sehepunkte 10 (2010), Nr. 12

Thomas Schneider: Die 101 wichtigsten Fragen: Das Alte Ägypten

Im Rahmen der Reihe "Die 101 wichtigsten Fragen" aus dem Beck-Verlag widmet sich Thomas Schneider in diesem Band dem Alten Ägypten. Gerade die Unterschiede zwischen der altägyptischen Kultur und der westeuropäisch geprägten Moderne üben auf viele Menschen einen Reiz aus und erklären die große Faszination des Themas Ägypten.

Schneider beginnt mit der Frage, ob dieser von ihm zusammengestellte Fragenkatalog wirklich die wichtigsten Fragen zum Alten Ägypten ausmacht. In seiner Antwort macht der Autor deutlich, dass jede Epoche natürlich mit unterschiedlichen Fragen an eine Kultur herantritt, und sich gerade zum Alten Ägypten, das seit Jahrhunderten die Menschheit fasziniert, unzählige Fragen ergeben. Anschließend an die selbstkritische Eingangsfrage gliedert Schneider seine Fragen in acht weitere Kategorien, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen:

Die Moderne und das Alte Ägypten

Die Fragen zu diesem Thema behandeln die Kontaktpunkte zwischen der Moderne und dem Alten Ägypten eingebettet in interessante Anekdoten der Zeitgeschichte - unter anderem die Übersetzungsversuche des Begründers der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage Joseph Smith. Schneider erläutert den Einfluss des Alten Ägypten auf den heutigen Kalender oder das Verhältnis zu Christentum, Judentum, Mormonen und der afrozentristischen Bewegung. Er geht auch auf die Haltung der Weimarer Klassik und der Väter der amerikanischen Unabhängigkeit gegenüber dem Alten Ägypten ein. Schneider widmet sich darüber hinaus auch Fragen, die die Situation der Ägyptologie im Dritten Reich verdeutlichen sowie der Bedeutung und dem Ansehen des Alten Ägypten im modernen Ägypten, das sich zwischen dem stark von der Antike abhängigen Tourismus und dem arabischen Nationalismus bewegt. Eine Frage, der sich Altertumswissenschaftler sicherlich immer wieder stellen müssen, ist, inwiefern die Beschäftigung mit einer antiken Kultur für die heutige Zeit von Nutzen sein kann. Schneider schlägt in seiner Antwort geschickt eine Brücke zwischen kulturellen Phänomenen der Gegenwart und der Antike und verweist auf die Analogie zwischen der "Globalisierung" des Hellenismus und den heutigen Problemen der Globalisierung.

Ägyptische Welt und ägyptisches Weltbild

In diesem Abschnitt werden Fragen gestellt, die sich mit der Geographie Ägyptens in der Antike, der Abhängigkeit zwischen Kultur und geographischen Voraussetzungen und der daraus resultierenden dualen Struktur des Staates beschäftigen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Fragen zu den Schwierigkeiten in der Interpretation, die teilweise von der schlechten Überlieferungslage abhängig sind, und unter anderem dazu führen, dass die Jenseitskultur des Alten Ägypten heutzutage so präsent ist. Die Frage, "Was ist ägyptisch am Alten Ägypten?" beantwortet Schneider durch die Betonung dessen, was nicht ägyptisch und durch kulturelle Einflüsse von außen zu erklären ist.

Geschichte

Fragen zum Themenkreis Geschichte umfassen neben der Dauer der altägyptischen Kultur und besonders einschneidenden Ereignisse der Geschichte wiederum die Zuverlässigkeit der überlieferten Quellen. Desweiteren werden sieben Fragen zu einzelnen Epochen der altägyptischen Geschichte gestellt, die auf bestimmte Charakteristika dieser Zeit eingehen, so zum Beispiel das Ende des Alten Reiches, das religiöse Trauma der Amarnazeit oder der libysche Einfluss in der Dritten Zwischenzeit.

Religion

Schneider fasst in diesem Kapitel Fragen zu religiösen Vorstellungen und Praktiken, Jenseitsglauben, Tierkult zusammen. Er geht auch auf die Existenz ritueller Tabus ein, beispielsweise gibt es keine Schweinegottheit, da das Schwein als ein unreines Tier galt.

Kunst und Architektur

Der Autor widmet sich in diesem Abschnitt unter anderem der Identität von Künstlern und Baumeistern, dem Kulturkontakt mit Mesopotamien und dem Einfluss den die ägyptische Kunst auf die antike griechische Kunst hatte. Zwei interessante Unterkapitel beschäftigen sich mit den Fragen, ob man wohl beantworten kann, welches das wichtigste Bauwerk Ägyptens und welches die wichtigste Ausgrabung in Ägypten sind. Natürlich gibt es vom Standpunkt des Betrachters aus gesehen für diese Fragen zahlreiche unterschiedliche Antworten. Schneider entscheidet sich im Falle der Ausgrabung nicht nur wegen der guten Publikationslage für die österreichischen Unternehmungen in Auaris / Tell-el-Daba, sondern weil die Ausgrabung den Horizont für bis dahin unbekannte Bereiche der ägyptischen Kultur öffnet; denn dort wird sowohl das ansonsten unterrepräsentierte Nildelta erforscht, als auch eine Stadt, die ägyptische und palästinische Kultur nebeneinander zeigt. Bei den Bauwerken entscheidet er sich für einerseits die Stufenpyramide des Djoser in Saqqara (3. Dynastie), da es sich um die erste Pyramide überhaupt und den Anfangspunkt der Steinarchitektur handelt. Auf der anderen Seite betont der Autor die Wichtigkeit des Tempels von Edfu für die altägyptische Kultur und Religion. Doch würde wahrscheinlich jedes erhaltene ägyptische Bauwerk Erwähnung verdienen, da jedes für sich neue Erkenntnisse liefern kann.

Literatur und Sprache

Amüsant und einfach zusammengefasst erklärt Schneider in diesem Kapitel anhand der Frage "Hätten sich Königin Hetepheres, Nofretete und Kleopatra unterhalten können?" die immerhin über ca. 3000 Jahre andauernde altägyptische Sprachgeschichte. Darüber hinaus geht er auf die Literarizität und mathematische Denkweise des ägyptischen Volkes ein. Ein weiterer Punkt ist die mit der saloppen Frage nach Comics verbundene bildlichen Grab- und Tempeldekoration beziehungsweise Bebilderung von Texten. Er beschließt diesen Themenkreis mit Fragen nach dem Einfluss der griechischen Epik auf die ägyptische Literatur und umgekehrt dem Einfluss der ägyptischen Literatur auf das biblische Umfeld.

Gesellschaft

Rund um die Gesellschaft drehen sich die Fragen nach Familienstruktur, Rassismus gegen Nicht-Ägypter, Homosexualität, sozialen Unterschieden und der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.

Ägyptologisches

Die letzte Kategorie umfasst nur drei Fragen, und zwar die nach der Wichtigkeit einzelner Forscher für die Entwicklung der Ägyptologie und dem Stellenwert der Ägyptologie innerhalb der Altertumswissenschaften. Schneider beendet den Fragenkatalog mit den 101 wichtigsten Literaturtipps zu den behandelten Kapiteln.

Das Buch schließt mit einer Übersicht zur ägyptischen Geschichte, Kartenmaterial und Details zu den acht Abbildungen.

Insgesamt stellt sich das Buch als eine sowohl für Ägyptologen kurzweilige als auch für interessiertes Laienpublikum gut lesbare Zusammenstellung dar. Komplexe Zusammenhänge werden für jedes Publikum einfach zusammengefasst und erklärt. Das Buch profitiert desweitern von den vielen Querverweisen. Ein kleinerer redaktioneller Fehler ist der fehlerhafte Verweis in Frage 41 auf Frage 35, obwohl eigentlich Frage 37 gemeint sein müsste.

Die ausgewählten Fragen sind die, die sich jeder Laie vielleicht stellt und die jeder Ägyptologe wahrscheinlich aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis schon einmal gehört hat, so dass in Zukunft der Verweis auf dieses Buch eine lohnenswerte Antwort sein kann.

Rezension über:

Thomas Schneider: Die 101 wichtigsten Fragen: Das Alte Ägypten (= Beck'sche Reihe; Bd. 7026), München: C.H.Beck 2010, 157 S., ISBN 978-3-406-59983-5, EUR 9,95

Rezension von:
Meike Becker
Institut für Ägyptologie und Koptologie, Westfälische Wilhelms-Universität, Münster
Empfohlene Zitierweise:
Meike Becker: Rezension von: Thomas Schneider: Die 101 wichtigsten Fragen: Das Alte Ägypten, München: C.H.Beck 2010, in: sehepunkte 10 (2010), Nr. 12 [15.12.2010], URL: https://www.sehepunkte.de/2010/12/17914.html


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