sehepunkte 7 (2007), Nr. 6

Vincent van Gogh: Briefe, Gemälde, Zeichnungen

Die CD-Rom "Vincent van Gogh. Briefe, Gemälde, Zeichnungen" ist als 142. Band in der Reihe "Digitale Bibliothek" erschienen, die umfangreiche Grundlagentexte in Form von Textanthologien, Handbüchern und Bildsammlungen zu Themen der Literatur, der Kunst sowie geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen erfasst. Sie wurde als erste von mittlerweile drei Anthologien von Künstlerschriften und ihrem Werk in dieser Reihe digital erschlossen.

Die elektronische Ausgabe der Briefe van Goghs basiert auf der im Henschel Verlag 1965-68 erschienenen sechsbändigen Buchausgabe "Vincent van Gogh. Sämtliche Briefe", deren vollständigen Text sie unverändert wiedergibt. Sämtliche Abbildungen wurden ebenfalls übernommen bzw. von 360 auf insgesamt 573 Abbildungen erweitert, wobei die Gemälde weitgehend durch farbige Reproduktionen ersetzt wurden.

Bei der auf CD-Rom publizierten Henschel-Ausgabe handelt es sich um die erste deutsche Zusammenfassung sämtlicher Briefe van Goghs für den Zeitraum von seiner Tätigkeit als Kunsthändler in Den Haag 1872 bis kurz vor seinem Tod in Auvers 1890. Die Briefe an den Bruder Theo, die Familie, an Künstlerfreunde und andere Adressaten sowie die Briefe Theos an Vincent sind auf der CD-ROM nicht chronologisch, sondern nach Adressaten und Lebensetappen geordnet. Die zusätzlich auf der CD-ROM enthaltene Lebenschronik van Goghs von Werner Milstein stellt daher für den Leser eine sinnvolle Ergänzung zur besseren Orientierung dar.

Die Briefe van Goghs dokumentieren nicht nur die Lebensstationen, Erlebnisse, Empfindungen und Eindrücke eines Künstlers, sondern sie behandeln auch philosophische Fragen und Themen wie Religion, Kirche und Gesellschaft, Literatur und Kunst. Sie sind ein wichtiges Dokument der europäischen Kultur- und Geistesgeschichte. Von biografischen und geistesgeschichtlichen Informationen abgesehen, sind die Briefe außerdem eine wichtige Ergänzung zu van Goghs umfangreichem malerischen und zeichnerischen Werk. Sie "stellen einen wichtigen Kommentar zu einzelnen Grafiken und Gemälden dar" und erschließen in einer Wechselbeziehung zwischen Text und Bild das Innenleben des Künstlers, so heißt es in der Vorbemerkung der digitalen Edition. Wird nun die elektronische Publikation dieser Darstellung einer "Wechselbeziehung von Text und Bild" gerecht, und welche Vorteile bietet sie gegenüber der gedruckten Version?

Zunächst zur Funktionalität und Handhabung der CD-Rom Ausgabe. Nach der Installation des Programms und dem Öffnen des Bandes 142 erscheint ein zweigeteilter Bildschirm. Links befinden sich die unterschiedlichen Navigationsfenster wie Inhaltsverzeichnis, Bilder und Tabellen, rechts die jeweilig ausgesuchte Seite. Sämtliche Abbildungen und Textpassagen können in andere Anwendungen exportiert und ausgedruckt werden. Neben dem Hauptmenü und der Symbolleiste findet sich am linken Fensterrand die Schnellwahlleiste, die einen direkten Zugriff auf wichtige Funktionsbereiche ermöglicht, wie etwa das Aufrufen der "Bilder". Hier werden sämtliche Bilder in Dia-Größe in einer Abbildungsvorschau für den schnellen Überblick aufgeführt. Durch einfaches Anklicken des Bildes in der Diavorschau erscheint das Bild auf der rechten Seite mit den jeweiligen Angaben zu Titel, Entstehungsort und -jahr, Maße und Aufbewahrungsort - ein Vorteil gegenüber der Buchausgabe, wo man erst im Abbildungsverzeichnis im Anhang nachschlagen muss, um diese Informationen zu bekommen. Jede einzelne Abbildung ist durch Doppelklick als Gesamtdarstellung mit weiteren Vergrößerungs- und Ausschnittdarstellungen aufrufbar. Mit der "Suche in den Abbildungen" kann gezielt nach Bildtiteln, Entstehungsorten, Techniken etc. gesucht werden. Ebenso können sämtliche Bilder kopiert, ausgedruckt oder in ein externes Bildbearbeitungsprogramm übernommen werden. Durch Hyperlinks sind einzelne Bilder direkt mit den entsprechenden Briefstellen verbunden, wenn diese dort zitiert werden.

Die Volltextsuche ist sehr komfortabel und listet nach der Suche eines Wortes in den Texten alle Fundstellen auf. Auf der rechten Bildschirmseite wird im Textbereich die Seite mit der ersten Fundstelle angezeigt und blau unterlegt. Die Suche lässt sich noch weiter differenzieren durch Platzhalter und Operatoren. Beispiel für den Operator UND: "Landschaft UND Sonne". Es werden drei Briefe mit den entsprechenden Fundstellen angegeben, wo die gesuchten Wörter nahe beieinander stehen. Wie nahe, entscheidet der "Max. Wortabstand". Die Textstellen erscheinen automatisch mit der dazugehörigen Quellenangabe der zu Grunde liegenden Buchausgabe: "Ich habe jetzt eine dritte Studie von einer Landschaft mit Fabrik und riesenhafter Sonne an einem roten Himmel über roten Dächern [...]" [Band 4 - An den Bruder Theo: Arles, Februar 1888 bis Mai 1889. Van Gogh: Briefe, Gemälde, Zeichnungen, Seite 3619 (vgl. Gogh-Briefe Bd. 4, 148)].

Aussagekräftige Fundstellen können zusätzlich mit einem "Marker" farbig gekennzeichnet, kommentiert und gespeichert sowie jederzeit wieder aufgerufen und weiterverarbeitet werden - ein weiterer Vorteil gegenüber der gedruckten Ausgabe.

Neben der Stichwortsuche kann im Funktionsbereich auch nach "Themen" gesucht werden. In der ersten Zeile der Liste "Themenrelevante Stellen" erscheint dann der Text mit der besten Trefferquote (100 %). So lassen sich wichtige Texteinheiten finden, wie etwa zum Thema "Krankheit" bei van Gogh: "Soviel ich weiß, ist der hiesige Arzt A286 geneigt, das, was ich gehabt habe, als einen Anfall epileptischer Art aufzufassen." [Band 4 - An den Bruder Theo: Saint-Rémy, Mai 1889 bis Mai 1890. Van Gogh: Briefe, Gemälde, Zeichnungen, Seite 3948 (vgl. Gogh-Briefe Bd. 4, 279)].

Eine Hilfe bei der Suche von Briefen oder Bildern bieten neben der gezielten Stichwortsuche übersichtliche, in der gedruckten Version nicht enthaltene Tabellen von Briefen und Werken. Der Leser kann sich hier einen schnellen Überblick über die alphabetisch nach Empfängern oder nach Bildtiteln geordneten Briefe und Bilder verschaffen. Durch Anklicken ist der gefundene Brief oder das entsprechende Bild schnell aufgerufen. In der Buchausgabe werden die Briefe lediglich im Anhang gruppenweise, aber nicht einzeln, nach Adressaten und Lebensetappen aufgeführt. Eine gezielte und schnelle Suche nach einzelnen Briefen ist hier nicht möglich.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Benutzer ohne Zweifel von den technischen Möglichkeiten der digitalen Ausgabe profitiert und sie als effektives Arbeitsinstrument nutzen kann. Die Erweiterung des Bildbestandes durch farbige Reproduktionen bedeutet für den Betrachter eine wesentliche Bereicherung. Die Bilder lassen sich schnell und einfach finden und stellen eine wichtige Ergänzung zu den Texten dar. Auch die viel gepriesene "Wechselbeziehung zwischen Text und Bild" im Vorwort erfährt durch die beschriebenen Suchmöglichkeiten ganz neue Qualitäten. Denn analog zu Stichwort- oder Themensuche in den Briefen kann auch bei den Bildern gezielt nach Stichwörtern in den Titeln gesucht werden. Durch die vielfältigen Suchmöglichkeiten und die komfortable Verlinkung erhält der Benutzer innerhalb kürzester Zeit eine komplexe Darstellung von Gedanken und Bildern van Goghs. Auf diese Weise lassen sich ohne Zeit raubendes Blättern in den einzelnen Bänden Themen erarbeiten und mit entsprechendem Text- und Bildmaterial belegen.

Rezension über:

Vincent van Gogh: Briefe, Gemälde, Zeichnungen (= Digitale Bibliothek; 142), Berlin: Directmedia Publishing 2006, 1 CD-ROM, ISBN 978-3-89853-542-7, EUR 30,00

Rezension von:
Barbara Palmbach
Starnberg
Empfohlene Zitierweise:
Barbara Palmbach: Rezension von: Vincent van Gogh: Briefe, Gemälde, Zeichnungen, Berlin: Directmedia Publishing 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 6 [15.06.2007], URL: https://www.sehepunkte.de/2007/06/11494.html


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