Elisabeth Stuart, Tochter Jakobs I. von England, ist in Deutschland als die Winterkönigin bekannt. Seit 1613 mit Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz verheiratet, folgte sie ihrem Ehemann nach dessen Wahl zum böhmischen König nach Prag, wo das Paar aber eben nur einen Winter lang residierte. Kaum bekannt hingegen ist, dass Elisabeth nach dem Tod ihres Mannes 1632 eine wichtige politische Rolle spielte. Unter Ausnutzung aller ihr zur Verfügung stehenden Kontakte versuchte sie, die Kurpfalz für ihren minderjährigen Sohn Karl Ludwig zurückzugewinnen. Von ihrem Exil in den Niederlanden aus korrespondierte sie unter anderem mit ihrem Bruder, König Karl I. von England, mit wichtigen englischen Politikern, mit ausländischen Staatsmännern wie Oxenstierna, mit Reichsfürsten, Militärs und Diplomaten. Elisabeth hat diese politische Rolle nicht angestrebt, aber sie nach dem Tod ihres Mannes als ihre Aufgabe angenommen. Sie selbst schreibt, dass sie nach dem Tod Friedrichs gezwungenermaßen eine "Staatsfrau" ("states woman", 170) geworden sei. Fortan übernahm sie also die für Fürstinnen in ihrer Lage üblichen Aufgaben einer Witwe und fungierte als Vormund ihrer minderjährigen Kinder. Unüblich hingegen war, dass sie in dieser Funktion nicht über ein Land regierte, sondern sich darum bemühen musste, dieses Land zurückzugewinnen. Diese Aufgabe nahm sie über die Volljährigkeit ihres Sohnes Karl Ludwig hinaus wahr, da dieser erst nach seiner Freilassung aus französischer Gefangenschaft Ende 1641 voll handlungsfähig war.
Diese wohl am stärksten der Politik gewidmete Phase ihres Lebens deckt der zweite Band der Korrespondenz Elisabeths ab, der ihren Briefwechsel der Jahre 1632-1642 enthält. Aufgrund der oben geschilderten Umstände handelt es sich bei diesem Band um eine politische Korrespondenz im klassischen Sinne, "Privates" findet sich fast nur für die Monate bis zum Tod Friedrichs. Die Edition ist auf drei Bände angelegt, der hier vorzustellende zweite Band ist als erster erschienen. Das ist insofern bedauerlich, als man deshalb nichts über die Überlieferungslage der Korrespondenz Elisabeths, eventuelle Auswahlkriterien für die Aufnahme von Stücken in die Edition und Editionsprinzipien erfährt.
Die Edition von Nadine Akkerman ist, soweit dies ohne Kenntnis der Originale beurteilt werden kann, von beeindruckender Sorgfalt. Als Kopf der einzelnen Briefe finden sich Angaben zur aktenkundlichen Einordnung des Stückes, der Rückvermerk, eventuell Informationen zu Schreiber, Überbringer etc. sowie eine Einordnung in den Korrespondenzzusammenhang ("Antwort auf Schreiben von..."). Korrekturen und Hervorhebungen im Original sind angegeben, die Chiffren werden abgedruckt und jeweils direkt aufgelöst. Im Anhang sind die verwendeten Chiffrierschlüssel aufgeführt, sodass der Band auch für diejenigen, die sich mit der frühneuzeitlichen Chiffrierpraxis beschäftigen, wertvolles Material bietet. Die Anmerkungen enthalten alle zum Verständnis der Texte notwendigen Erläuterungen. Die englischsprachigen Briefe sind im Original wiedergegeben, den französischen, lateinischen und niederländischen Texten ist eine Übersetzung ins Englische beigegeben. Das sehr ausführliche Personen- und Ortsregister enthält nicht nur biographische Erläuterungen zu den Personen und Orten, sondern gibt auch an, in welchem Zusammenhang sie an den jeweiligen Stellen genannt werden. Das ermöglicht die gezielte Suche nach Informationen über andere Personen als Elisabeth und kann fast ein Sachregister ersetzen. Der Nachteil dieser Form des Registers ist, dass sich nicht alle Stellen, in denen eine Person erwähnt wird, vollständig nacheinander ansteuern lassen.
Die insgesamt 622 Briefe von und an Elisabeth stammen aus ungefähr zwei Dutzend Archiven und Bibliotheken vor allem in Großbritannien und Deutschland (Marburg, Karlsruhe, München, Kassel), aber auch aus Schweden, Irland, den Niederlanden und Frankreich. Während frühere Teileditionen der Korrespondenz Elisabeths sich auf einzelne Korrespondenzpartner oder Archive beschränkten und fast ausschließlich ihre Briefe berücksichtigten [1], liegt damit erstmals eine vollständige Edition des Briefwechsels der Königin vor. Allein die Archivorte zeigen die Ausdehnung, aber auch die Schwerpunkte ihres weitgespannten Netzwerks. Von den Reichsfürsten pflegte Elisabeth einen engen Kontakt allein nach Hessen, wie die fast 40 Briefe von und an Landgraf Wilhelm V. und seine Witwe Amalie Elisabeth zeigen, während sich beispielsweise keine Korrespondenz mit den ebenfalls calvinistischen Brandenburgern findet. Auffallend ist, dass der Band nur sehr wenige Briefe Elisabeths von und an ihren Bruder Karl I. enthält. Die Vermittlungsperson der Königin zum englischen Hof und der Kanal, über den sie hoffte, auf ihren Bruder einwirken zu können, war offensichtlich William Laud, der Erzbischof von Canterbury, mit dem Elisabeth mehr als 60 Briefe wechselte. Er ist damit der zweithäufigste Korrespondenzpartner des Bandes. Weitaus am intensivsten war die Korrespondenz Elisabeths mit dem englischen Gesandten Sir Thomas Roe, der von seinen wechselnden Einsatzorten auf dem Kontinent nicht nur den englischen Hof mit Informationen versorgte, sondern genauso für Elisabeth tätig war.
Es kann nicht Aufgabe dieser Rezension sein, das in dem Band vorgelegte Material auszuwerten und zu interpretieren. Angedeutet sei immerhin, dass die Korrespondenz beispielsweise deutlich die Interessengegensätze zwischen Elisabeth und ihrem königlichen Bruder zutage treten lässt. Während Karl I. Elisabeth zu einer Übersiedlung nach England überreden wollte, wohl auch, um sie dort besser unter Kontrolle zu haben, versuchte sie geradezu verzweifelt, ihren Bruder zu einem militärischen Eingreifen in den Krieg zugunsten der Pfalz zu bewegen. Deutlich wird daran auch die für eine Fürstin typische Position Elisabeths zwischen Herkunfts- und angeheirateter Familie. Die Königin bemühte sich, ihre englischen Verbindungen zu nutzen, aber nicht zugunsten Englands, sondern im Interesse ihrer Kinder.
Darüber hinaus bietet der Band reichhaltiges Material zu vielen Fragestellungen, von der Politik Englands im Dreißigjährigen Krieg, über die Herrschaft von Frauen und die Diplomatie- und Militärgeschichte bis zur Hofkultur. Es ist zu hoffen, dass die anderen beiden Bände rasch folgen werden.
Anmerkung:
[1] Anna Wendland (Hg.): Briefe der Elisabeth Stuart, Königin von Böhmen, an ihren Sohn, den Kurfürsten Carl Ludwig von der Pfalz 1650-1662, nach den im Königlichen Staatsarchiv zu Hannover befindlichen Originalen, Stuttgart 1902; L[ily] M[elissa] Baker (ed.): The Letters of Elizabeth Queen of Bohemia, London 1953 (enthält überwiegend andernorts bereits gedrucktes Material); Margret Lemberg: Eine Königin ohne Reich: Das Leben der Winterkönigin Elisabeth Stuart und ihre Briefe nach Hessen, Marburg 1996.
Nadine Akkerman (eds.): The Correspondence of Elizabeth Stuart, Queen of Bohemia. Volume II 1632-1642, Oxford: Oxford University Press 2011, XX + 1201 S., ISBN 978-0-19-955108-8, GBP 135,00
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