Klaus Storkmann: Geheime Solidarität. Militärbeziehungen und Militärhilfen der DDR in die "Dritte Welt" (= Militärgeschichte der DDR; Bd. 21), Berlin: Ch. Links Verlag 2012, XIV + 687 S., ISBN 978-3-86153-676-5, EUR 49,90
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Infolge der Entkolonialisierung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs standen sowohl die Westmächte als auch die UdSSR und ihre europäischen Verbündeten vor der Frage, anhand welcher Kriterien sie ihre Beziehungen zu den neuen Staaten oder den auf Staatsbildungen hindrängenden Bewegungen ordnen sollten, wem selbstlose Waffenhilfe zu leisten und mit wem lediglich kommerzieller Waffenhandel zu treiben war. Die Militärbeziehungen der DDR zur Dritten Welt, die Klaus Storkmann in seiner eindrucksvollen, am Militärgeschichtlichen Forschungsamt der Bundeswehr entstandenen Dissertation untersucht hat, entfalteten sich denn auch entlang dieses Spektrums und folgten entweder dem ideologischen Gebot selbstloser Solidarität oder dem kommerziellen Eigeninteresse, manchmal auch beidem.
Für die zeitgenössische westliche Wahrnehmung der auswärtigen Militärpolitik der DDR gilt, was für die westliche Wahrnehmung der DDR auf vielen Gebieten festgestellt werden kann: Der SED-Staat wurde maßlos überschätzt. Die bewaffneten Formationen der DDR, die in den 1970er und 1980er Jahren von der Presse in Afrika gesichtet wurden, hat es nie gegeben. Die von Storkmann ausgewertete Aktenüberlieferung ist dicht genug, um diesen Negativbefund als endgültig gesichert betrachten zu können.
Ungeachtet solcher Übertreibungen leistete die DDR aber viel für ihre Verbündeten in der Dritten Welt. Insbesondere für den SED-Generalsekretär Erich Honecker war die militärische Form der Solidarität eine Herzenssache, gegen die selbst sachlich begründete Einwände aus dem Verteidigungsministerium keine Chance hatten. Storkmann zeigt, dass dies gerade den mosambikanischen Partnern der DDR sehr wohl bewusst war, so dass sie nach Ablehnungen aus Strausberg ihre Hilfeersuchen regelmäßig von Honecker persönlich durchwinken ließen. Über ihr eigentliches Thema hinaus leistet Storkmanns Arbeit hier einen wichtigen Beitrag zur Komplettierung des wissenschaftlichen Honecker-Bildes: Praktisch bis zu seiner Ablösung blieb dieser ein enthusiastischer Berufsrevolutionär, der den Genossen in Äthiopien, Mosambik und Nicaragua auch noch nach der sowjetischen Abkehr von einer expansiven Dritte-Welt-Politik großzügig unter die Arme griff.
Die auswärtigen Militärbeziehungen der DDR kann man - so sie nicht rein kommerziell waren - wohl am besten als Bündnisbeziehungen verstehen, die entweder auf einer ideologischen Identität der Partner - so im Falle Äthiopien, Mozambique und Nicaragua - basierten oder auf einer starken Feindbildidentifikation seitens der DDR. Letzteres galt für Syrien und Ägypten, die als Schlüsselländer des Nahost-Konflikts bereits unter Ulbricht beachtliche Waffenlieferungen erhielten. Beide Staaten waren keine marxistisch-leninistischen Regimes und ihr Krieg mit Israel war ein eigenständiger Konflikt, der die Parteien des Kalten Krieges wegen der geostrategischen Bedeutung des Raums ansog und in ein Konkurrenzverhältnis zueinander setzte. Syrien und Ägypten agierten auch keineswegs als Stellvertreter, sondern traten erstaunlich fordernd auf. So lieferte Ulbricht 1967 nach der arabischen Niederlage im Sechs-Tage-Krieg umgehend aus den NVA-Beständen entnommene MiG-21-Flugzeuge und T-34/85-Panzer an Syrien. Allein dem ägyptischen Wunsch nach Entsendung von Militärkadern widersetzte er sich vehement, um dann später aber auch hier eine gewisse Bereitschaft zum Entgegenkommen zu signalisieren. Durch die Diskontinuitäten sowohl in Ägypten als auch in der DDR Anfang der 1970er Jahre kam es dann aber doch nicht zur Entsendung von NVA-Soldaten in den Nahostkrieg.
Ein Problem der DDR bei der Entfaltung ihrer auswärtigen Militärbeziehungen war, dass sie über keine sehr große Rüstungsindustrie verfügte und aus eigener Produktion nur Infanteriewaffen und Zubehör liefern konnte. Den Waffenwünschen z.B. des libyschen Diktators Gaddafi konnte Ost-Berlin schon allein aus diesem Grund nur sehr eingeschränkt nachkommen. Wohl auch um dieses Manko auszugleichen, schuf die NVA-Führung eine umfangreiche Infrastruktur zur Ausbildung ausländischer Militärkader, die einerseits zur Devisenerwirtschaftung diente, andererseits aber auch der unentgeltlichen Unterstützung ideologisch nahestehender Waffenbrüder. Dass Gaddafi für die Ausbildung seiner Offiziere zahlen musste, ist auch ein Indiz für den ideologischen Abstand zwischen der SED und dem Nahost-Autokraten, der seine eigene Heilslehre ersann und letztlich lieber Militärhilfe von seiten der Bundesrepublik in Anspruch genommen hätte.
Storkmann befasst sich ausführlich mit der in Prora auf Rügen durchgeführten Offiziersausbildung, wobei er das Bild aus dem überlieferten Aktenmaterial durch Interviews mit Zeitzeugen abrundet. Die interkulturellen Begegnungen zwischen DDR-Bürgern und den Offiziersschülern, die eine recht großzügige Ausgangsregelung genossen, verliefen dabei sehr unterschiedlich. Neben vielen guten Kontakten, an die sich die Beteiligten gerne erinnern, kam es auch zu erheblichen Straftaten seitens der ausländischen Gäste, die bis zu Vergewaltigungsversuchen und Vergewaltigungen reichten. Problematisch aus Sicht der NVA-Führung war auch, dass die Partnerstaaten sich mitunter nicht an die vertraglichen Vereinbarungen hielten. So entsandte das nicaraguanische FSLN-Regime vertragswidrig Minderjährige zur Militärausbildung. Die DDR reagierte hier charakteristisch defensiv: Man beschwerte sich zwar, bildete die Kindersoldaten aber dann doch aus.
Nicht zu Unrecht betont Storkmann die Tatsache, dass die auswärtige Militärpolitik der DDR im internationalen Vergleich als normales Agieren eines Staates gewertet werden muss. Waffenlieferungen und die Ausbildung ausländischer Soldaten sind auch nach dem Ende des Kalten Krieges ein festes Element der internationalen Beziehungen geblieben. Bei seinem Beharren auf Normalität verschließt Storkmann allerdings weitgehend die Augen vor dem Charakter der Regimes, die von der DDR besonders großzügig unterstützt wurden. In Äthiopien produzierte die marxistisch-leninistische Diktatur Mengistu Haile Mariams mit einer stalinistischen Landwirtschaftspolitik eine riesige Menge von Hungertoten, während sie gleichzeitig einen blutigen Krieg gegen die Unabhängigkeitsbewegung in Eritrea führte. Im Falle der sandinistischen Junta Nikaraguas bleiben Storkmanns Ausführungen leider auch deutlich hinter dem zurück, was man aus den DDR-Akten erfahren kann: Bereits 1979, unmittelbar nach dem Sieg ihrer Revolution, nahmen die Sandinisten Kurs auf den Aufbau einer sozialistischen Militärökonomie und suchten zu diesem Zweck enge Kontakte auch zur NVA-Führung. Den Repressionsapparat, den die FSLN zum Aufbau einer marxistisch-leninistischen Diktatur benötigte, bekam sie hernach frei Haus aus dem Sowjetblock geliefert: Im Mai 1980 trafen die Staatssicherheitsdienste der UdSSR, der ČSSR, Bulgariens, Kubas und der DDR in Ost-Berlin zusammen, um die entsprechenden Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Der Vertreter Kubas rechnete da schon mit einer baldigen Verschärfung der Lage. Der zweite nikaraguanische Bürgerkrieg kam dann auch als Folge der sandinistischen Landwirtschaftspolitik alsbald zum Ausbruch. Mit ihrer Militärhilfe leistete die DDR insgesamt einen Beitrag zur Stabilisierung von Regimes, die ansonsten aufgrund ihrer gegen die Interessen einer Bevölkerungsmehrheit gerichteten Politik wahrscheinlich sehr schnell zusammengebrochen wären. Die DDR-Hilfe trug aber letztlich nur zu einer Konkursverschleppung bei, der in den Empfängerstaaten allerdings hunderttausende von Menschen zum Opfer fielen. Diese Dimension fehlt in Storkmanns insgesamt sehr lesenswerten Arbeit leider völlig.
Michael Ploetz