeugnissen. "Der Reichsdienst bildete [...] das Ferment eines sozialen Aufstiegs, dem freilich erst eine konsequente Umsetzung in lokale Herrschaftsrechte Dauer in der Zeit verlieh" (479).
Ein umfangreiches Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein sorgfältiges Register der Orts- und Personennamen beschließen dieses eindrucksvolle Werk.
Jan Ulrich Keupp: Dienst und Verdienst. Die Ministerialen Friedrich Barbarossas und Heinrichs VI. (= Monographien zur Geschichte des Mittelalters; Bd. 48), Stuttgart: Anton Hiersemann 2002, VII + 572 S., ISBN 978-3-7772-0229-7, EUR 158,00
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