sehepunkte 14 (2014), Nr. 3

Tim Juckes: The Parish and Pilgrimage Church of St Elizabeth in Košice

Den St.-Elisabeth-Dom in Kaschau (Košice) in der Ostslowakei allein als eines der wichtigsten Bauwerke auf dem Gebiet des mittelalterlichen Ungarn einzuordnen, wird der Bedeutung des Themas nicht gerecht. Gleich zu Beginn der Arbeit verweist Tim Juckes auf die vielfältigen, überregionalen Beziehungen des Bauwerks nach Frankreich, nach Polen, nach Siebenbürgen, in den süddeutschen Raum, nach Wien und nach Prag. Dennoch war der St.-Elisabeth-Dom in Kaschau, abgesehen von einem auf Deutsch verfassten Aufsatz von Ernö Marosi aus dem Jahr 1969 [1], bislang hauptsächlich Gegenstand der ungarischen und slowakischen Forschung.

Juckes widmet diesem wichtigen Bauwerk mit vorliegendem Buch in englischer Sprache die verdiente Monografie für eine internationale Öffentlichkeit. Als Kernfragen seiner Arbeit formuliert er zum einen die Frage nach den Bauherren, nach der Bezahlung und nach der Verantwortlichkeit für das spätmittelalterliche Bauprojekt, zum anderen die Frage nach den Baumeistern und dem Ort ihrer Schulung, nach den Einflüssen auf die Gestalt des Bauwerks und den überregionalen Bezügen (3).

Die Arbeit ist in sechs übersichtliche Kapitel gegliedert. Das erste Kapitel widmet Juckes den Grundlagen, den Schriftquellen und der Restaurierungs- und Forschungsgeschichte (5-21).

Das zweite Kapitel befasst sich mit dem baulichen Umfeld des Kirchenbaus (23-51). Juckes entwirft anhand von Bevölkerungsdaten, Handelsbeziehungen sowie der politischen und wirtschaftlichen Rolle der Stadt im Königreich Ungarn ein klares Bild von der Bedeutung der Stadt Kaschau. Darüber hinaus untersucht er die Lage des Bauwerks im Stadtgefüge und die anderen sakralen Gebäude der Stadt. Anhand der Schriftquellen ermittelt er die Involvierung der Stadt in die Finanzierung und Verwaltung von Bauprojekten, auch im Hinblick auf den St.-Elisabeth-Dom, und die in historischen Quellen erwähnten Steinmetze aus Kaschau.

Die sich anschließenden drei Kapitel (Kapitel 3-5) bilden mit einer sorgfältigen Bauuntersuchung des St.-Elisabeth-Doms das Kernstück der Arbeit. Juckes identifiziert drei Bauphasen (I: 1390-1400 (53-86); II: 1400-1440 (87-168); III: 1440-1470 (169-214)), denen er jeweils ein eigenes Kapitel widmet. Am Anfang der einzelnen Kapitel steht die Auswertung der Schriftquellen, gefolgt von einer Auswertung des Baubefunds, die nicht allein die Architektur, sondern auch das Skulpturenprogramm der Portale (110-125) und die Ausstattung (186f.) einbezieht. Juckes ergänzt die Bauuntersuchung durch Querverweise auf Vorbilder für die Architekturformen. Dabei beschränkt er sich nicht allein auf die Umgebung, sondern bezieht Siebenbürgen, Schlesien, Böhmen, Italien, Österreich, Frankreich und den Süddeutschen Raum in seine Untersuchung ein. Durch zahlreiche Fotos sowie Plan- und Detailzeichnungen, auf die im Text stets verwiesen wird, sind die vorgebrachten Argumente zu Bauchronologie und Baugestalt stets gut nachvollziehbar. Jedem Kapitel ist eine kurze Zusammenfassung angefügt, in der Juckes die Kernfragen der Arbeit, die Lehrzeit und Einflüsse auf den Baumeister und die Rolle der Bauherren in der jeweiligen Bauphase, untersucht.

In dem auf die Bauuntersuchung folgenden sechsten Kapitel ermittelt Juckes die Bedeutung des Kirchenbaues für die Architektur der Region (195-214). Er beginnt mit einer Analyse des Baugeschehens vor dem Neubau, untersucht schließlich den Einfluss des Neubaus und stellt Auswirkungen auf Bauten in Siebenbürgen, Kleinpolen (polonia minor), Ungarn und insbesondere der Region um Kaschau fest.

In der abschließenden Zusammenfassung findet eine Würdigung des Bauwerks statt (215f.). Juckes stellt den wichtigen Einfluss des Bauwerks auf die Architekturlandschaft des mittelalterlichen Ungarn fest. Hingegen führt er die Inspiration für die Baugestalt mehrheitlich auf den süddeutschen Raum zurück. Besonders interessant ist hierbei die Feststellung, dass neben einem direkten Austausch mit den Bauhütten von Wien und Prag ein Kontakt zu den bedeutendsten Werkmeistern des frühen 15. Jahrhunderts bestanden haben muss, zu Ulrich von Ensingen, Madern Gerthener und Hans von Burghausen (147).

Eine für die kommende Forschung wichtige Grundlage bietet die Arbeit auch durch den ausführlichen Anhang, in dem die historischen Schriftquellen, die Steinmetzzeichen und die Grundriss-, Schnitt- und Ansichtszeichnungen des Bauzustands vor den Umbauten des 19. Jahrhunderts verfügbar gemacht werden (217-254). Die sorgfältige Vorgehensweise des Autors macht sich dabei auch darin bemerkbar, dass die Zeichnungen - auch im Textteil - stets mit einem Maßstab versehen sind.

Es fällt schwer an der sorgfältigen und ausführlichen Monografie Kritik zu üben. Letztlich bleiben nur ein paar Wünsche, die womöglich über das Thema hinaus geführt hätten. So wäre es schön gewesen bei der Betrachtung der zwei Renovationen des 19. Jahrhunderts vergleichend die Rekonstruktionen aus dem deutschsprachigen Raum aus derselben Epoche einzubeziehen, gerade weil auf den Wiener Dombaumeister Friedrich von Schmidt verwiesen wird (7). Auch wäre es interessant gewesen, wenn Juckes in der abschließenden Untersuchung der Bedeutung des Kirchenbaus den Blick auch nach Westen gerichtet hätte. Es bleibt offen, welchen Einfluss das Bauwerk auf die Architektur im Süddeutschen Raum hatte. Unerwähnt bleibt das in diesem Zusammenhang wichtige Skizzenbuch des Steinmetzen Hans Hammer, der 1481 nach drei Jahren Wanderschaft "us ungern her gen stroßburg" zurückgekehrt war und auf seinem Weg wohl das zentrale Vierungsgewölbe des St.-Elisabeth-Domes skizziert sowie ein deutsch-ungarisches Wörterbuch anfertigt hatte. [2]

Auch dürften neue Untersuchungen, die zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung des Buches noch nicht vorlagen, im Hinblick auf den St.-Elisabeth-Dom in Kaschau in Details zu neuen Überlegungen führen. So kann die Zeichnung aus dem Nürnberger Nationalmuseum (72) nicht mehr als Vergleichsbeispiel einer Planung aus dem 15. Jahrhundert gelten, sie konnte in das 13. Jahrhundert datiert werden. [3] Die als "unidentified" geltende Gewölbezeichnung aus Stuttgart (133) hingegen konnte inzwischen als Nordseitenschiffsgewölbe des Theobaldmünsters in Thann identifiziert werden [4], was neue Fragen bezüglich der von Juckes beschriebenen Chronologie (142f.) und der gegenseitigen Beeinflussung der Gewölbearchitektur in Wien, Kaschau und am Oberrhein aufwirft.

Das große Verdienst des Buches von Juckes ist es jedoch gerade, dass für die Beantwortung dieser Fragen jetzt endlich eine gute Grundlage vorliegt. So kann das Werk mit seiner sorgfältigen Argumentation, der klaren Gliederung, den zahlreichen anschaulichen Fotoaufnahmen architektonischer Details, den maßstäblichen Planzeichnungen und Profilaufmaßen und, nicht zu vergessen, dem umfangreichen Anhang mit historischen Schriftquellen, Steinmetzzeichen und Planzeichnungen des mittelalterlichen Bauzustands als wertvoller Beitrag zur Erforschung spätmittelalterlicher Architektur des 15. Jahrhunderts und als Grundlage für die weitere Forschung über die Region hinaus gelten.


Anmerkungen:

[1] Ernö Marosi: Die zentrale Rolle der Bauhütte von Kaschau. Studium zur Baugeschichte der Pfarrkirche St. Elisabeth um 1400, in: Acta Historiae Artium 15 (1969), 25-75.

[2] Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 114.1 Extrav.

[3] Johann Joseph Böker / Anne-Christine Brehm / Julian Hanschke / Jean-Sébastien Sauvé: Architektur der Gotik. Rheinlande, Salzburg 2013, Nr. 24.

[4] Johann Joseph Böker / Anne-Christine Brehm / Julian Hanschke / Jean-Sébastien Sauvé: Architektur der Gotik. Rheinlande, Salzburg 2013, Nr. 37.

Rezension über:

Tim Juckes: The Parish and Pilgrimage Church of St Elizabeth in Košice. Town, Court, and Architecture in Late Medieval Hungary (= Architectura Medii Aevi; Vol. 6), Turnhout: Brepols 2011, XII + 292 S., 224 s/w-Abb., ISBN 978-2-503-53109-0, EUR 89,00

Rezension von:
Anne Christine Brehm
Institut für Baugeschichte, Universität Karlsruhe
Empfohlene Zitierweise:
Anne Christine Brehm: Rezension von: Tim Juckes: The Parish and Pilgrimage Church of St Elizabeth in Košice. Town, Court, and Architecture in Late Medieval Hungary, Turnhout: Brepols 2011, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 3 [15.03.2014], URL: https://www.sehepunkte.de/2014/03/24280.html


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