"Papsturkunden ohne Ende" seufzte Paul Fridolin Kehr 1905 zu Beginn seiner Nachträge zu den Papsturkunden Italiens. [1] Und bis heute - über 100 Jahre seit dem Bestehen des Göttinger Papsturkundenwerkes - handelt es sich um eine Herkulesaufgabe, die zu bewerkstelligen ist. Zwar ist Kehr rasch von seinem Plan abgekommen, sämtliche Papsturkunden bis zum Epochenjahr 1198 zu edieren, mit dem die kontinuierliche Überlieferung der Papstregister einsetzt. Stattdessen ersann er zur Bewältigung des ungeheuren Stoffes eine nach den Empfängern gegliederte "urkundliche Quellenkunde", als die er den ersten erschienenen Band dieses Regestenwerkes bezeichnete. [2] Dennoch blieb und bleibt die Aufgabe gewaltig. Denn die Pontificien-Bände sollen nach ihrem Abschluss die gesamte christianitas erfassen. Ihre Bedeutung ist daran zu erkennen, dass sie bereits heute nicht mehr aus der Erforschung des Papsttums sowie Europas wegzudenken sind. Sie verzeichnen - nach Empfängern gegliedert - alle Kontakte mit dem Papst bis 1198, und das meint neben den Urkunden auch sonstige Kontakte mit der Kurie wie beispielsweise durch Legaten und Delegaten.
In den letzten Jahren bemüht sich das Göttinger Papsturkundenwerk vor allem um die Peripherien der christianitas. So ist in den letzten drei Jahren nicht nur die Bohemia Moravia durch Waldemar Königshaus abgeschlossen worden, sondern auch der von Daniel Berger bearbeitete Band Iberia Pontificia 1. [3] Nach diesem Band zur exemten Diözese Burgos liegt nun mit dem Band zur exemten Diözese León der zweite Band der Iberia Pontificia vor. Beide Bearbeiter sind ausgewiesene Experten der Materie: Der Hauptbearbeiter, Santiago Domínguez Sánchez, hat bereits mehrfach Editionen von Papsturkunden in Spanien vorgelegt und Daniel Berger hatte für den Band Iberia Pontificia 1 verantwortlich gezeichnet. Der hier anzuzeigende Band Iberia Pontificia 2 bietet in der gewohnten Weise nach Empfängern und dann chronologisch sortiert 170 Nummern, die sich auf Handlungen und Urkunden von Päpsten, Legaten oder Delegaten beziehen, sowie 48 Nummern zu Institutionen und Personen, die an die Kurie herangetreten sind. Darunter sind auch Besuche von Synoden zu verstehen, wie etwa die Teilnahme des Abtes Didacus von Sahagún am Konzil Urbans II. in Clermont vom November 1095. Immerhin 47 der genannten 218 Regesten gehen auf Originale zurück. Chronologisch beziehen sich fast alle Regesten auf das 12. Jahrhundert, lediglich 16 Nummern finden sich für die Zeit vor Paschalis II. (1099-1118).
Der Band ist wie üblich aufgebaut: Vor den einzelnen Regesten eines Empfängers findet sich zunächst grundlegende Literatur. Waren hier in der Vergangenheit ausführliche Bibliographien geboten, so ist dies heute aufgrund der Literaturdatenbanken nicht mehr notwendig, so dass sich die Literaturangaben für den Empfänger in chronologischer Reihenfolge auf das Entscheidende reduzieren lassen. Das ist eine gute Entscheidung, welche die Bände entlastet - andernfalls würde man seitenlange Literaturangaben durchblättern müssen, ehe man zu den eigentlichen Regesten gelangt. Die Einzeltitel sind zudem am Ende des Bandes in einem Quellen- und Literaturverzeichnis zusammengefasst. Nach den Literaturangaben finden sich eine Beschreibung der Archivsituation sowie ein kurzer historischer Überblick zum jeweiligen Empfänger. Die konkreten Regesten folgen dem altbewährten Muster: Einer Datierung folgt eine knappe Zusammenfassung des (vor allem rechtlich) relevanten Inhalts, danach die Überlieferung, Editionen sowie Regestierungen in anderen Werken. Daran schließen sich Ausführungen zum Inhalt und im Fall des Originals zu dessen Abmessungen sowie Erhaltungszustand an. Abgeschlossen wird dieser Block von Literaturhinweisen und - davon abgesetzt - durch Querverweise auf andere Regesten innerhalb der Pontificienbände. Für die grundwissenschaftlich interessierten Benutzer finden sich bei der Beschreibung des Stückes auch Bemerkungen zur konkreten Gestaltung der kopialen Überlieferung, etwa die Übernahme von Rota und Bene valete, wie im Falle von Ib. Pont. 2 Seite 110 Nr. 11. Sehr zu begrüßen ist bei der Gestaltung der Regesten, dass alle Angaben lateinisch formuliert wurden. Damit orientiert sich die Iberia Pontificia im Gegensatz zu den Bänden der Gallia Pontificia am Muster der restlichen Pontificienbände. Neu ist in diesem Rahmen jedoch die Verzeichnung der in Göttingen befindlichen photographischen Aufnahmen zu den einzelnen Stücken, die bereits in der Iberia Pontificia 1 angeführt wurden. Zwar handelt es sich dabei um keinen eigenständigen Überlieferungsträger, doch sind diese Materialien bisweilen einfacher zugänglich als echte Überlieferungsträger. Es ist zu wünschen, dass dieses Material rasch digitalisiert und allgemein zugänglich gemacht wird. Ebenso wie in der Iberia Pontificia 1 ist auch dem hier anzuzeigenden Band eine Karte der bearbeiteten Diözese beigegeben, die diesmal jedoch nicht nach den Regesten und vor dem Literaturverzeichnis postiert wurde, sondern direkt vor den Beginn der Regesten. Es ist ausgesprochen erfreulich, dass nunmehr bereits der zweite Band der Iberia vorliegt - und es ist zu hoffen, dass ihm rasch in der gewohnten Qualität weitere Bände folgen mögen.
Anmerkungen:
[1] Paul Fridolin Kehr: Nachträge zu den Papsturkunden Italiens 1, in: Nachrichten von der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen. Philologisch-Historische Klasse (1905) 321-380 (Wiederabdruck in: ders.: Papsturkunden in Italien. Reiseberichte zur Italia Pontificia, 6 Bde., Città del Vaticano 1977 [Acta Romanorum Pontificum 1-6], hier Bd. 5, 1-60), 321 (1).
[2] So Paul Fridolin Kehr: [Selbstanzeige der Italia Pontificia 1], in: Göttingische gelehrte Anzeige 168 (1906) 593-610 (Wiederabdr. in: ders.: Ausgewählte Schriften, hg. v. Rudolf Hiestand, 2 Bde., Göttingen 2005 [AAG, phil.-hist. Kl., 3. Folge 261], 18-36), 597 (22).
[3] Waldemar Könighaus: Bohemia-Moravia Pontificia vel etiam Germania Pontificia V/3: Provincia Maguntinensis VII: Dioeceses Pragensis et Olomucensis, Gottingae 2011; Daniel Berger: Regesta Pontificum Romanorum. Iberia Pontificia, Vol. I: Dioeceses exemptae. Dioecesis Burgensis, Göttingen 2012; aktuelle Informationen sind den Seiten der Pius-Stiftung für Papsturkundenforschung zu entnehmen (http://www.papsturkunden.gwdg.de/Pius-Stiftung/Publikationen/publikationen.html ).
Santiago Domínguez Sánchez (Hg.): Dioeceses Exemptae. Dioecesis Legionensis (= Regesta Pontificum Romanorum. Iberia Pontificia; Vol. II), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013, XXXII + 167 S., ISBN 978-3-525-31001-4, EUR 69,99
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