Anlässlich des 60. Geburtstags Rainer Slottas, Direktor des Deutschen Bergbau-Museums in Bochum, erschien diese umfangreiche Festschrift. Ziel des Buches ist es, so die Herausgeber, "zu Beginn unseres Jahrtausends einen kritischen Blick auf den Stand der Montangeschichtsforschung unter speziellen Gesichtspunkten zu werfen." (26)
Hier konnten 31 Autoren gewonnen werden, die mit ihren Beiträgen einen anschaulichen Beweis für die erstaunliche Bandbreite des Themas erbringen. Von der Vielseitigkeit des Forschungsinteresses und dem interdisziplinären Ansatz der Veröffentlichung zeugen schon die gewählten Schwerpunkt-Überschriften: "Montangeschichte - Perspektiven und Stand der Forschung", "Quellen der Montangeschichte - Aspekte und Beispiele der Dokumentation", "Industriearchäologie und Denkmalpflege im und um den Bereich des Montanwesens - aktuelle Beispiele", "Montan- und Industriegeschichte im Museum - Anforderungen und Positionen" und "Montanwesen in Kunst und Tradition". Dieser Überblick wird durch ein Schriftenverzeichnis Rainer Slottas vervollständigt, das die enge Verbindung zwischen der wissenschaftlichen und musealen Biografie des Geehrten und der Auswahl der Aufsatzthemen herstellt. Der Intention einer solchen Festschrift entsprechend stellt das Buch in weiten Teilen eher eine aktuelle Standortbestimmung und einen Blick auf Erreichtes denn ein Übersichtswerk dar.
Deutlich wird dies etwa im Abschnitt "Quellen der Montangeschichte", dessen drei Aufsätze sich ausschließlich den Abteilungen und aktuellen Arbeitsfeldern des Bergbau-Museums widmen. Auch die Sektion "Montan- und Industriegeschichte im Museum" deckt mit nur drei Aufsätzen diesen wichtigen und im Spannungsfeld zwischen "Forschungsmuseum" und "Eventkultur" durchaus kontrovers diskutierten Bereich lediglich ansatzweise ab. Empfohlen sei im Vergleich hierzu Delf Slottas Aufsatz "Strukturwandel aus Industriekultur - Wie sich ein neues Stück Saarland entwickelt" im folgenden Bereich, der den Themenkomplex aus regionaler Perspektive anschaulich darstellt. Hier ist eine Aufbruchstimmung zu spüren, die es in ähnlicher Form - wenn auch zeitlich früher - auch im Ruhrgebiet gegeben hat. Eine vergleichbare Standortbestimmung für diese Region, in der sowohl das Deutsche Bergbau-Museum als auch die beiden großen nordrhein-westfälischen Industriemuseen beheimatet sind, fehlt leider weitgehend.
Stattdessen enthält der Band Berichte über neuere Projekte der Industriearchäologie und Denkmalpflege, die gleichzeitig auf zurückliegende oder bestehende Kooperationen verweisen. Neben dem bereits erwähnten Aufsatz über die Industriekultur an der Saar werden etwa Projekte in Polen und Rumänien thematisiert. Angesichts immer knapper werdender finanzieller Mittel erweist sich besonders Helmuth Albrechts Aufsatz über die aktuelle Situation der Industriedenkmalpflege in Sachsen als problemorientiert und diskussionsanregend. Angesichts der Themenauswahl zeigt sich nochmals in aller Deutlichkeit, dass die Darstellung aktueller Projekte und Standortbestimmungen im Vordergrund stehen.
Diese Entscheidung mag man einerseits bedauern. Andererseits gewinnt der Leser über die Themenvielfalt einen exemplarischen Einblick in aktuelle Forschungen, die zum Teil erstaunliche Bezüge herstellen. So richtet beispielsweise Wilhelm Damberg mit seinem Aufsatz "Jedem Bergarbeiter seine Kirche neben´s Bett" angesichts der aktuell zunehmenden Umnutzung oder Veräußerung von Kirchen im Ruhrgebiet die Perspektive auf die Entwicklung des Kirchenbaus und der Kirchengemeinden seit 1900. Im Vergleich hierzu ist der Beitrag über das Barbara-Fest der Bergleute wenig ergiebig. Obwohl im Bergbau-Museum die Pflege dieser Tradition nicht zuletzt auf Initiative Rainer Slottas wieder zum wichtigen Termin des Veranstaltungskalenders geworden ist, findet der Leser nur zwei Predigten, die aus diesem Anlass gehalten wurden. Eine Berücksichtigung oder einen Verweis auf aktuelle Forschungen zur Pflege der Barbara-Tradition aus sozialgeschichtlicher Perspektive, die beispielsweise in der museumseigenen Zeitschrift "Der Anschnitt" veröffentlicht wurden, sucht man jedoch vergebens.
Auf das vorliegende Buch trifft im besten Sinne eine Feststellung zu, die Andreas Hauptmann und Irina Gambaschidze an den Anfang ihres Aufsatzes "Vom Kupfer zum Gold - Das Deutsche Bergbau-Museum in Georgien" gestellt haben: "Forschungsarbeit von Wissenschaftlern, oder auch Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen musealer Tätigkeit, ist unter anderem auch von persönlichen Aspekten geprägt - wie jegliche berufliche Tätigkeit." (129). Wer angesichts des sehr generalisierenden Buchtitels und -untertitels ein Handbuch über Montan- und Industriegeschichte mit Überblickscharakter erwartet, dürfte angesichts der thematischen Auswahl enttäuscht sein. Für Leser, die an aktuellen Diskussionen und Standortbestimmungen interessiert sind, bietet die Festschrift für Rainer Slotta hingegen eine anregende Lektüre und manchen Denkanstoß.
Stefan Brüggerhoff / Michael Farrenkopf / Wilhelm Geerlings (Hgg.): Montan- und Industriegeschichte. Dokumentation und Forschung, Industriearchäologie und Museum. Festschrift für Rainer Slotta zum 60. Geburtstag, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2006, 639 S., ISBN 978-3-506-71365-0, EUR 88,00
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