sehepunkte 12 (2012), Nr. 3

Hermann A. Schlögl: Echnaton

Das Buch, das in der Reihe Beck-Wissen erschienen ist, fasst auf 120 Seiten das Leben und den Werdegang, soweit er sich rekonstruieren lässt, des sogenannten Ketzerkönigs Echnaton zusammen.

Zum Thema Echnaton und Amarnazeit wurden schon viele, weitaus umfangreichere Werke verfasst, ist der König der 18. Dynastie doch zweifellos eine der schillerndsten und rätselhaftesten Gestalten des Alten Ägypten. So ist es eine anspruchsvolle Aufgabe, dem Leser auf nur 120 Seiten einen Eindruck über diese schwierige und ereignisreiche Zeit zu verschaffen. Dass dem Autor dies gelungen ist, lässt sich nicht bestreiten.

Schlögl geht chronologisch vor, er diskutiert erst die Voraussetzungen und Grundlagen, dann den Weg Echnatons zum Monotheismus und nach Achetaton, danach das Scheitern seiner Revolution, zum Schluss schildert er noch auf wenigen Seiten die vielfältige Rezeption des Echnaton. Eine thematisch untergliederte Bibliographie und ein Orts- und Personenregister sowie eine Zeittafel erleichtern dem Leser den Zugang. Außerdem ist das Werk mit einem Übersichtsplan der Stadt Tell el-Amarna und einem Grundriss des Grabes des Echnaton auf den Umschlagseiten sowie mit 17 Abbildungen im Text versehen.

Der Forschungsstand mag teilweise etwas veraltet sein, bei manchen Spezialthemen vermisst man die neuesten Ergebnisse. So ist z.B. die Erforschung der Vokalisierung der ägyptischen Sprache inzwischen auf einem ganz anderen Stand, als vom Verfasser beschrieben. Wenn sich auch an Fechts Ergebnis sicher nicht viel ändert, wäre doch ein Hinweis auf den aktuellen Stand der Forschung auf dem Gebiet der Linguistik hilfreich, z.B. auf die Arbeiten von Antonio Loprieno oder Carsten Peust.

Die vom Autor am Rande konstatierte, angeblich mehrfach belegte Mitregentschaft des Kronprinzen mit dem König im Mittleren Reich konnte inzwischen in den meisten Fällen widerlegt werden, so auch im zitierten Fall der Koregentschaft von Sesostris I. mit seinem Vater Amenemhet I. Ebenso muss auch die Interpretation der Thronwirren nach dem Tod des Tutanchamun als veraltet bezeichnet werden (s.u.).

Die vielfältigen Textbeispiele aus verschiedenen Gattungen illustrieren anschaulich den Text und machen ihn besser verständlich und lebendiger. Einige Teilbereiche werden nur angerissen und wenig differenziert geschildert. Das mag an der Seitenvorgabe der Reihe liegen, allerdings hätte man die Beschreibung von Grabdarstellungen oder Stelen etwas kürzer fassen und dafür beispielsweise auf die Außenbeziehungen oder die wirtschaftlichen Zustände in der Amarnazeit etwas detaillierter eingehen können. Gerade zu den Beziehungen mit den Ländern des Vorderen Orients ist man durch das Archiv der sogenannten Amarna-Tafeln erstaunlich gut informiert.

Im Kapitel "Aya, Jongleur der Macht" klingen die Thronwirren nach dem Tode des Tutanchamun an, über die es ebenfalls eine kontroverse Diskussion gab. Lange Zeit war man der Meinung, Aya und Haremhab hätten beide Interesse am Pharaonenthron gehabt. Zunächst habe Aya die Abwesenheit Haremhabs ausgenutzt und den Thron bestiegen, danach habe dieser dann Aya gestürzt, um selbst Pharao zu werden. [1] So klingt es auch in Schlögls Publikation an, allerdings geht man entgegen dieser Meinung mittlerweile davon aus, dass beide Herrscher im Einklang miteinander regierten und eine Art Duumvirat führten. Augenscheinlich gab es keine Konkurrenz zwischen den beiden Politikern. [2] Aya dürfte zur Zeit seiner Thronbesteigung schon recht betagt gewesen sein, da er ja unter Amenophis III. bereits im Amt war. Insofern ist es wohl keine große Überraschung, dass er nach nur vier Regierungsjahren starb, und dies vermutlich eines natürlichen Todes. Danach übernahm Haremhab die Regierung und setzte die Politik seiner Vorgänger fort.

Die schon fast polemisch wirkende Interpretation Schlögls, nach der Haremhab mit großem Hass einen Bildersturm anzettelte, der auch die Denkmäler Ayas und seiner Familie zum Opfer fielen, kann so nicht bewiesen werden. Dass Haremhab Statuen Tutanchamuns usurpiert haben könnte, ist möglich, allerdings hat dies nichts mit der damnatio memoriae des Gottes Aton und seiner Denkmäler zu tun. Dies kann praktische Gründe gehabt haben, eine Statue neu zu beschriften, geht schlicht schneller, als eine neue herzustellen. Ebenso könnte die Statue im Auftrag von Tutanchamun begonnen worden sein, die letztendliche Fertigstellung und Beschriftung erfolgte dann erst unter Haremhab.

Es gilt jedenfalls als sicher, dass sowohl Aya als auch Haremhab eine sehr behutsame, scharfe Brüche vermeidende Politik der Restaurierung und nicht der Zerstörung betrieben haben. Die Abkehr von Echnatons Neuerungen begann schon unter Tutanchamun, ca. 2-3 Jahre nach seiner Thronbesteigung wurde ein erstes Restaurierungsdekret erlassen, indem die Wiederherstellung der Maat verkündet wird. Damit ist dezidiert nicht eine Verketzerung des Echnaton und seiner Revolution verbunden. Dafür spricht auch die Neugründung der Residenz in Memphis. Haremhab und Aya gingen eben gerade nicht zurück nach Theben, sondern bauten in Memphis etwas Neues auf. Auch die meisten hohen Beamten lassen sich nun in Memphis und nicht mehr in Theben bestatten. Die alten Götter werden wieder in Ehren eingesetzt, gleichzeitig verändert sich aber auch das Pantheon. Neben den Reichsgott Amun treten gleichberechtigt der Sonnengott Re und der memphitische Schöpfergott Ptah. Der König bekennt sich in Zukunft zur Reichstriade Amun, Re und Ptah.

Die Amarnazeit hat in der Kunst, Architektur und in der Sprache viele Spuren hinterlassen, was ebenfalls dafür spricht, dass der Bildersturm auf Echnaton und seinen Gott nicht schon unter Aya und Haremhab stattfand. Die damnatio memoriae des Echnaton hat zweifellos stattgefunden, begann aber erst in einem nächsten Schritt in der frühen Ramessidenzeit.

Schlögls Buch bietet einen kurzen Abriss über die Amarnazeit und kann ein Einstieg in dieses komplexe Thema sein. Den nicht wenig vorhandenen Problemen wird jedoch zu oft aus dem Weg gegangen, die Situation wird pauschal beurteilt und "geglättet". Zum Ende hin ist die Interpretation des Verfassers in meinen Augen zu polemisch und nicht auf dem neuesten Stand der Forschung.


Anmerkungen:

[1] So Wolfgang Helck: Die Beziehungen Ägyptens zu Vorderasien im 3. und 2. Jahrtausend v.Chr., Ägyptologische Abhandlungen 5, Wiesbaden 21965, 182.

[2] So schon bei Erik Hornung: Das Grab des Haremhab im Tal der Könige, Bern 1971, 17, und bei Thomas Schneider, Lexikon der Pharaonen, München 1996, 126.

Rezension über:

Hermann A. Schlögl: Echnaton (= C.H. Beck Wissen; 2441), München: C.H.Beck 2008, 128 S., ISBN 978-3-406-56241-9, EUR 7,90

Rezension von:
Sabine Kubisch
Ägyptologisches Institut, Universität Heidelberg
Empfohlene Zitierweise:
Sabine Kubisch: Rezension von: Hermann A. Schlögl: Echnaton, München: C.H.Beck 2008, in: sehepunkte 12 (2012), Nr. 3 [15.03.2012], URL: https://www.sehepunkte.de/2012/03/16915.html


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