Christoph Mauntel verfasste im Rahmen seiner Dissertation bei Hans-Peter Benöhr eine Biografie über den Juristen Carl Georg von Wächter (1797-1880) und legte dabei in zeitlicher Hinsicht den Schwerpunkt auf den Frühkonstitutionalismus. In der Abkehr von traditionellen Paradigmen bemühte er sich, Leben, Wirken und Werk Wächters zu einer Einheit zu verbinden. Diese Vorgehensweise erhöht zwar die Lesbarkeit sowie die Verständlichkeit des Buchs und trägt dem Umstand Rechnung, dass ein Leben keine Hintereinanderreihung von Lebensabschnitten bildet. Da Mauntel unter einer Überbetonung des Werks entscheidende Lebensabschnitte Wächters aber ganz weglässt, fehlt teilweise der klare Zusammenhang zwischen der vom Autor so genannten "zentralen Figur der Rechtswissenschaft im Vormärz" (296) und seiner Umwelt.
Die primäre Quellen- und Literaturgrundlage des Buchs bildet das wissenschaftliche Werk Wächters. Zudem bezog Mauntel zumindest partiell die briefliche Korrespondenz Wächters in die Untersuchung mit ein. Insgesamt erscheint diese Quellengrundlage zumindest für Teile der Arbeit als zu dünn. So hätten in dem Unterabschnitt über die "Theorie und Praxis ständischer Gesetzgebung" die Redebeiträge Wächters aus der Ständeversammlung und die einschlägigen Akten der Landesarchive in Baden-Württemberg herangezogen werden müssen.
Die Arbeit orientiert sich am wissenschaftlichen Werk Wächters und gliedert sich in drei Teile: Einleitung, Hauptteil und abschließende Würdigung. In der Einleitung gibt Mauntel einen Forschungsüberblick. Zu oberflächlich behandelt er dabei die landeshistorische Literatur. Überhaupt wären in der gesamten Arbeit stärkere Bezüge zur Landesgeschichte notwendig gewesen, da sich vielfach bestimmte Denkansätze nur aus regionalen Besonderheiten erklären lassen. Auch wäre ein Überblick über die Beurteilung Wächters in Wissenschaft und Praxis im Nationalsozialismus in der Zeit von 1933 bis 1945 wünschenswert gewesen. Leider fehlen in der Einleitung zudem Ausführungen zur Methode der Biografie im Allgemeinen und im Speziellen hinsichtlich Wächters. Im Hauptteil besitzt die Arbeit eine klare Struktur und gliedert sich in die Kapitel "Vom 'Zutrauen des Volkes zu seinem Rechte' - Recht und Reform", "Eine 'fruchtbare Verbindung mit dem Leben' - Wissenschaft und Gesetzgebung", "'Der Praxis für ihr Wirken und Bilden noch ein reiches Feld' - Gesetzgebung und Praxis" und "Der 'Geist des Partikularismus' - Einheit oder Freiheit". Auch wenn sich Überschneidungen einzelner Kapitel kaum vermeiden lassen, hätte der Autor an den entscheidenden Stellen klarere Zusammenhänge zwischen den Kapiteln herstellen müssen. Zusammenfassungen am Ende einzelner Kapitel erleichtern im Übrigen die Lesbarkeit des Buchs.
Das erste Kapitel behandelt die Beteiligung des Volkes bei der Rechtsbildung. Mauntel arbeitet heraus, dass nach Wächters Auffassung die Gesetzgebungsgewalt "allein in den Händen des Königs ist" (37), da Wächter ein Verfechter der konstitutionellen Monarchie war. So hegte Wächter Bedenken gegen eine "umfassende Detailberatung von Gesetzesvorhaben" (38) und interpretierte die Kammerkompetenz restriktiv. Die Feststellung Mauntels, dass es sich bei Wächter um einen Rechtswissenschaftler gehandelt habe, der sich auf "die Idee der germanischen Freiheit" zur "defensiven Sicherung der konstitutionellen und rechtsstaatlichen Verhältnisse auf historischem Grund" berief (46), hätte einer stärkeren Reflexion bedurft.
Im zweiten Kapitel stellt Mauntel den Staats- und Strafrechtler Wächter in den Vordergrund, für den Strafe nur zur Aufrechterhaltung der Rechtsordnung geboten war. Mit Recht betont der Verfasser, dass Wächter keine eigenen philosophischen Gedanken verfolgte und sich bei seinen strafrechtlichen Ideen an der Praxis orientierte. Wächter forderte eine klare Trennung von Justiz und Polizei. In diesem Zusammenhang wollte er die unabhängige Strafjustiz zu Lasten der abhängigen Strafverfolgungsbehörden stärken. Insgesamt verfolgte Wächter nach der Einschätzung Mauntels eine "gemäßigt-positive Richtung" in der Strafrechtswissenschaft (125).
Im dritten Kapitel setzt sich Mauntel mit den Ansichten Wächters zur "Gesetzesauslegung" (154) sowie über die "Gesetzes- und Rechtsanalogie" (186) auseinander. Um Willkür vorzubeugen, forderte Wächter eine wissenschaftliche Gesetzesauslegung durch die Richter. Von überragender Bedeutung war für Wächter dabei die historische Auslegung. Der Schwerpunkt des vierten Kapitels liegt auf dem "Wissenschaftsprogramm des Partikularismus" (212). Dabei wird allerdings nicht klar, an welcher Stelle Wächter innerhalb dieses "Wissenschaftsprogramms" zu verorten ist.
Auch wenn es ein Ziel Mauntels war, ein wissenschaftliches Gesamtbild von Wächter aufzuzeigen, hätte der Verfasser politische und soziale Entwicklungen in seiner Arbeit stärker berücksichtigen müssen. Insoweit wäre eine ausführlichere Würdigung übergreifender Aspekte und der neben Wächter handelnden Akteure notwendig gewesen. Zudem liegt eine zu starke Betonung auf dem Straf- und Staatsrechtler Wächter. Zu kurz kommt insoweit Wächter als Privatrechtler. Eine Schwäche des Werks liegt zudem darin, dass nicht immer klar wird, auf welcher Ebene der Argumentation Mauntel sich befindet. Der Verfasser verwischt zu sehr die "Stimme" Wächters mit der eigenen Argumentation über dessen Werk. Trotz dieser genannten Kritikpunkte bildet das Buch eine Bereicherung für jeden, der sich mit der Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert befasst.
Christoph Mauntel: Carl Georg von Wächter (1797-1880). Rechtswissenschaft im Frühkonstitutionalismus (= Rechts- und Staatswissenschaftliche Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft. Neue Folge; Bd. 110), Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004, 344 S., ISBN 978-3-506-71689-7, EUR 45,00
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