Mit der Veröffentlichung seiner Dissertation Les traités monarchomaques in Folge eines 2006 herausgegebenen Sammelbandes Et de sa bouche sortait un glaive hat sich Paul-Alexis Mellet als ausgewiesener Kenner der sogenannten "Monarchomachen" etabliert. In seiner umfassenden Studie gelingt es Mellet, ihre Denkansätze in einem eng umgrenzten Quellenkorpus zusammenzuführen und zu systematisieren.
Im ersten Teil des Buches löst Mellet den Begriff 'Monarchomachen' von der zeitgenössischen polemischen Bezeichnung William Barclays (1600), der eine Reihe von Autoren, wie den calvinistischen Schotten Georg Buchanan, den Autoren der Vindiciae contra tyrannos und den französischen Katholiken Jean Boucher als "Königsbekämpfer" zu diskreditieren suchte. Katholische und calvinistische Widerstandslehren müssen jedoch genau differenziert werden, weil die heute als Monarchomachen bezeichneten calvinistischen Autoren für eine konstitutionelle Monarchie mit der Stärkung ständischer Kompetenzen als ideale Regierungsform eintraten. Ihre Schriften fordern lediglich die Absetzung des Tyrannen, während ligistische Autoren offen zum Tyrannenmord aufrufen. Dieses definitorische Dilemma versucht Mellet dadurch zu lösen, dass er fünf Argumentationsmuster nennt, die ein Text aufweisen muss, um (heute) als "monarchomachisch" zu gelten: 1.) das bewaffnete Widerstandsrecht, 2.) die Verurteilung der Tyrannei, 3.) das Bild des doppelten Herrschaftsvertrages (Gott schließt mit Herrscher und Volk einen Vertrag; ein zweiter Vertrag besteht zwischen Herrscher und Volk), 4.) die Souveränität des Volkes, 5.) der bedingte Gehorsam des Volkes.
Diese deduktive Herangehensweise Mellets bei der Definition des entscheidenden Begriffs entfremdet die Bezeichnung der Monarchomachen ihres zeitgenössischen Aussagegehaltes. Selbst wenn betont wird, dass es um keine wirkliche Gruppenidentität geht und Gemeinsamkeiten ohnehin meist nur über ähnliche Textaussagen konstatiert werden können, sollten zeitgenössische Beschreibungen dennoch auch in der polemischen Absicht ihrer Gegner ernst genommen werden. Wie etwa die Diskussion um den Begriff der 'politiques' gezeigt hat, birgt eine zu weite (methodische) Entfernung von der Quellensprache die Gefahr anachronistischer Stilisierungen.
Mellets Quellenkorpus enthält zehn - in Textumfang, Verbreitung und Argumentationsweise recht heterogene - Texte, zu deren bekanntesten François Hotmans Francogallia (1573/74), Theodor Bezas De Jure Magistratuum (1574) und die Vindiciae contra tyrannos (Philippe Duplessis-Mornay, 1579) zählen.
In einem zweiten Teil untersucht Mellet den Entstehungskontext der monarchomachischen Texte sowie buchgeschichtliche Details ihrer Produktion und Verbreitung. Im Anschluss an Ralph E. Giesey zeigt Mellet, dass die Bartholomäusnacht häufig nur indirekter Auslöser für die Veröffentlichung dieser Texte war. Beispielsweise verfasste Hotman bereits in den Jahren 1567/68 eine erste Version der Francogallia. Im Unterschied zu zahlreichen Pamphleten setzten sich die Monarchomachen nicht direkt und explizit mit den Ereignissen vom 24. August 1572 auseinander, wiesen allerdings gleichwohl implizit auf die strukturellen Bedingungen der Möglichkeit für dieses Ereignis hin. So arbeiteten sie sich an verschiedenen populären Topoi (Kritik an der Höflingskultur, Manipulation des Königs durch seine Ratgeber, der "légende noire" der Katharina von Medici, Antiitalianismus und Antimachiavellismus u.a.) ab. An dieser Stelle wurde zum Teil eine präzisere Herausarbeitung der unterschiedlichen Argumentationsstrategien in den Texten vermisst.
Ein wichtiges Kennzeichen verbindet alle monarchomachischen Texte und grenzt sie von der zeitgenössischen Pamphletliteratur ab: das Fehlen der Gegenwart. Dies betrifft etwa das bereits erwähnte Schweigen über die Bartholomäusnacht oder die Verarbeitung der oben erwähnten Topoi in historischen Spiegelungen. Mellet deutet die fehlende Gegenwart in den Texten als "stratégie de dissimulation", die im Gegensatz zu der aktualitätsbezogenen Polemik auf theoretische Überlegungen abzielt. (488)
In einem dritten Teil arbeitet Mellet überzeugend eine Geschichtsphilosophie der Monarchomachen heraus, wobei die historische Dimension in ihren Schriften verschiedene Funktionen erfüllt: die "moralische" und "institutionelle" Funktion verleihen der Geschichte einen "zyklischen Ablauf". Die Autoren machen aus der Historie ein "positivistisches Feld", indem sie Normen festsetzen oder historische Beispiele ableiten, die durch ihre Wiederholung zu universellen Gesetzen werden. (485) So wurde etwa aus der Regelmäßigkeit, mit der in einer idealisierten Vergangenheit Ständeversammlungen einberufen wurden, deren historische Legitimität abgeleitet. Eine dritte, prophetische Funktion hingegen ist insofern zukunftsorientiert, als vergangene Ereignisse zukünftige Entwicklungen indizieren. Diese Funktionen von Geschichte suggerieren ein Verschmelzen von Vergangenheit und Gegenwart: Die Ergründung der Ursprünge der Monarchie, alter Zeremonien und Sprachen dient der Wiederherstellung eines durch historische Mythen gefärbten Idealbildes der konstitutionellen Monarchie. Im Unterschied zu anderen Texten wird deutlich, dass in den auf die Vergangenheit ausgerichteten Texten der Monarchomachen apokalyptische Elemente fast gänzlich fehlen. Anstelle der Eschatologie tritt eine weltimmanente, offene Zukunft (le "temps de l'annoce et de l'attente", d.h. einer an die Krone gerichteten Erwartungshaltung, 467). Mellet zeigt außerdem, dass die vergangenheitsbezogene Orientierung des politischen Denkens der Monarchomachen auch die konfessionelle Identität des Calvinismus widerspiegelt. Es ist bedauerlich, dass die von ihm so bezeichnete "Theologie der Geschichte" nur en passant im Schlussteil abgehandelt wird.
Mellets Ausgangsposition ist es, die Texte selbst und nicht ihre Autoren bzw. nur begrenzt den historischen Ausgangskontext zu befragen. Dieses Vorgehen ist bei einem Korpus von mehrheitlich anonymen Texten sicherlich hilfreich. Dennoch wäre es wünschenswert gewesen, zumindest partiell die konfessionelle Dimension bei Autoren wie Hotman, Beza - und da Mellet die Autorschaft gesichert erscheint - auch bei Duplessis-Mornay und Jean de Coras auszuleuchten und diese in die Textanalyse, auch im Hinblick auf ihr Gesamtwerk, mit einzubeziehen. Eine solche Anlage der Arbeit hätte Konzentrationen an anderer Stelle gefordert; es wäre dabei wichtig gewesen, neben der juristisch-politischen Dimension des Widerstandsdenkens stärker die konfessionell-theologischen Implikationen herauszuarbeiten. Mellet, der die deutsche Forschung zum Widerstandsrecht an sich stark rezipiert, hätte hier an einigen Stellen Anleihen nehmen können. Es mag eine stilistische Geschmacksfrage sein, jedoch werden bisweilen in Mellets Abarbeiten an der Sekundärliteratur im Fließtext eigenständige Denkansätze vermisst. Auch die sonst so umfangreiche Bibliographie weist sich an einigen Stellen als unvollständig aus.
Trotz dieser Kritik hat Mellet eine überzeugende und wichtige Studie zum politischen Denken der Monarchomachen geschrieben, die mit Gemeinplätzen, die sich in vielen Kompendien zu dieser politischen Denkrichtung finden lassen, aufräumt. Sie hat deutlich gemacht, wie viel Forschungsarbeit etwa zu den einzelnen Texten und ihrer Rezeption noch zu leisten ist.
Paul-Alexis Mellet: Les Traités monarchomaques. Confusion des temps, résistance armée et monarchie parfaite (1560-1600) (= Travaux d'Humanisme et Renaissance; Nr. CDXXXIV), Genève: Droz 2007, 568 S., ISBN 978-2-600-01139-6, EUR 91,08
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