sehepunkte 7 (2007), Nr. 2

Brigitte Hammerschmidt: Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts im rheinland-pfälzischen Teil des Bistums Trier

Mit der vollständigen Katalogisierung der zwischen 1919 und 1989 im rheinland-pfälzischen Teil des Bistums Trier erbauten Kirchen hat Brigitte Hammerschmidt eine umfangreiche Dissertation vorgelegt und der Topografie des deutschen Kirchenbaus im 20. Jahrhundert einen weiteren Baustein hinzugefügt. Das Erscheinen ihres Buchs fällt zusammen mit den stärker werdenden Bemühungen, die Kirchenlandschaft des 20. Jahrhunderts genauer zu erfassen. In der hochaktuellen Debatte um Umnutzungen und Schließungen bis hin zum Abriss einzelner Kirchen gewinnt die Aufgabe, denkmalpflegerischen und architekturhistorischen Argumenten sensibel begegnen zu können, zunehmend an Bedeutung.

Die Arbeit gliedert sich in zwei Teile, wobei der erste Part theoretische Überlegungen beinhaltet und im zweiten Part etwa die Hälfte von nahezu 500 bearbeiteten Kirchen katalogisiert wird, begleitet durch je ein bis zwei kleine Schwarz-Weiß-Abbildungen. Darüber hinaus bietet der Anhang eine chronologische Liste aller Bauten mit den wesentlichen Informationen auf einen Blick, eine Liste aller Architekten mit den ihnen zuzuordnenden Kirchen sowie ein Ortsregister. Die ungewöhnliche, weil von politischen Grenzen bestimmte Auswahl des Arbeitsfelds wird mit der Tatsache gerechtfertigt, dass eine Katalogisierung des Kirchenbestands im Saarland mit einem Teil des Bistums Trier bereits an anderer Stelle begonnen wurde. Darüber hinaus wählt die Autorin als zeitliche Zäsur nicht, wie der Titel vermuten lässt, den Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern den Ersten Weltkrieg. Dieser traditionell begründete Einschnitt fällt jedoch nur bedingt mit dem Beginn der Moderne im Kirchenbau zusammen und wird von Frau Hammerschmidt gleichfalls nicht konsequent eingehalten, wie die ausführliche Schilderung der Kirche St. Aper in Wasserliesch (1910/11 nach Plänen von Peter Marx) als Beispiel eines frühen Kirchenbaus in Eisenbeton (110-116) belegt.

Frau Hammerschmidt unterteilt ihre theoretischen Überlegungen in die Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie widmet der Aufarbeitung bekannter Grundlagen mit gut 130 Seiten etwa ein Viertel ihrer Arbeit beziehungsweise knapp die Hälfte des theoretischen Teils. In den beiden Abschnitten befasst sie sich mit allgemeiner Architekturtheorie, Ausführungen zur Kirchenliturgie und abschließend einer detaillierten Bearbeitung einzelnen Bauten des Bistums.

In einem umfassenden Überblick über die Entwicklung der Architektur, insbesondere in Deutschland, werden verschiedene Strömungen (Bauhaus, Heimatschutz, Postmoderne u.a.) und Vereinigungen (Werkbund, CIAM u.a.) erläutert und kurze Abrisse über die Historie der so genannten modernen Baustoffe wie Eisen und Eisenbeton angeboten. Parallelen zum Kirchenbau werden dabei nur in wenigen Fällen gezogen, so dass diese grundlegenden Überlegungen nicht genügend auf ihren Sinn und Zweck im Kontext ihres Themas befragt werden.

Nach diesem Exkurs in architekturhistorisches Basiswissen befasst die Autorin sich intensiv mit der Liturgie der katholischen Kirche und den Veränderungen, die diese im Verlauf des 20. Jahrhunderts erfahren hat. In einer traditionellen Perspektive werden Hintergründe der Liturgischen Bewegung, der dazugehörigen Jugendbewegungen sowie des 2. Vatikanischen Konzils und seinen vorausgegangenen Richtlinien dargelegt. Zuletzt bespricht sie speziell für den Kirchenbau relevante Theorien, die sich vor dem Zweiten Weltkrieg um einige wesentliche Figuren wie Johannes van Acken, Rudolf Schwarz und deren Schriften gruppieren. Nach dem Krieg sieht Frau Hammerschmidt wesentliche Errungenschaften der Kirchenarchitektur in der Variationsbreite der Grundrisse und der Disposition der Baukörper.

Mit dem Ziel, die Entwicklung des Kirchenbaus im Bistum nachzuzeichnen, werden in den folgenden Kapiteln einzelne Bauten erörtert, wobei zum Einen chronologisch-territoriale Überlegungen, zum Anderen stilistische Vielgestaltigkeit unterschieden und darüber hinaus Kurzbiografien einiger überwiegend im Bistum Trier tätiger Architekten erstellt werden. Die summarisch nebeneinander gestellten Monografien bestehen in der Regel aus einer ausführlichen Beschreibung des Baus und seiner stilistischen Einordnung. Letztere bleibt indes oft vage, da die verwendeten Stilbegriffe wie Expressionismus, Heimatstil oder Jugendstil ungeklärt bleiben und wenig konturscharf eingesetzt werden. Zudem wird auf eine Form und Funktion abgleichende Interpretation der Bauten, mit der den zuvor erörterten architekturtheoretischen und liturgischen Gesichtspunkten kontextuell Rechnung getragen wäre, verzichtet.

Alle im Auswahlkatalog enthaltenen Bauten werden im Text durch ein Sternchen gekennzeichnet. Ausführlich beschriebene Kirchen sind nochmals mit Kurzinformation und Seitenangabe des entsprechenden Kapitels aufgenommen. Ort, Patrozinium, Architekt, Bauzeit und Bauauftrag (Neubau/ Erweiterung) sind durch das Layout hervorgehoben und so auf den ersten Blick erfassbar. Darauf folgt eine Kurzfassung der Baugeschichte mit ihren wesentlichen Daten, weiteren an dem Bau beteiligten Künstlern und einer eingebetteten Baubeschreibung. Zuletzt wird auf relevantes Quellenmaterial und vorhandene monografische Literatur verwiesen. Einzelne Aspekte der Gemeindegeschichte, Details zur Baukonstruktion oder eine Einordnung der Bauten nach den Kriterien des Theorieteils werden nicht behandelt. Der Katalog beschränkt sich auf eine knappe, sachliche Erfassung des Baubestands.

Entgegen dem erklärten Ziel, eine Entwicklung des Kirchenbaus zu untersuchen, bleibt die Arbeit von Frau Hammerschmidt im Wesentlichen bei einer reinen Bestandsaufnahme. Doch ist eine solche Aufarbeitung nicht minder zu bewerten, ist dies doch im Kirchenbau für das vergangene Jahrhundert aller deutschen Bistümer notwendig und längst überfällig. Die wesentlichen Grundlagen einer Untersuchung nach evolutionären Gesichtspunkten, wie sie zu Beginn des Buchs aufscheinen, werden für die Kirchen des Bistums Trier nur bedingt erörtert. Hinsichtlich der Beurteilung des modernen Kirchenbaus werden traditionelle Bahnen der Architekturgeschichte nicht verlassen, zumal die Autorin sich auf Forschungsansätze stützt, die zum Teil Jahrzehnte alt sind. [1]

Da das Buch trotz des sehr nützlichen Katalogteils und der hilfreichen Listen im Anhang sowie der Vorstellung von Quantität und Vielfalt eines architekturhistorisch noch immer stiefmütterlich behandelten Themas sich auf Grund des Formats und Layouts als Kunstführer nur bedingt eignet, liegt sein Hauptverdienst in der umfassenden Bereitstellung von Material für die Denkmalpflege des Bistums Trier. Angesichts des derzeit zu befürchtenden Denkmalverlusts in den nächsten Jahrzehnten ist dies von nicht zu unterschätzender Bedeutung.


Anmerkung:

[1] Barbara Kahle: Deutscher Kirchenbau des 20. Jahrhunderts, Darmstadt 1990 und Hugo Schnell: Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in Deutschland, München/Zürich 1973 sind bis heute die beiden Standardwerke zum Überblick der Entwicklung im Kirchenbau. In ihren allgemeinen Ausführungen gibt Hammerschmidt im Wesentlichen das Wissen dieser beiden Autoren wieder.

Rezension über:

Brigitte Hammerschmidt: Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts im rheinland-pfälzischen Teil des Bistums Trier (= Geschichte und Kultur des Trierer Landes; Bd. 4), Trier: Kliomedia 2006, 613 S., 529 Abb., ISBN 978-3-89890-085-0, EUR 48,00

Rezension von:
Manuela Klauser
München
Empfohlene Zitierweise:
Manuela Klauser: Rezension von: Brigitte Hammerschmidt: Der Kirchenbau des 20. Jahrhunderts im rheinland-pfälzischen Teil des Bistums Trier, Trier: Kliomedia 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 2 [15.02.2007], URL: https://www.sehepunkte.de/2007/02/12008.html


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