Das kleine Buch erzählt das Schicksal einer berühmten Gestalt der Lemgoer Hexenverfolgung und reiht sich damit in die Reihe der Unternehmungen ein, diese Frau in der Erinnerung fest zu halten, wie z.B. die Errichtung eines Denkmals in Lemgo 1994. Auch ein Lemgoer Arbeitskreis beschäftigt sich mit ihr.
Die Verfasserin hat in mühevoller Kleinarbeit zunächst die Familiengeschichte eruiert, die sich auf der väterlichen Seite weit zurückverfolgen lässt. Die Heirat von Maria Rampendahls Vater brachte die Familie seiner Frau sozial und wirtschaftlich voran.
Die Familie Rampendahl kann schon wegen ihres Hausbesitzes als wohlhabend bezeichnet werden. Aus diesem Besitz resultierte aber auch die Rivalität mit der Familie des Heinrich Kaufmann (dem Schwager von Marias Vater). Wilbertz schildert dann, wie sich das Hexengerücht Marias seit ihrer Kindheit entwickelte. Eine wichtige Rolle spielte hier die Tatsache, dass eine Großmutter 1653 als Hexe hingerichtet wurde, die schon 1635 als Hexe beschimpft und 1651 von ihrem Schwiegersohn Heinrich Kaufmann eine Hexe gescholten worden war. Die Quellen erlauben es, auch die Hexenkarriere Marias zu verfolgen, denn sie war schon als Mädchen und junge Frau stark im Gerücht. Es lassen sich Kontakte zu dem 1654 hingerichteten Zauberlehrer Beschoren nachweisen. Marias jüngerer Bruder starb 1667 unter für verdächtig gehaltenen Umständen, und man konstruierte das Motiv, dass sie sich mit seiner Behexung bereichern wollte. Seit 1667 wurde sie von Frauen, die als Hexen verfolgt und hingerichtet worden waren, besagt.
Wilbertz entwirft das Bild einer Frau, die seit ihrer Kindheit von der Umgebung gemieden wurde. An sich ist gegen solche Aussagen in Hexenprozessen Vorsicht am Platze, denn oft wurde das Meideverhalten der Nachbarn erst nachträglich im Prozess konstruiert. Für Maria lässt sich aber nachweisen, dass es schwierig war, sie zu verheiraten. Eine Lösung bot schließlich die Heirat mit einem aus dem Oldenburgischen kommenden Barbiergesellen. Es war wohl diese Heirat und die Geburt der Kinder, die Maria bis 1681 vor einem Prozess bewahrten, der in dem genannten Jahr auf Grund der Aussagen einer sich selbst bezichtigenden Frau - noch unter dem berüchtigten Hexenbürgermeister Hermann Cothmann - eröffnet wurde, obwohl man wohl die Ungunst der Situation erkannte. Im Prozess sagte die Tochter des erwähnten Kaufmann gegen Maria aus, ein Beleg dafür, wie lange sich Familienfehden hielten!
Marias Karriere als Hexe und ihr Prozess weichen nach diesem fast klischeehaften Verlauf - Entstehung des Gerüchts aus Verwandtschafts- und Nachbarschaftskonflikten - von vielen anderen Prozessen dadurch ab, dass ihre Familie, besonders auch ihr Mann, zu ihr hielt und sie verteidigte. Dieses mutige Verhalten lässt sich, abgesehen vom persönlichen Charakter der Beteiligten, wohl auch aus der zunehmenden Kritik an den Hexenprozessen erklären. Maria widerstand der Folter und wurde aufgrund eines Gutachtens der Universität Jena des Landes verwiesen, nachdem die Universität Rinteln in ihrem Gutachten ihre Freilassung gefordert hatte. Der Ehemann klagte nun vor dem Reichskammergericht in Speyer, ein in Hexenprozessen relativ seltener Fall, was ihr aber nicht die Rückkehr in die Heimat brachte, da das Urteil - wohl aus prozesstechnischen Gründen - nicht zu ihren Gunsten lautete.
Anhand dieses Prozesses zeigt die Verfasserin die insgesamt nachlassende Legitimität von Hexenprozessen. Die lemgoischen Hexenverfolger wurden von den Institutionen, auf die bisher Verlass war, im Stich gelassen. So wurden sie von der Regierung in Detmold nicht mehr unterstützt, sondern hatten ihre Sache in Speyer allein auszufechten. Die Universität Rinteln hatte - wenn man ihre früheren Gutachten berücksichtigt - eine drastische Kehrtwendung gemacht. Hier verweist Wilbertz vor allem auf das Verdienst des Rintelner Professors Hermann Zoll, der so eine späte Würdigung erfährt. Die Verfasserin verfolgt dann noch das Schicksal der Familie bis in die ersten Jahrzehnte des 17. Jahrhunderts. Maria starb 1705 im Oldenburgischen. Andere Frauen der Familie, wie etwa ihre Schwester, hatten ein schwieriges Schicksal.
Die Arbeit ist eine regionalgeschichtliche Studie. Es zeigt sich, dass aus dem Prozess gegen Maria Rampendahl (der letzte Prozess in Lemgo) nicht das Ende der Hexenverfolgungen in der Stadt erklärt werden kann, da die Stadt in Speyer nicht desavouiert wurde. Die Beschreibung der persönlichen Beziehungen und ihrer Veränderungen, etwa zwischen Detmold und der Universität Rinteln, kann natürlich das Ende der Prozesse in Lemgo auch nicht erklären, sondern zeigt nur den äußeren Rahmen für diese Veränderungen auf. Wie sich beispielsweise in Rinteln eine kritische Haltung anbahnen und durchsetzen konnte, wird bei diesem biographischen Ansatz nicht deutlich. Die hier wirksamen überregionalen Kräfte werden zwar berührt, doch wäre es zu viel verlangt, sie in einer solchen Arbeit im Detail zu verfolgen. So fehlt dem Buch doch etwas zur Fallstudie. Eine kleine Korrektur: Bei der als Anfang des 16. Jahrhunderts verdächtigten Salmeke muss es sich um einen Irrtum handeln (29). Diese Salmeke lebte Ende des 16. Jahrhunderts.
Das verdienstvolle kleine Buch ist mit vielen Illustrationen und einem Stammbaum der Familie Rampendahl versehen. Es informiert in einem Nachwort über die Quellen zu Hexenverfolgungen im Stadtarchiv Lemgo.
Gisela Wilbertz: "... ein überaus listiges Weib ..." :. Maria Rampendahl (1645 - 1705) und das Ende der Hexenverfolgungen in Lemgo (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Lemgo; Bd. 6), Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2005, 96 S., ISBN 978-3-89534-576-0, EUR 9,00
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