Wissenschaftlichen Anspruch erhebt dieser Grundriss-Planatlas nicht. Ansprechend ausgestattet und in einem renommierten Verlag erschienen, wird er seine Käufer aber wohl auch in der Fachwelt finden. Dies rechtfertigt eine ausführlichere Rezension.
Der Autor, Ingenieur und Zisterzienser-Begeisterter, sieht sich in der Tradition von Père Anselme Dimier, der 1949 und 1967 in zwei Lieferungen eine umfangreiche, ganz Europa und den Vorderen Orient umfassende Loseblatt-Sammlung von fast 700 Grundrissen von Zisterzienserkirchen publiziert hat, aus Quellen unterschiedlicher Qualität und ohne bauhistorische Differenzierung. Dieses Werk könnte durchaus ein Update verdienen, und dabei stand die Erweiterung auf den gesamten Klostergrundriss bereits zur Diskussion - zum Beispiel 1986 bei einem Round-table-Gespräch des Congrès Anselme Dimier in Noirlac.
Eberle legt in diesem Band die Klausurgrundrisse aller Zisterzienser-Männerklöster in Deutschland, Österreich und der Schweiz vor, ergänzt durch die Pläne von Kloster Cîteaux und den vier Primarabteien. Einleitend erläutert er, dass die Quellengrundlage dafür sehr unterschiedlich ist und die Pläne einheitlich neu gezeichnet, zumeist auch gegenüber der Vorlage entzerrt wurden. Pater Hermann Josef Roth hat einen weit ausgreifenden, mit Gewinn zu lesenden, kritischen Abriss mittelalterlichen Zisterziensertums beigesteuert.
Den Hauptteil bilden die Klosterpläne, die jeweils eine Seite einnehmen, während die gegenüberliegende Seite eine historische Ansicht (oder Rekonstruktion), eine knappe, eher touristische Charakterisierung der Anlage sowie die Quellenangaben für die Planumzeichnung präsentiert. Durch Strich- und Graustufen-Signaturen (etwas versteckt: 29) unterschieden sind erhaltene mittelalterliche Mauern, ergrabene und rekonstruierbare Mauerzüge und insbesondere die nachmittelalterlichen und abgebrochenen Bauteile. Die Quellenangaben sind von ärgerlicher Unvollständigkeit: Meist werden nur Standardwerke genannt, in denen benutzte Planvorlagen abgebildet sind (ohne Seiten- oder Abbildungsangabe); ganz selten werden die Pläne genauer charakterisiert. Dabei weist der Autor selbst darauf hin, dass für viele Rückschlüsse "auf das bei der Umzeichnung verarbeitete Quellenmaterial zurückgegriffen werden" (7) muss.
Hier kann diese je Land alphabetisch geordnete Plansammlung nur auszugsweise genauer in den Blick genommen werden. Nur bei wenigen Plänen wurde ein aktueller Forschungsstand wiedergegeben, zum Beispiel für die Klöster Eußerthal, Grünhain, Hiddensee und Rudekloster; moderne, maßgenaue Vorlagen sind (von den Schweizer Bauten abgesehen) relativ selten benutzt (Disibodenberg, Eberbach, Maulbronn). In der Regel mussten Pläne der Zeit um 1900, wenn nicht sogar barocke Planzeichnungen benutzt werden. Die bei einem solchen Atlas notwendige und durchaus lohnende Arbeit, diese Pläne auf moderne Katasterpläne zu entzerren, hat Eberle nicht unternommen. Schwerer wiegt allerdings, dass er in allzu vielen Fällen neuere, gut greifbare Literatur nicht benutzt hat, durch die wichtige Plan-Abbildungen bereits in die Forschung eingeführt worden sind, seien es Neufunde alter Pläne oder neu erstellte Planaufnahmen. Dies gilt für Cîteaux selbst (Martine Plouvier/Alain Saint-Denis 1998), für Bebenhausen (Mathias Köhler 1995), Bronnbach (Dietlinde Schmitt-Vollmer 2007; Katinka Krug 2004/05), Maulbronn (Sammelband 1997), Pforta (Reinhard Schmitt 2003), Salem (Ulrich Knapp 2004), Sittichenbach (Reinhard Schmitt 2001), Heiligenkreuz (Markus Thome 2007), St. Urban (Jürg Goll 1994) oder Wettingen (Peter Hoegger 1998).
Überdies enthalten die Pläne - bereits ohne genauere Überprüfung erkennbar - Fehler und Unstimmigkeiten. Teilweise ist das durch die Legende bedingt (29), mit der unglücklichen Unterscheidung von "erhaltenen Mauerresten" und "Bauaufnahme, Grabung". In Wörschweiler ist der größte Teil der "erhaltenen" Mauern durch eine Grabung freigelegt. Unzureichende Kenntnis der Örtlichkeit und der Literatur zeigen zum Beispiel die Pläne von Clairvaux, wo die Stirnwand des Südquerarms partiell erhalten ist, von Marienfeld, wo der Gewölbebereich südlich der Kirche ein Kreuzgangrest ist und ringsum rekonstruiert werden könnte, und von Schönau, wo seit Jahren weitaus mehr Mauern von Kirche und Kloster freigelegt worden sind. Nicht nachahmenswert ist bei Reinfeld die Eintragung des Klosterumrisses von Loccum.
Der Autor hat bewusst auf die Kartierung von Bauphasen verzichtet, auch auf die Eintragung älterer, archäologisch gesicherter Kirchen- und Klausurbauten, wie sie in Altenberg, Ebrach und besonders in Walkenried bekannt sind. Dass auch für viele andere, gut erforschte Klöster solche Periodenpläne publiziert sind, oft sogar farbig, hätte bei den einzelnen Abteien unbedingt Erwähnung (und Nachweise) finden müssen - wenn das Geld für den Wiederabdruck dieser attraktiven und aussagekräftigen Pläne nicht einzuwerben war.
Diese kritischen Anmerkungen werden den einleitend dargelegten Maßstäben und dem durchaus großen Engagement des Autors zugegebenermaßen nicht gerecht. Der Benutzer des "Grundriss-Planatlas" muss jedoch dessen Begrenztheit kennen. Während die Plansammlung von Dimier eine Vielzahl von heute noch kaum erforschten, schwer zugänglichen Kirchen in allen Regionen der Forschung oft erstmals erschlossen hat, bedeutet die hier angezeigte Plansammlung eher einen Rückschritt. Sie macht dem Benutzer weder den aktuellen Kenntnisstand zugänglich, noch kann sie die immer noch notwendigen, neuen Blicke auf die Bauten selbst, auf ihre Erbauer und ihre Nutzer öffnen. Die 'Grundrissfixierung' der modernen Zisterzienserforschung ist ja nicht nur eine fehlgeleitete Sichtweise der Kunstgeschichtsschreibung, sondern tatsächlich fundiert in einem neuartigen Umgang dieses mittelalterlichen Ordens mit Architektur.
Jürgen Eberle: Mittelalterliche Zisterzienserklöster in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Grundriss-Planatlas, Petersberg: Michael Imhof Verlag 2011, 239 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-3-86568-516-2, EUR 39,95
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