sehepunkte 5 (2005), Nr. 6

Rezension: Georg-Forster-Studien V-VII

Es gilt in vorliegender Besprechung drei Bände der im Auftrag der Georg-Forster-Gesellschaft zu Kassel herausgegebenen Reihe Georg-Forster-Studien zu würdigen, die zwischen 2000 und 2002 veröffentlicht worden sind und aktuelle Forschungsperspektiven auf Leben und Werk Georg Forsters (1754-1794) darbieten. Hervorgegangen sind die Aufsätze aus den jährlichen Kasseler Georg-Forster-Kolloquien: Während Band V thematisch Forsters Reisebericht Ansichten vom Niederrhein (1791) in den Mittelpunkt rückt, befassen Band VI und VII sich mit der hochinteressanten Rezeptionsgeschichte dieses Autors im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert. Die Inhaltsangabe der gesamten Reihe findet man auch auf der Website der Georg-Forster-Gesellschaft. [1]

Es ist die Absicht der Georg-Forster-Gesellschaft, die Forster-Forschung mittels dieser Reihe "weltweit [zu] intensivieren" [2] und diesen in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen deutschen Intellektuellen und lange Zeit marginalisierten Schriftsteller zum akzeptierten Forschungsgegenstand zu machen. Das Bestreben der "weltweiten" Forschung wird in den drei hier zu besprechenden Bänden nicht wirklich erfüllt. Zu Wort kommen hauptsächlich Forscher aus Deutschland oder der deutschen akademischen 'Diaspora' in den USA; die französische Historikerin Marita Gilli und der amerikanische Historiker Hugh West sind die einzigen wirklich 'ausländischen' Stimmen. Insofern wundert es nicht ganz, dass West die Überschrift seines Aufsatzes über die Probleme der Forster-Biografik mit dem Untertitel 'an American Perspective' ergänzt. Obgleich hier also nicht unbedingt die Rede von "weltweiter" wissenschaftlicher Untersuchung ist, trifft das Wort "Intensivierung" dennoch zu. Die drei Bände enthalten viele - es handelt sich insgesamt um mehr als dreißig Aufsätze - thematisch heterogene, interessante und eingehende Analysen, von denen einige hier besprochen seien. Erwähnenswert ist die institutionell-wissenschaftliche Feststellung, dass, obwohl die Forster-Forscher unterschiedlichen Fachbereichen angehören, "die Germanistik," wie Horst Dippel in der Einführung zum VII. Band feststellt, die Forschung dominiert, "die Geschichtswissenschaft eine ungleich geringere Rolle spielt, während Ethnologie, Naturwissenschaften, die Kunstwissenschaft u.a. Georg Forster zum Teil erst noch wiederentdecken müssen" (VII, vii). Diese Anmerkung trifft auf die hier dargestellte Forschung zu: Etwa die Hälfte der Beiträge kommt aus dem literaturwissenschaftlichen beziehungsweise 'germanistischen' Forschungsbereich, die andere aus dem historischen. Das erklärt wohl, warum gewisse Themen immer wieder auftauchen und Überlappungen und Widersprüche sich nicht vermeiden lassen, während zugleich sehr viel im Forster'schen Œuvre unberücksichtigt bleibt. Eine Nuance sei indes in diesem Zusammenhang eingefügt: Obgleich das Interesse dieses aufklärerischen Naturwissenschaftlers, Kunsthistorikers, Anthropologen, Orientalisten, Philologen, Kulturkritikers, Politikers und Politologen - kurzum 'Gelehrten' - so weit gespannt war, dass man sich tatsächlich in diversen Forschungsbereichen mit seinen Texten auseinandersetzen könnte, scheint vor allem die historische Dimension seines Wissens von Bedeutung. Meines Erachtens hat vor allem die Wissenschaftsgeschichte an ihm noch überraschende Entdeckungen zu machen.

Dass Forsters Theorien über Natur und Geschichte nicht unbedingt immer einen radikal aktuellen Wert haben müssen, um gewürdigt zu werden, beweist beispielsweise Annette Graczyks hochinteressanter Aufsatz "Forschungsreise und Naturbilder bei Georg Forster und Alexander von Humboldt" (VI, 89-116). Sorgfältig spürt Graczyk dem Verhältnis zwischen dem späteren Entdecker Humboldt und seinem ehemaligen "Lehrer" Georg Forster nach, mit dem er im Jahr 1790 die Reise an den Niederrhein, durch die Niederlande, Nordfrankreich und England unternahm. Obwohl Humboldt die Rolle seines Mentor für den eigenen professionellen Werdegang immer wieder öffentlich anerkannte - 1806 schreibt er zum Beispiel in seinem autobiografischen Aufsatz Mes Confessions, dass die Reise mit Forster "me décida aussi plus que jamais pour le voyage hors d'Europe" (VI, 96) -, zeigt Graczyk, dass Humboldts Forster-Porträts Schwankungen unterlagen und als Teil seiner "Wissenschaftsdiplomatie und narzistischen Selbstinszenierung" verstanden werden sollten. Diese biografischen Details übersteigen den schlichten anekdotischen Wert, indem nachgewiesen wird, wie ähnlich zwiespältig auch der Einfluss von Forsters Naturbeschreibungen und -klassifizierungen auf Alexander von Humboldts Naturgeschichte sind: Forsters anti-linnéische, ökologische Naturbeschreibung, in der "Natur und Kultur in ihren natürlich gegebenen Zusammenhängen" (VI, 111) gezeigt werden, wurde prinzipiell von Humboldt übernommen, aber zugleich insofern überschritten, als er einen höheren Abstraktionsgrad anstrebte und in seinem Kosmos Forsters empirisch gebundenen Blick übersteigen wollte. Damit wurde Humboldt allerdings seinerseits schon zu Lebzeiten durch die neue Wissenschaftssystematik überholt.

Vielseitiger ergründet als Forsters Naturwissenschaft sind seine Kunstauffassungen, namentlich in den Nachrichten vom Niederrhein entfaltet, die immer neu kontextualisiert und gedeutet werden. Drei Aufsätze widmen sich Forsters Auseinandersetzung mit der alten und neuzeitlichen Kunst während seiner Reise am Niederrhein. Berthold Hinz, "Kunst-Ansichten vom Niederrhein insbesondere zum Kölner Dom und flammändischen Machwerk" (V, 79-102), beschreibt, wie Forster mittels einer Waldmetapher ein Gefühl des Erhabenen vis-a-vis des Kölner Doms auszudrücken versucht und somit ein Gebäude wertschätzt, das im Grunde seinen klassizistischen Schönheitsvorstellungen widersprach. Die Dominanz der klassischen Kunstform zeigt sich auch in Forsters ausgesprochener Abwertung von Rubens, dessen sensuelle Körperdarstellungen ihm als Ausdruck eines amoralischen Lustprinzips Unbehagen einflößen. Hintz stellt aber auch fest, dass Rubens Forster nicht nur abstößt, sondern auch sehr fesselt, denn warum sonst ließ Forster die Rubensgemälde nicht einfach links liegen und eilte "von Galerie zu Galerie und von Kirche zu Kirche, um ja kein Bild dieses Meisters zu verpassen" (V, 96). Weiterführend dazu ist die Analyse Tanja van Hoorns, die den Einfluss des puren Klassizismus bei Forster insofern nuanciert (103-127), als sie nachweist, wie eklektisch seine Kunstbetrachtungen im Rahmen einer allgemeinen Ansicht über die primär humanistische Aufgabe der Kunst sind. Die Kunst, so van Hoorn, ist für Forster "das Mittel, ein durch einseitige Rationalität verursachtes Umschlagen aufklärerischer Vernunft in Barbarei zu verhindern" (V, 126). Die Brisanz dieser Hypothese in der modernen Kulturkritik spricht für sich. Etwas weniger neu mutet in diesem thematischen Zusammenhang schließlich der Aufsatz von Rotraut Fischer an (VI, 25-49): "Georg Forsters Kunstbetrachtungen zwischen Klassizismus, Klassik und Romantik", in dem, wie die Überschrift andeutet, abermals der intermediäre Charakter seiner Ästhetik dargelegt wird. Eine sorgfältige Kontextualisierung von Forsters Texten innerhalb - bekannter und kanonisierter - ästhetischer Programmatik kann nicht verhindern, dass einige Ansichten der Autorin nicht ganz überzeugen. So die Interpretation, dass das Studium der griechischen Antike in Klassik wie Romantik "den historischen Charakter aller Kunst [lehrt]" und Goethes Andeutung über den "griechischen Himmel" [...] "die Historizität der griechischen Klassik" impliziert (VI, 37). Diese Schlussfolgerungen übersehen, wie grundsätzlich idealistisch die griechische Kultur in allen kulturkritischen wie künstlerischen Diskursen, die sich in Europa um 1800 mit ihr befassten, betrachtet wurde; eine Tendenz, die erst Nietzsches anthropologische Betrachtungen durchbrachen.

Einen interessanten Beitrag zur "Intensivierung" der Forster-Forschung, der über die schlichte informationsvermittelnde Funktion von Forsters Reiseberichten hinausgeht, liefert Harro Segebergs Theoretisierung der Reiseliteratur als "Wissensspeicher" (V, 1-13). Segeberg siedelt die Ansichten vom Niederrhein in der bis in die Antike zurückreichenden Tradition der selbstreflexiven Weltaneignung im peripatetischen Erkenntnisprozess an. Damit grenzt er Forsters Reisebericht von der statistisch-deskriptiven Reisebeschreibung der Frühaufklärung ab und lenkt die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Sprache, das heißt auf Forsters "außerordentlich reflektierte[n], weil stets zeichenvermittelten Schrift-Sensualismus", dem es nicht darauf ankommt, "möglichst eindeutige Verknüpfungen herzustellen" zwischen Schriftzeichen und "kollektiv vorcodierten Bildvorstellungen" (13), sondern der sich der wesentlichen Feststellung bewusst zeigt, dass, wie Forster selber aussagt, "keine Beschreibung dem Andern [wiedergibt]", was [s]ein Auge unmittelbar von dem Gegenstand empfing" (14). Die - diesmal bildliche - Mediatisierung ist auch das Thema von Rolf Reichardts Aufsatz "Die Geburt des Revolutionärs Georg Forster aus der politischen Bildlichkeit" (V, 163-227). In einer sorgfältigen, chronologischen Rekonstruktion von Forsters Briefwechsel mit seinem Verleger Voß belegt Reichardt die wesentlich Rolle, die der Revolutionär den seine Texte begleitenden Bildmaterialien und Illustrationen in der Vermittlung seines politischen "Enthusiasmus" beimaß (166). Erlebnisse in Frankreich wie die symbolische Volksveranstaltung am 14. Juli 1790 auf dem "Champs de Mars" in Paris, an der er zusammen mit Alexander von Humboldt teilnahm, wollte Forster seinem Lesepublikum in ihrer bildlichen Qualität vermitteln. Genau das ist der Grund, weshalb er sich während der Vorbereitung der Veröffentlichung auf langfristige Unterhandlungen über geeignete Kupferstecher und Illustratoren einließ. Das Verlangen nach Bildlichkeit wurde schließlich zum Strukturprinzip von späteren Texten wie den Erinnerungen aus dem Jahr 1790 (1792) und den Parisischen Umrissen, die sich als "Reflexionen über eine zuvor planvoll zusammengestellte Galerie von Kupferstichen entwickel[n]" (194). Im Gegensatz zu der sich immer wieder am Text orientierenden Forster-Forschung betont Reichardt, dass Forsters "ungewöhnliche Kunst bildlicher Darstellung und Reflexion" und "deren innerer Zusammenhang noch zu entdecken bleibt" (197).

Ein wichtiger Aspekt der Forster-Forschung schließlich, dem zwei Teile der Reihe gewidmet sind und der von Bedeutung ist, weil er eigentlich den Grund des heutigen Forschungsimpulses enthält, ist die Forster-Rezeption. Seit Forsters frühem Tod im Jahre 1794 bis weit ins zwanzigste Jahrhundert, so zeigen die Beiträge von unter anderem Ludwig Uhlig, Gerhard Pickerodt, Rolf Hočevar, Helmut Scheuer und Michael Ewert, war die Rezeption seiner Werke alles andere als selbstverständlich. Der Autor landete bekanntlich nicht in der Kategorie der kanonisierten Denker. Außerdem war er auch nie ein 'neutrales' Forschungsobjekt, sondern erwies sich immer als Thema, das seinem Forscher eine Parteinahme 'für' oder 'gegen' abzuverlangen schien und so wissenschaftliche Analyse zur ideologischen Stellungnahme machte. Der Grund dafür liegt natürlich teilweise in der Tatsache, dass es sich um einen Autor mit ausgesprochen politischen Ansichten handelt. Aber die andere Hälfte der Erklärung hat mit der Geschichte der deutschen Kultur- und Wissenschaftsforschung im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert zu tun.

Hingewiesen sei an erster Stelle auf die zwei Beiträge Ludwig Uhligs, der im VI. Band das Forster-Bild in der Kulturtradition des neunzehnten Jahrhunderts (VI, 1-24) und im VII. die Geschichte der "Forster-Editionen von Leitzmann bis zur Akademie-Ausgabe" (VII, 1-20) analysiert. Wie schon mehrmals - nicht zuletzt in der Frauenliteraturforschung der letzten Jahrzehnte, die ja Erfahrung hat mit 'marginalisierten' Autoren - festgestellt wurde, ist die Grundlage einer seriösen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem Autor eine zuverlässige Textausgabe. Die erste Werkausgabe Forsters stammte aus dem Jahr 1843 und wurde von seiner ältesten Tochter Therese Forster teilweise in Zusammenarbeit mit dem Literaturhistoriker Gervinus besorgt. Obwohl sie, wie Uhlig darlegt, schon "einen einigermaßen trefflichen Eindruck von Forsters Werk gab" (VI, 3), blieb sie bis zu der von Gerhard Steiner in den Fünfzigerjahren angeregten Akademie-Ausgabe, Georg Forsters Werke, Sämtliche Schriften, Tagebücher Briefe, die einzige umfassende Werkausgabe. Sorgfältig beschreibt Uhlig die lange Strecke, die bis zur Akademie-Ausgabe zurückgelegt werden musste: von vereinzelten Veröffentlichungsinitiativen einiger Forster-Texte über die editorischen Bemühungen von Albert Leitzmann und Paul Zincke zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Dass um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert versucht wurde, Forsters Werke und Briefe zu veröffentlichen, ist eher zufällig. Im Sog der durch den Positivismus angeregten archivalischen Erschließung von biografischen Dokumenten von Autoren stieß Leitzmann immer wieder auf Briefe und Texte von Georg Forster, was ihn zu der Veröffentlichung dieses vernachlässigten Denkers trieb. Uhlig weist noch darauf hin, dass die wissenschaftliche Begeisterung des Akademikers Leitzmann allerdings dessen Irritation über die politischen Ansichten seines 'Editionsobjekts' nicht verhindern konnte. Die Geschichte von Forsters biografischen Porträts ist ein ähnliches unsystematisches Trajekt, das durch persönliche Verhältnisse und politische Stimmungen bestimmt wurde. Die Ausgangslage der Veröffentlichung seiner biografischen Quellen erwies sich schon bald nach Forsters Tod als problematisch: Seine Exfrau Therese Huber übernahm die Aufgabe, seinen Briefwechsel an die Öffentlichkeit zu bringen. Aus eigennützigen Gründen erwies sie sich jedoch als malafide Redakteurin. Sie "unterschlug, vernichtete oder verstümmelte [viele Briefe] in der Absicht, ihre eigene Rolle in Forsters Leben zu verschleiern" (VI, 5). Therese Huber leitete ebenfalls eine Trivialisierung des Forster-Bildes ein. Sie benutzte ihre Erinnerungen an Forster als Grundlage für ihre, so Uhlig, triviale Literaturproduktion und betonte überdies in diesen semi-fiktiven Darstellungen Forsters Charakterschwächen, die von den ihm feindselig gestimmten Intellektuellen im Laufe der Zeit dankbar herbeizitiert wurden. Beispiele dieser Rezeption liefern Ina Seidels Roman Das Labyrinth (1924; siehe dazu auch den Aufsatz von Helmut Scheuer in Band VII, 61-88) und sogar noch Klaus Harpprechts Biografie mit ihren "romanhaft erzählenden und spekulativen Passagen" aus dem Jahr 1987 (VI, 21). Uhligs historische Offenbarungen sind in vielerlei Hinsicht einleuchtend, zumal sie einen besonders interessanten Blick auf die Machtkämpfe in der deutschen Geistesgeschichte erlauben (interessant ist in diesem Zusammenhang auch der Vergleich mit Marita Gillis Übersicht über die Forster-Rezeption in Frankreich, Bd. VII, 199-222). Zu hinterfragen ist meines Erachtens nur der geradezu heftige Ton, den Ludwig Uhlig manchmal in seiner historischen Rekonstruktion handhabt. So lässt er zum Beispiel keinen Zweifel über die ungeheuere Schuld von Therese Huber am historischen Erbe Forsters. Keine Erklärung für ihr Betragen wird in Erwägung gezogen. Im Hinblick auf jenes andere bedeutungsvolle Veröffentlichungsprojekt, nämlich die von Magdalene Heuser redigierte Ausgabe der Briefe Therese Hubers, die einen Einblick in die nicht nur finanzielle, sondern auch emotional verzweifelte Lage dieser ebenfalls marginalisierten Autorin erlauben, bedarf es einiger Nuancierung. Beurteilungen wie "parasitär aufgepfropfte [Romanhandlungen]" (VI, 10) und "giftigste Diffamierung Forsters" (VI, 19) kommen zweifelsohne daher, dass Uhlig sich der großen Bedeutung Forsters bewusst ist und wie kaum ein anderer die peinliche "Fehlentwicklung der deutschen Forster-Rezeption" überblickt. Doch es ist die Frage, inwiefern die Freilegung von historischen Prozessen einen Versuch beinhalten sollte, sie "rückgängig" zu machen; nicht ohne alle historische Ironie ist dabei der Eindruck, dass Uhlig sich zu einer Parteinahme verführen zu lassen scheint und so eine Handlung wiederholt, die er durch seine Forschung ans Tageslicht bringt.

Hervorgehoben seien im Zusammenhang der Forster-Rezeption noch Gerhard Pickerodts akribische Analyse von Friedrich Schlegels bekanntem Forster-Text (VI, 51-66). Pickerodt macht einen hochinteressanten Vergleich zwischen Schlegels Urteil über Lessing und Forster, dessen Werk im Gegensatz zum "genialischen Individualisten" Lessing als "gesellschaftlich" und "universell", das heißt "gegenständlich, sinnlich und intellektuell unbegrenzt", beurteilt wird (VI, 60). Gleichfalls aufschlussreich ist Rolf Hočevars Aufsatz "Georg Forsters Bedeutung für Hegel" (VI, 67-87), in dem zwei Philosophen verknüpft werden, die man mit einiger Abstraktion geradezu als Gegensätze bezeichnen könnte. Obgleich Forster und Hegel sich nie begegnet sind, weist Hočevar in einer rhetorisch-thematischen Lektüre nach, wie einige von Forsters Ansichten über Reichsverfassung und Revolution bei Hegel Anklang fanden. Dass Hočevar sich für seine chronologische Konstruktion auf die Biografie Klaus Harpprechts stützt und damit eine Quelle benutzt, die von verschiedenen Forster-Forschern kritisch betrachtet wird, tut seiner Argumentation keinen Abbruch. Insofern ist dieser Aufsatz symptomatisch für die in diesen drei Bänden versammelte Georg-Forster-Forschung: Zwar sind nicht alle Beiträge gleichermaßen eingehend oder überzeugend, aber der größte Teil ist interessant und einleuchtend und damit seinem Forschungsobjekt entsprechend. Jeder Band wird mit einer aktuellen Georg-Forster-Bibliografie und einem Call for Papers für die folgende Tagung abgeschlossen, was die Aufgeschlossenheit dieses neuen Forschungsbereichs nochmals betont. Die Georg-Forster-Studien liefern meines Erachtens nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Forster-Forschung, sondern auch zur Wissenschafts- und Kulturgeschichte im Allgemeinen. Damit kommen sie der seit einem Jahrzehnt von den Cultural Studies geforderten selbstreflexiven Geste jedes wissenschaftlichen Unternehmens entgegen. Robert Darnton würde in Bezug auf Forsters Status als nicht-kanonisierter Autor vom "kleingeschriebenen Fortschritt" sprechen, dessen Erforschung aber jeglichen Dogmen über Aufklärung oder sogar Modernität widerspricht und alleine schon deswegen für unser Selbstverständnis von wesentlicher Bedeutung ist.


Anmerkungen:

[1] Siehe URL: http://www.georg-forster-gesellschaft.de.

[2] Siehe URL: http://www.georg-forster-gesellschaft.de, letzter Aufruf: 07.06.05.

Rezension über:

Horst Dippel / Helmut Scheuer (Hgg.): Georg-Forster-Studien V, Kassel: kassel university press 2000, IX + 236 S., 30 Abb., ISSN 1439-9105, EUR 22,40

Horst Dippel / Helmut Scheuer (Hgg.): Georg-Forster-Studien VI, Kassel: kassel university press 2001, 347 S., ISSN 1439-9105, EUR 24,90

Horst Dippel / Helmut Scheuer (Hgg.): Georg-Forster-Studien VII, Kassel: kassel university press 2002, 301 S., ISSN 1439-9105, EUR 23,50

Rezension von:
Anke Gilleir
Katholieke Universiteit Leuven
Empfohlene Zitierweise:
Anke Gilleir: Georg-Forster-Studien V-VII (Rezension), in: sehepunkte 5 (2005), Nr. 6 [15.06.2005], URL: https://www.sehepunkte.de/2005/06/4781.html


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